Zusammenfassung
Was gemeinhin als Sozial- oder Wohlfahrtsstaat bezeichnet wird, fristet ein theorieloses Dasein zwischen Rechtswissenschaft (Sozialrecht), Wirtschaftswissenschaft (Transferökonomie) und den einschlägigen soziologischen und politikwissenschaftlichen Analysen. Zwar hat im deutschen Sprachraum die Aktivität des „Vereins für Socialpolitik“ der praktischen Sozialpolitik schon früh eine akademische Grundlage gegeben, und auch in Großbritannien werden einschlägige Fragen im Rahmen eines eigenständigen Faches „Social Administration“ abgehandelt, doch handelt es sich dabei im Wesentlichen um historische, institutionenkundliche und an Reformen von Einzelmaßnahmen orientierten Erörterungen. Erst in jüngster Zeit finden sich Bemühungen, den Gesamtzusammenhang der international meist als ‚wohlfahrtsstaatlich‘ bezeichneten Entwicklungen historisch und international vergleichend aufzuarbeiten (Ritter 1989; Schmid 1996; Schmidt 1998). Aber auch hierbei dominiert ein induktives Verfahren. Es gibt bis heute nur wenige Versuche, die sozialstaatliche Problematik systematisch mit Fragen der Staatstheorie, der ökonomischen Ordnungstheorie oder der soziologischen Steuerungs- und Gesellschaftstheorie, aber auch der Ethik zu verbinden. Und insoweit dies geschieht, so zumeist mit einer charakteristischen disziplinären Einseitigkeit.
Erschienen in: Handbuch der Wirtschaftsethik, hrsg. im Auftrag der Görres-Gesellschaft von Wilhelm Korff u.a. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 1999, Band 1, S. 803–833. Eine gekürzte und überarbeitete englische Fassung ist unter dem Titel „Towards a Theory of the Welfare State“ erschienen in: Welfare State Futures, ed. by Stephan Leibfried. Cambridge University Press, Cambridge 2001, S. 15–36. Preprint in European Review — An Interdisciplinary Journal of the Academia Europea, Vol. 8 (2000) No. 3, S. 291–312. Die vorliegende Text inkorporiert einige Veränderungen und Ergänzungen aus der englischen Fassung und enthält auch weitere Überarbeitungen.
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Literatur
Vgl. Altes Testament, Buch Ruth, Kapitel 2.
Konsequenterweise betrachtete Adam Smith die meisten Dienstleistungen unter Einschluß der Leistungen des Staates als „nicht produktiv“; vgl. Smith 1776/1974: II. Buch, 3. Kapitel.
In der Medizin wird das diesbezügliche Problem mit dem die direktive Rolle des Arztes betonenden Konzept der ‚Compliance‘ abgehandelt.
Gemessen mit Hilfe des Gini-Koeffizienten hatte Deutschland innerhalb der EU nach Dänemark 1993 die ausgeglichenste Einkommensstruktur (Eurostat 1997:4). Andere Studien zeigen, daß Deutschland hinter Skandinavien in der Gruppe der Länder mit einer überdurchschnittlich erfolgreichen Politik der Armutsbekämpfung liegt.
Die früheste dieser Vereinbarungen war das „September-Agreement“ in Dänemark (1900). Andere wichtige Abkommen waren das „Stinnes-Legien-Abkommen“ nach der Kapitulation des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg, welches die Grundlage für die wirtschftsund sozialpolitischen Teile der Weimarer Reichsverfassung legte; das „Friedensabkommen“ in der Schweizerischen Metall- und Uhrenindustrie (1937) und das Schwedische „Ab kommen von Saltsjöbaden“ (1938). Der französische „Accord de Matignon“ (1936) scheiterte, während die „Accords de Grenelle“ (1968) bis heute zur Befriedung der nirgends sonst bis dahin so bitteren Klassenauseinandersetzungen beitragen. In jüngerer Zeit hat der „Akkord van Wassenaar“ (1982) die Grundlage für eine recht erfolgreiche Reformpolitik des Wohlfahrtsstaates in den Niederlanden gelegt.
Gute Überblicke über die US-amerikanische Wohlfahrtspolitik und ihre Bedingungen geben. Weir u.a. 1988 und Noble 1997. Hinsichtlich des sozialen Schutzes bestehen zwischen den einzelenen Bundesstaaten erhebliche Unterschiede. Einige wie das stark von deutschen Auswanderern besiedelte Wisconsin eiferten europäischen Vorbildern nach. Soweit sozialpolitische Initiativen überhaupt eine Mehrheit auf Bundesebene gewannen, scheiterten sie bis zu Roosevelts ‚New Deal‘ regelmäßig am „Supreme Court“. Hierzu ausführlicher Kaufmann 2001b: 844ff.
Zur Geschichte des ‚Sozialrechtspaktes‘ und zum Rückzug der Vereinigten Staaten von dem durch sie zunächst mit getragenen Programm vgl. Köhler 1987: 924 ff.
Zum unterschiedlichen Einfluß des Konfuzianismus auf die Entwicklung von Sozialpolitik in Ostasien vgl. Rieger/Leibfried 1999.
Vgl. hierzu Abschnitt 7.4, insbesondere Übersicht 7.1., S. 190.
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Kaufmann, FX. (2002). Sozialstaatlichkeit unter den Bedingungen moderner Wirtschaft. In: Sozialpolitik und Sozialstaat: Soziologische Analysen. Sozialpolitik und Sozialstaat. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99962-7_12
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