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Kommunikationsregime: die Entstehung von Wissen um Medialität in kommunikativen Praktiken1

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Kommunikativer Konstruktivismus

Part of the book series: Wissen, Kommunikation und Gesellschaft ((WISSEN))

Zusammenfassung

Im Rahmen wissenssoziologischer Forschung liegt eine beeindruckende Anzahl von Einzelstudien zu akustischen Medien wie der Musik (Kurt 2009), Übertragungsmedien wie dem Radio (vgl. Knoblauch 1995), zum Geruch (Raab 2001), zu räumlich-theatralischen Medien wie dem Rollenspiel (Herbrik 2011) zu visuellen Medien wie Powerpoint (Schnettler und Knoblauch 2007), zu audiovisuellen Medien wie dem Amateurvideo (Raab 2008), zum Digitalmedium (Brosziewski 2003) und zum Online-Amateurvideo (Traue 2012) vor, um nur eine Auswahl zu nennen. Diese breite Beschäftigung mit Medien und den ihnen korrespondierenden Sinnhaftigkeiten verblieb aber bislang weitgehend auf der Ebene von Einzelstudien und wurde noch nicht in einer Diskussion zusammengeführt, in der die theoretischen Grundlagen der ‚neueren Wissenssoziologie‘ wiederum erneuert werden. Die Privilegierung der Sprache als Medium der Wirklichkeitskonstruktion schien deshalb bisher eine Schwäche dieser in den 1960er Jahren begründeten Wissenssoziologie zu sein.

1 Ich danke Hubert Knoblauch, Anja Schünzel, Christoph Engemann und Lisa Pfahl für ihre Kommentare und Anregungen.

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Notes

  1. 1.

    Diese Perspektive schließt sowohl an die französische Tradition der ‚Produktion von Subjekten‘ als auch an die auch von Jo Reichertz in diesem Band angesprochene anthropologische Perspektive der Kommunikation als „Mittel der menschlichen Selbsterzeugung“ an. Deren Differenz liegt darin, dass in der französischen ‚poststrukturalistischen‘, Tradition, die ideologiekritische mit differenztheoretischen Ansätzen verbindet, die Perspektive des Handelnden nicht vorkommt, sondern lediglich impliziert wird, etwa als Bedingung der Möglichkeit des Verfassen von Texten, in denen die Produktion des Subjekts beschrieben wird. Beide Sichtweisen müssen allerdings verbunden werden, sobald nicht mehr übersehen wird, dass jegliche Praxis von Diskursen über Handeln informiert ist.

  2. 2.

    Diese Überlegungen beziehen sich auf Befunde des DFG-Projekts „Audiovisuelle Kulturen der Selbstthematisierung“ (vgl. Traue 2009, Traue 2012a).

  3. 3.

    „Kommunikatives Handeln ist immer auch instrumentelles Handeln. […] Sei es der von Hand geschriebene Brief und die mit Tinte geschriebenen Buchstaben, der vom Mund mechanisch gebildete Laut oder die technisch visualisierte Repräsentation auf einem Computerbildschirm, die von Hand eintippt oder automatisch eingegeben wurde: Alle Fälle kommunikativen Handelns schließen instrumentelles Wirken mit ein“ (Knoblauch in diesem Band, S. 29).

  4. 4.

    Während in der psychoanalytischen Tradition, von der schließlich auch die Soziologie stark beeinflusst ist, etwa über den Pragmatismus (Meads „I“ and „me“) und über Parsons Modernisierungstheorie, das Subjekt als in wenige, qualitativ unterschiedliche Teile gespalten begriffen, befürchten insbesondere Theoretiker der Postmoderne eine Aufsplitterung in ein „fraktales Subjekt“, „das in eine Vielzahl von winzigen gleichartigen Egos zerfällt“ (Baudrillard 1989: 25).

  5. 5.

    Ich schließe hier wiederum an Walter Seitters Medientheorie an. Seitter begreift Medienwissenschaft als Verkehrwissenschaft (Seitter 2002). Diese Bestimmung erlaubt es, z. B. die Hand, den Stuhl, den Tisch, das Geschäft, das Licht, die Luft und den Funk als Medien zu begreifen.

  6. 6.

    Also das ‚Hochladen‘ einer digitalen Text-, Audio- oder Videodatei in den dezentralen Informationsspeicher Internet.

  7. 7.

    Also die Nutzung des Internetdienstes „Twitter“.

  8. 8.

    Vgl. auch Knoblauch in diesem Band: „Dies alles – das Schreiben, Vertreiben, Produzieren, Lesen – erzeugt eine Form der Kultur und, durch die Verwendung eines Codes (an der Sie im Moment aktiv in lesender Performanz beteiligt sind), eine Form der Kommunikation, die in ihrer Eigenheit Wissenschaft, Soziologie und darin eine besondere Theorie der kommunikativen Konstruktion konstruiert“ (S. 40).

  9. 9.

    ‚Eigenideologie‘ ist ein provisorischer Ausdruck, der das ganze Spektrum der sich selbst verstärkenden, aber umstrittenen Deutungsmuster bezeichnet, die im Rahmen eines Kommunikationsregimes dieses und seine Alternativen beschreiben.

  10. 10.

    Während für das französische sozialtheoretischen Denken die Legitimationssysteme, etwa als Dispositive, als relativ geschlossen und veränderungsresistent gelten, geht der kommunikative Konstruktivismus – in einer vielleicht überoptimistischen Einstellung – davon aus, dass Legitimationen auch in der nichtwissenschaftlichen Kommunikation im kommunikativen Handeln in Frage gestellt und verändert werden können: „Legitimationen sind kommunikative Formen der Sinnerzeugung von Institutionen, die auch in materialen Symbolen oder kollektiven Ritualen objektiviert sein können. Sie sind Kommunikation und ihrerseits Gegenstand der Kommunikation, etwa wenn man sich fragt, was eine besondere Kommunikation bedeutet (etwa eine Predigt, eine politische Rede, ein wissenschaftliches Experiment)“ (Knoblauch in diesem Band: S. 41).

  11. 11.

    Phänomenologie, Poststrukturalismus und Medientheorie sind also selbst historisch situierte Umgangsweisen mit dem Problem der Koordination des Handelns angesichts der institutionellen Normierung und medialen Formierung der Verhaltensweisen.

  12. 12.

    Den Begriff der Oszillation übernehme ich aus Jean Luc Nancys Essays „Am Grund der Bilder“ (Nancy 2006).

  13. 13.

    Jo Reichertz (in diesem Band) geht auf diese Thematik ein: „Die ‚Sozialkonstruktivisten‘ der zweiten und dritten Generation […] , die bis auf sehr wenige Ausnahme […] die Protosoziologie von Luckmann nicht übernommen und nicht weiter geführt haben, teilen zwar durchweg den Glauben an den unhintergehbaren Konstruktionscharakter menschlicher Erkenntnis, nehmen jedoch den Wissenschaftler und dessen Erkenntnisse nicht mehr davon aus“ (Ebd.: S. 60).

  14. 14.

    Vgl. auch Traue 2012b zur ‚Kritikalität‘ des Wissens.

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Traue, B. (2013). Kommunikationsregime: die Entstehung von Wissen um Medialität in kommunikativen Praktiken1 . In: Keller, R., Reichertz, J., Knoblauch, H. (eds) Kommunikativer Konstruktivismus. Wissen, Kommunikation und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19797-5_11

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