Zusammenfassung
Organisation ist sicher eine Form sozialer Kooperation, aber man könnte vermuten, dass es sich trotzdem um eine nahe Verwandte der Technik handelt. Wir sprechen von Organisationstechnik. Wir überlassen viel von dem, was früher in der Form sozialer Interaktion vollzogen wurde, den Computern. Sie können es ebenso gut, wenn nicht besser. Auch die klassische Organisationssoziologie scheint diese Parallele vor Augen gehabt zu haben, wenn sie Organisation als einen Herrschaftsapparat oder gar als eine Maschine bezeichnete, die vorgesehene Aufgaben erfüllt. Die Analogie stützt sich auf die Annahme, dass Organisationen die gleichen Arbeitsvollzüge einigermaßen zuverlässig wiederholen können und dass, wenn etwas nicht funktioniert, der Fehler gesucht und gefunden werden kann.
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Literatur
Die richtungsweisende Publikation war E.L. Trist/K.W. Bramforth, Social and Psychological Consequences of the Longwall Method of Coal-Getting, Human Relations 4 (1951), S. 3–38. Sie betraf die sozialen Konsequenzen einer neuen Arbeitsorganisation im Kohlebergbau.
Vgl. auch Charles R. Walker/Robert H. Guest, The Man on the Assembly Line, Cambridge Mass. 1952. Für eine ausgearbeitete Version der Theorie soziotechnischer Systeme siehe Joan Woodward, Management and Technology, London 1958;
Charles R. Walker/Robert H. Guest, Industrial Organization: Theory and Practice, London 1965;
ferner P. G. Herbst, Socio-technical Design: Strategies in Multidisciplinary Research, London 1974. Kritisch dazu (wenig Beziehungen zwischen Technologie und Sozialstruktur)
David J. Hickson/D.S. Pugh/Diana C. Pheysey, Operations Technology and Organization Structure: An Empirical Reappraisal, Administrative Science Quarterly 14 (1969), S. 378–397;
Lawrence B. Mohr, Organizational Technology and Organizational Structure, Administrative Science Quarterly 16 (1971), S. 444–459;
John Child/Roger Mansfield, Technology, Size, and Organization Structure, Sociology 6 (1972), S. 369–393.
Eine rückblickende Würdigung findet man auch in Howard E. Aldrich, Technology and Organizational Structure: A Reexamination of the Finding of the Aston Group, in: Amitai Etzioni/E.W. Lehman (Hrsg.), A Sociological Reader on Complex Organizations, New York 1980, S. 233–250.
Siehe z.B. Fred W. Cottrell, The Railroader, Stanford Cal. 1940.
Diese Entwicklung zwingt dazu, ältere Studien über Zusammenhänge zwischen technologisch erzwungener Massenproduktion und Organisationsstrukturen (zum Beispiel Pradip N. Khandwalla, Mass Output Orientation of Operations Technology and Organizational Structure, Administrative Science Quarterly 19 (1974), S. 74–97) zu überprüfen.
Siehe z.B. Hartmut Hirsch-Kreinsen/Harald Wolf, Neue Produktionstechniken und Arbeitsorganisation: Interessen und Strategien betrieblicher Akteure, Soziale Welt 38 (1987), S. 181–196;
Gert Schmidt, Die „Neuen Technologien“ — Herausforderung für ein verändertes Technikverständnis der Industriesoziologie, in: Peter Weingart (Hrsg.), Technik als sozialer Prozeß, Frankfurt 1989, S. 231–255;
Ray Loveridge/Martyn Pitt (Hrsg.), The Strategic Management of Technological Innovation, Somerset N.J. 1990;
Michael Behr/Martin Heidenreich/Gert Schmidt/Hans-Alexander Graf von Schwerin, Neue Technologien in der Industrieverwaltung: Optionen veränderten Arbeitskräfteeinsatzes, Opladen 1991;
Rainer Frericks/Peter Hauptmanns/Josef Schmid, Die Funktion von Managementstrategien und -entscheidungen bei der Modernisierung des Produktionsapparats (Apparats!, N.L.), Zeitschrift für Soziologie 22 (1993), S. 399–415.
Vgl. Michael Gibbons/John S. Metcalfe, Technology, Variety and Competition, in: Ilya Prigogine/Michèle Sanglier (Hrsg.), Laws of Nature and Human Conduct, Brüssel 1987, S. 253–266, mit der Konsequenz, dass technologische Innovationen im Zusammenhang mit Konkurrenz die Varietät des Wirtschaftssystems sowohl steigern als auch verringern können.
So in Anwendung des Begriffs „structuration“ (Anthony Giddens) Stephen R. Barley, Technology as an Occasion for Structuring: Evidence from Observations or CT Scanners and the Social Order of Radiology Departments, Administrative Science Quarterly 31 (1986), S. 78–108.
Für einen aktuellen Überblick und als Verteidigung des Konzepts gegen Kritiker siehe W. Richard Scott, Technology and Structure: An Organizational Level Approach, in: Paul S. Goodman/Lee S. Sproull et al., Technology and Organizations, San Francisco 1990, S. 109–143.
Siehe zu dieser Unterscheidung von competence destroying and competence enhancing technological breakthroughs Michael L. Tushman/Philip Anderson, Technological Discontinuities and Organizational Environments, Administrative Science Quarterly 31 (1986), S. 439–465.
Für eine Evolutionstheorie von Technikentwicklungen (Variation/Selektion/Retention) siehe Philip Anderson/Michael L. Tushman, Technological Discontinuities and Dominant Designs: A Cyclical Model of Technological Change, Administrative Science Quarterly 35 (1990), S. 604–633.
Insofern wird der ursprüngliche „soziotechnische“ Ansatz des Tavistock Institutes bestätigt, ja erweitert, wobei es jetzt nicht mehr nur um „human relations“ geht, sondern um funktionierende Arbeitsorganisation schlechthin. Siehe etwa Arndt Sorge/Wolfgang Streeck, Industrial Relations and Technical Change: The Case for an Extended Perspective, in: Richard Hyman/Wolfgang Streeck (Hrsg.), New Technology and Industrial Relations, Oxford 1988, S. 19–47 (23 ff.).
Vgl. auch Walter W. Powell, Review Essay: Explaining Technological Change, American Journal of Sociology 93 (1987), S. 185–197; Behr et al. a.a.O. (1991). Vor allem werden auch die Anforderungen des Marktes unter der Bedingung von Konkurrenz einbezogen. 10 Wir sehen hier ganz davon ab, dass die überwiegende Literatur sich eher mit den gesellschaftlichen Auswirkungen von Automation befasst, vor allem mit den Auswirkungen auf die Quantität und die Qualität der angebotenen Arbeit.
Auf räumliche Nähe der Arbeitsplätze bezogen deuten erste Untersuchungen darauf hin, dass die Möglichkeiten der Telekommunikation (Telefon, elektronische Post) keineswegs die Vorteile der Nähe ausgleichen. Nach wie vor nimmt Kontakthäufigkeit mit Distanz rapide ab, auch wenn die Logik der Aufgaben etwas anderes nahe legen würde. Siehe David Krackhardt, Constraints on the Interactive Organization as an Ideal Type, in: Charles Heckscher/Anne Donnellon (Hrsg.), The Post-Bureaucratic Organization: New Perspectives on Organizational Change, Thousand Oaks Cal. 1994, S. 211–222 (213 f.). Das Argument gilt natürlich nur, wenn Beweglichkeit vorausgesetzt wird.
Siehe dazu Gene I. Rochlin, Informal Organizational Networking as Crisis-Avoidance Strategy: US Naval Flight Operations as a Case Study, Industrial Crisis Quarterly 3 (1989), S. 159–176.
Siehe z.B. Jost Halfmann/Klaus-Peter Japp (Hrsg.), Riskante Entscheidungen und Katastrophenpotentiale: Elemente einer soziologischen Risikoforschung, Opladen 1990.
Siehe hierzu Karl E. Weick, Technology as Equivoque: Sensemaking in New Technologies, in: Paul S. Goodman/Lee S. Sproull et al., Technology and Organizations, San Francisco 1990, S. 1–44.
Siehe Diane Vaughan, Autonomy, Interdependence, and Social Control: NASA and the Space Shuttle Challenger, Administrative Science Quarterly 35 (1990), S. 225–257. Siehe auch Rochlin a.a.O. (1989) mit der These, dass ein System unter diesen Bedingungen stärker auf lokale, informale Netzwerke (wir würden sagen: auf kognitive Routinen) zurückgreifen müsse.
Siehe z.B. Behr et al. (1991), insb. S. 35 ff., 88 ff.
Vgl. hierzu die Fallanalyse von Karl E. Weick, The Vulnerable System: An Analysis of the Tenerife Air Disaster, Journal of Management 16 (1990), S. 571–593, zit. nach dem Abdruck in: Peter J. Frost et al. (Hrsg.), Reframing Organizational Culture, Newbury Park Cal. 1991, S. 117–130.
Siehe Barry A. Turner, The Organizational and Interorganizational Development of Disasters, Administrative Science Quarterly 21 (1976), S. 378–397.
Beispiele aus den Erfahrungen des Verfassers: Flughafen Rom-Fiumicino: Die Damen an den Abfertigungsschaltern sitzen vor den Computern und starren sie an. Sie bewegen sich nicht. Alle 20 Minuten kann ein Passagier abgefertigt werden. Die Leute werden unruhig. Das Flugzeug muss warten. Flughafen Düsseldorf: Der Zubringerzug fällt wegen „Betriebsstörung“ ersatzlos aus. Das Flugzeug war nur deshalb noch zu erreichen, weil es ohnehin verspätet angekommen war und verspätet abflog. Bahnhof Rosenheim: Der Anschlusszug hat wegen „Betriebsstörung“ eine Dreiviertelstunde Verspätung. Man lässt einen anderen IC-Zug außerplanmäßig halten, der die Passagiere zum Münchener Hauptbahnhof mitnimmt. Mit etwas Geschick wird sich vielleicht ein System der integrierten Verspätungen einrichten lassen, wenn am Ort genügend Fantasie, Wissen über Alternativen und Durchgriffskompetenz aktiviert werden kann. Dass es unter diesen Umständen wieder mehr auf den Menschen (die Person, das „Subjekt“) ankomme — so Behr et al. (1991), S. 143 auf Grund von Beispielen aus einem anderen Bereich -, mag man kaum glauben und erst recht nicht hoffen. Jedenfalls läge darin keine Beruhigung.
Vgl. Thomas P. Hughes, Networks of Power: Electrification in Western Society 1880–1930, Baltimore 1983;
Renate Mayntz/Thomas P. Hughes (Hrsg.), The Development of Large Technical Systems, Frankfurt 1988;
Todd R. La Porte (Hrsg.), Social Responses to Large Technical Systems, Dordrecht 1991;
Renate Mayntz, Große technische Systeme und ihre gesellschaftstheoretische Bedeutung, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 45 (1993), S. 97–108;
Jane Summerton (Hrsg.), Changing Large Technical Systems, Boulder 1994. Eine recht kritische Würdigung der Terminologien und der weithin untheoretischen Konzepte der bisherigen Forschung findet man bei Bernward Joerges, Reden über große Technik, in: Festschrift Renate Mayntz, Baden-Baden 1994, S. 453–490.
So Charles Perrow, Normale Katastrophen: Die unvermeidbaren Risiken der Großtechnik, dt. Übers. Frankfurt 1987. Der englische Titel hieß noch weniger provokativ: Normal Accidents.
Zu weitläufigen Diskussionen über die Begriffe Technik/Technologie siehe z.B. Kelvin W. Willoughby, Technological Choice: A Critique of the Appropriate Technology Mouvement, Boulder — London 1990, S. 25 ff.
und zwar in der Terminologie von Michel Callon, Society in the Making: The Study of Technology as a Tool for Sociological Analysis, in: Wiebe E. Bijker et al. (Hrsg.), The Social Construction of Technological Systems: New Directions in the Sociology and History of Technology, Cambridge Mass. 1987, S. 83–103. Vgl. auch John Law, Technology and Heterogeneous Engineering: The Cases of Portuguese Expansion, in: Bijker et al. S. 110–134.
Es liegt deshalb nahe, das Rechtssystem als ein hochgradig technisiertes System zu begreifen. Dem steht jedoch der soziologische Einwand entgegen, dass nur ein minimaler Teil der Rechtsprobleme oder der juristisch relevanten Vorfälle tatsächlich in die Form von Entscheidungsanträgen gebracht wird. Von Technisierung könnte man also allenfalls innerhalb von Behörden sprechen, die Rechtsangelegenheiten bearbeiten.
Dass darin ein „Risiko“ steckt, das man dann unterschiedlich bewerten kann, ist eine späte, erst neuerdings diskutierte Entdeckung. Vgl. dazu Gerald Wagner, Vertrauen in Technik, Zeitschrift für Soziologie 23 (1994), S. 145–157.
Dies hatte bekanntlich Husserl bewogen, Einwände gegen „Die Sinnentleerung der mathematischen Naturwissenschaften in der Technisierung’“ zu erheben und auf der Berücksichtigung der konkreten subjektiven sinnstiftenden Leistungen zu bestehen. Siehe Edmund Husserl, Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die Transzendentale Phänomenologie, Husserliana Bd. VI, Den Haag 1954, insb. S. 20 ff. Aber damit ist letztlich nur gesagt, dass die Form der Technik eine andere Seite hat, auf der all das zu finden, und zwar in der Welt zu finden ist, was sie als Form ausschließt.
Schon angesichts der Technik, die Zentralperspektive bei der Anfertigung von Kunstwerken zu konstruieren, wurde diese Möglichkeit verständnisloser Handhabung gesehen — und beklagt. Siehe Giulio Trolli, Paradossi per pratticare la prospettiva senza saperla (1672), zit. nach der Ausgabe Bologna 1683.
Also nur in diesem Fall. Ohne Bezug auf eine basale Technik der Organisation wird das Verhältnis von Lohn und Leistung unbestimmbar und folgt den normalen Systembedingungen eines „loose coupling“.
Siehe Niklas Luhmann/Karl Eberhard Schorr, Das Technologiedefizit der Erziehung und die Pädagogik, in Niklas Luhmann/Karl Eberhard Schorr (Hrsg.), Zwischen Technologie und Selbstreferenz: Fragen an die Pädagogik, Frankfurt 1982, S. 11–40.
Siehe dazu Adam Gamoran/Robert Dreeben, Coupling and Control in Educational Organizations, Administrative Science Quarterly 31 (1986), S. 612–632.
Vgl. für lebende Systeme Robert B. Glassman, Persistence and Loose Coupling in Living Systems, Behavioral Science 18 (1973), S. 83–98;
für Organisationen z.B. Herbert A. Simon, The Organization of Complex Systems, in: Howard H. Pattee (Hrsg.), Hierarchy Theory: The Challenge of Complex Systems, New York 1973, S. 3–27 (15 ff.);
Karl E. Weick, Der Prozeß des Organisierens, dt. Übers. Frankfurt 1985, insb. S. 163 ff. Weitere Literatur findet man unter Stichworten wie „resi-lience“, „Robustheit“, „Fehlerfreundlichkeit“, „Ultrastabilität“.
So Kim S. Cameron/Robert E. Quinn, Organizational Paradox and Transformation, in: Robert E. Quinn/Kim S. Cameron (Hrsg.), Paradox and Transformation: Toward a Theory of Change in Organization and Management, Cambridge Mass. 1988, S. 1–18 (7).
Zu Veränderungen der Formen von Kontrolle und zur Überwindung der Beschränkung auf direkte Beobachtung von Dingen und Verhaltensweisen siehe Berverly H. Burris, Technocracy at Work, Albany N.Y. 1993.
Ferner L. Winner, Autonomous Technology, Cambridge, Mass. 1977;
Ferner L. Winner, The Whale and the Reactor: A Search for Limits in an Age of High Technology, Chicago 1986.
So Federico Butera, Il castello e la rete: Impresa, organizzazioni e professioni nell’Europa degli anni ’90, 2. Aufl. Milano 1991, S. 196.
Es gibt auch Versuche, die Planungsprozesse in Organisationen nach dem Vorbild von „artificial intelligence“ zu modellieren. Siehe z.B. Roger I. Hall, Building an Artificial Intelligence Model of Management Policy Making: A Tool for Exploring Organizational Issues, in: Michael Masuch (Hrsg.), Organization, Management, and Expert Systems: Models of Automated Reasoning, Berlin 1990, S. 105–121, und weitere Beiträge in diesem Band. Dann ist der gemeinsame Bezugspunkt von „artificial intelligence“ und Organisationsplanung das menschliche Bewusstsein in seinen kognitiven Fähigkeiten.
Vgl. Niklas Luhmann, Soziale Systeme: Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt 1984, insb. S. 191 ff.
Das bedarf wohl kaum eines Belegs. Zur Ambivalenz dieser Abhängigkeit siehe aber Alain Gras, Grandeur et dépendence: Sociologie des macro-systèmes techniques, Paris 1993.
Auf dieser Ebene hat sich vor allem James D. Thompson, Organizations in Action: Social Science Bases of Administrative Theory, New York 1967, um eine Vermittlung bemüht. 39 Die Ausnahme bilden vor allem Familien, die dafür aber in der modernen Kleinfamilie organisationsähnliche Merkmale (Eintritt/Austritt, Zurechenbarkeit und Verantwortung für das Gesamtverhalten, Beobachtung zweiter Ordnung als Normalform der Kommunikation) annehmen.
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