Zusammenfassung
Die eingangs zitierten Worte der US-amerikanischen Politiktheoretikerin Amy Gutmann deuten an, was in einer plural verfassten Welt und aus ‚kommunikationskonstruktivistisch‘ aufgeklärter Sicht selbstverständlich ist. Es gibt verschiedene Arten und Weisen, über Armut zu sprechen; das heißt, es gibt verschiedene Arten und Weisen der Akzentuierung der mit Armut verbundenen Merkmalsbeschreibungen und Einzelphänomene, der Identifizierung und Interpretation materialer und sozialer Bedeutungskomponenten, der Suche nach verursachenden Faktoren und ‚Lösungsansätzen‘, der Skandalisierung, Moralisierung, Politisierung oder auch Bagatellisierung des Problemcharakters von Armut, nicht zuletzt der Problematisierung selbst, also der gesellschaftlichen Markierung von Armut als einem Sachverhalt, der gegebene symbolisch-institutionelle Ordnungen und moderne Ideale von Gleichheit, Gerechtigkeit, Teilhabe und des Anspruchs auf einen gewissen Lebensstandard mehr oder minder empfindlich stört oder zumindest vorübergehend irritierend: im Anblick eines vor Hunger ausgezehrten, sterbenden Kindes, eines im Müll nach Nahrung suchenden Alten, einer Bettlerin am Straßenrand und anderer, sei es unmittelbarer, sei es massenmedial vermittelter Begegnungen.
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Notes
- 1.
Der in der angelsächsischen Globalisierungsliteratur durchwegs gebräuchliche und als Schlüsselkonzept bezeichnete Begriff der interconnectedness wird oft auch als Verbundenheit übersetzt. Um normative Überfrachtungen im Begriffsverständnis zu vermeiden, wird hier die strukturell weitaus nüchternere Variante der Verknüpftheit vorgezogen.
- 2.
Die Entwicklung der Menschenrechte ebenso wie die Entwicklung des Humanitarismus wird seit einiger Zeit verstärkt auch unter kulturgeschichtlichen, kulturanthropologischen und soziologischen Aspekten behandelt, vgl. dazu bspw. Hunt (2007), Goodale (2009), Moyn (2010), Laqueur (1989), die Beiträge in Wilson/Brown (2009), Tester (2010) sowie Turner (2006). Zur Ordnung von Gesellschaft unter dem Aspekt moralischer Kommunikation vgl. grundlegend Luckmann (1997: 9).
- 3.
An dieser Stelle möchten wir es uns nicht nehmen lassen, die Sozialkategorie ‚Frau‘ – zwangsläufig gesondert – einzuführen. Ansonsten halten wir uns an die androzentrische Gepflogenheit des wissenschaftlichen Diskurses, weibliche Gesellschaftsm itgliede
- 4.
Zu den genannten Themenfeldern und der transnationalen bzw. kosmopolitischen Wende der Ungleichheitsforschung vgl. u. a. die Beiträge in Beck/Poferl (2010) und die dort genannte Literatur.
- 5.
Mit dem Begriff der Invisibilisierung schließt Beck an Stichweh (2010 [2001]) an.
- 6.
Zu einer wissenssoziologischen Reformulierung des Deutungsmusteransatzes vgl. auch Plaß/Schetsche (2001) sowie in der Unterscheidung strukturtheoretischer und wissenssoziologischer Perspektiven Lüders/Meuser (1997).
- 7.
Als symbolisch markante Geste wird hier insbesondere das im Sekundenabstand erfolgende Schnippen mit der Hand verwendet, das verdeutlichen soll, dass statistisch gerechnet nach Angaben der UN weltweit alle 3 – 4 Sekunden ein Kind an Armut stirbt.
- 8.
Unter der Netiquette versteht man die Etikette im Internet. Der Begriff wird hautsächlich für die Kommunikation über EMails und Newsgroups verwendet. So ist es z. B. in Foren in der Regel nicht erlaubt, sich gegenseitig zu beschimpfen oder Werbung für andere Produkte und Dienstleistungen zu machen.
- 9.
Die bloße Erfassung normativer erwünschter Äußerungen und entsprechender Rationalisierungen ist ein Standardvorwurf, der der interpretativen Sozialforschung oft entgegengehalten wird. Gerade für eine Analyse gesellschaftlicher Normierungen erweist sich dieser allerdings als verkürzt und wird umgekehrt vielmehr in seinen eigenen Implikationen, sprich: der Unterstellung unterschiedlich ‚wahrer‘ Wirklichkeitsebenen, als diskussionsbedürftig.
- 10.
Da es sich bei den Textbotschaften und Blogbeiträgen jeweils um mehr als 1 000 Kommen tare handelte, wurde eine weitgehend willkürliche Auswahl getroffen. Die Kommentare der Internetseite YouTube sind vollständig in die Datenanalyse eingeflossen. Darüber hinaus wurde die Internetseite von „Deine Stimme gegen Armut“ im November 2010 gesichert und in die Datenanalyse mit einbezogen. Auf Grund der Materialfülle wurde entschieden, weitere relevante Seiten wie zum Beispiel facebook oder MySpace nicht in die Analyse aufzunehmen.
- 11.
Die zitierten Kommentierungen sind einschließlich aller grammatikalischen und orthographischen Eigentümlichkeiten original übernommen.
- 12.
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Poferl, A., Walter, V. (2013). „Deine Stimme gegen Armut“ – Zur kommunikativen Konstruktion eines globalen Problems. In: Keller, R., Reichertz, J., Knoblauch, H. (eds) Kommunikativer Konstruktivismus. Wissen, Kommunikation und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19797-5_10
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