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25.11.2019 | Themenschwerpunkt

Versorgungspräferenzen der deutschen Bevölkerung: die Option der betreuten Wohngruppe

verfasst von: Dr. Wilhelm Haumann

Erschienen in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie

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Zusammenfassung

Hintergrund

Die Pflege in betreuten Wohngruppen nimmt seit Jahren stetig zu. Dabei bleibt der Anteil der Pflege dort aber noch weit hinter dem Anteil der oft nichtgewünschten Pflege im Heim zurück.

Fragestellungen

Präferenzen der deutschen Bevölkerung für Wohnen und Pflege im Alter. Wer sich weshalb für Wohnen und Pflege in betreuten Wohngruppen interessiert.

Methode

Analyse von Daten aus repräsentativen Befragungen des Instituts für Demoskopie Allensbach, insbesondere aus den Befragungen zu den DAK-Pflegereporten 2017–2019.

Ergebnisse

Bei dauerhaftem Pflegebedarf möchten die meisten Bürgerinnen und Bürger in Deutschland von Angehörigen und/oder von einem ambulanten Pflegedienst in der eigenen Wohnung gepflegt werden. Nur 5 % wollen von vornherein in ein Pflegeheim; deutlich eher werden alternative Formen der Pflege in Betracht gezogen. 20 % der Bevölkerung wünschen sich die Pflege in einer Wohngruppe. Allerdings werden diese Wünsche bislang bei Pflegebedarf nur von maximal 2 % der Pflegebedürftigen realisiert. Überdurchschnittlich häufig wären Frauen an einem Leben in einer Wohngruppe interessiert. Besonders für Menschen mit Demenz halten viele eine Wohngruppe für geeignet. Für das Interesse an einer solchen Wohn- und Pflegegemeinschaft deuten sich unterschiedliche Motive an, insbesondere die Vermeidung von Einsamkeit und das Interesse an gegenseitiger Unterstützung. Aber auch weitere Gesichtspunkte spielen eine Rolle.

Schlussfolgerung

Angesichts der verbreiteten Wünsche nach einem Leben in betreuten Wohngruppen stellt sich die Frage nach den Ursachen für die bislang noch geringe Nutzung dieser Wohnform und nach Möglichkeiten, den Wünschen der Interessenten besser gerecht zu werden.
Fußnoten
1
Grundgesamtheit bei den 3 Befragungen war jeweils die deutsche Bevölkerung im Alter ab 16 Jahren; alle wurden mündlich-persönlich durchgeführt. Im Jahr 2017 wurden 1437 Personen interviewt [4], 2018 waren es 2780 Personen [5] und 2019 dann 3146 Personen [6].
 
2
Die Gesamtzahl der 65-Jährigen und Älteren in Deutschland, die unabhängig von der Pflege in gemeinschaftlichen Wohnformen leben, wurde 2017 auf 27.000 Personen in ca. 900 Wohnprojekten veranschlagt [3, S. 213]. Weitaus höhere Werte werden für ambulant betreute Wohngruppen zur Pflege der Bewohnerinnen und Bewohner berichtet. Eine differenzierte Hochrechnung betreuter Wohngruppen geht von bundesweit bereits rund 3100 solcher Gruppen mit meist 6 bis 12 Bewohnern aus. Dabei wird eine konstant hohe Rate von Neugründungen festgestellt, die seit 2008 jährlich zwischen 8 und 13 % der jeweiligen Bestandszahlen betrug [4].
 
3
Für die hier zitierte Generali Altersstudie 2017 wurde eine repräsentative Stichprobe der deutschsprachigen Wohnbevölkerung von 65 bis 85 Jahren mit 4133 Personen befragt [2]. Zu ähnlichen Befunden kommt der Deutsche Alterssurvey [10, 11].
 
4
Da die Pflegepräferenzen von vielfältigen Variablen abhängen können, z. B. von der Verfügbarkeit familiärer oder professioneller Hilfe sowie vom spezifischen Pflegebedarf, sodass man für unterschiedliche denkbare Pflegesituationen auch unterschiedliche Präferenzen haben kann, wurden bei der Ermittlung der Präferenzen Mehrfachangaben zugelassen. Tatsächlich machten die allermeisten Befragten gleich mehrere Angaben, im Durchschnitt zwei bis drei.
 
5
Etwas größer sind die Unterschiede in den Präferenzen der Altersgruppen v. a. im Hinblick auf die Pflege durch den Partner/die Partnerin in der eigenen Wohnung, die sich 65 % der Personen unter 60 Jahre, aber nur 55 % der Älteren wünschen: Dabei wirkt sich aus, dass viele Ältere verwitwet sind; von jenen, die in diesem Alter noch einen Partner oder eine Partnerin haben, würden sich sogar 70 % eine solche Angehörigenpflege wünschen. Etwas häufiger als Jüngere präferieren die Älteren eine Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst (60 %) oder auch das Leben im betreuten Wohnen (45 %). Etwas weniger häufig als jene tendieren sie dagegen zu einem Leben bei Kindern oder anderen Angehörigen (21 %) (Allensbacher Archiv, DAK-Pflegereport 2018).
 
6
Dafür spricht auch, dass Männer in einer älteren Umfrage signifikant seltener als Frauen die Bildung von Seniorenwohngemeinschaften (55 gegenüber 60 %) sowie die Einrichtung von Mehrgenerationenhäusern (47 gegenüber 56 %) als Hilfen gegen Einsamkeit im Alter befürworteten (Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10040; 2009).
 
7
Denkbar wäre aber auch ein – geringer – Effekt nachlassenden Interesses am gemeinsamen Wohnen mit wachsendem Alter: Erst durch eine Wiederholungsbefragung mit einigem Zeitabstand ließen sich solche Effekte ausschließen.
 
8
Diese Daten stammen aus der mündlich-persönlichen Befragung einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Bevölkerung im Alter ab 16 Jahren mit 1804 Befragten aus dem Jahr 2009. Von den Befragten im Alter ab 60 Jahren dachten 46 % an die Bildung einer Wohngemeinschaft als Mittel gegen die Einsamkeit (Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10040; 2009).
 
9
Hier musste auf eine Ermittlung zu „Wohngemeinschaften im Alter“, unabhängig vom Aspekt der Pflege, zurückgegriffen werden. Die Daten stammen aus der mündlich-persönlichen Befragung einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Bevölkerung im Alter ab 16 Jahren mit 1563 Befragten aus dem Jahr 2013. Bei einer gezielteren Ermittlung zu „Wohngruppen“ würden sich die Akzente selbstverständlich noch leicht verschieben. Grundsätzliche Veränderung wären aber nicht zu erwarten (Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11016; 2013).
 
Literatur
2.
Zurück zum Zitat Generali Deutschland AG (Hrsg) (2017) Generali Altersstudie 2017. Wie ältere Menschen in Deutschland denken und leben. Springer, Wiesbaden Generali Deutschland AG (Hrsg) (2017) Generali Altersstudie 2017. Wie ältere Menschen in Deutschland denken und leben. Springer, Wiesbaden
3.
Zurück zum Zitat Heinze RG (2017) Wohnen und Wohnumfeld – der Lebensmittelpunkt im Alter. In: Generali Deutschland AG (Hrsg) Generali Altersstudie 2017. Wie ältere Menschen in Deutschland denken und leben. Springer, Wiesbaden, S 213–229 Heinze RG (2017) Wohnen und Wohnumfeld – der Lebensmittelpunkt im Alter. In: Generali Deutschland AG (Hrsg) Generali Altersstudie 2017. Wie ältere Menschen in Deutschland denken und leben. Springer, Wiesbaden, S 213–229
4.
Zurück zum Zitat Klie T (2017) DAK Pflegereport 2017. Gutes Leben mit Demenz. medhochzwei, Hamburg, Freiburg Klie T (2017) DAK Pflegereport 2017. Gutes Leben mit Demenz. medhochzwei, Hamburg, Freiburg
5.
Zurück zum Zitat Klie T (2018) DAK Pflegereport 2018. Pflege vor Ort – gelingendes Leben mit Pflegebedürftigkeit. medhochzwei, Hamburg, Freiburg Klie T (2018) DAK Pflegereport 2018. Pflege vor Ort – gelingendes Leben mit Pflegebedürftigkeit. medhochzwei, Hamburg, Freiburg
6.
Zurück zum Zitat Klie T (2019) DAK Pflegereport 2019. medhochzwei, Hamburg, Freiburg Klie T (2019) DAK Pflegereport 2019. medhochzwei, Hamburg, Freiburg
7.
Zurück zum Zitat Klie T (2014) Wen kümmern die Alten? Auf dem Weg in eine sorgende Gesellschaft. Droemer, München Klie T (2014) Wen kümmern die Alten? Auf dem Weg in eine sorgende Gesellschaft. Droemer, München
8.
Zurück zum Zitat Kruse A (1989) Psychologie des Alters. In: Kisker KP et al (Hrsg) Alterspsychiatrie, Bd. 3. Springer, Berlin, Heidelberg, New York, S 1–58 Kruse A (1989) Psychologie des Alters. In: Kisker KP et al (Hrsg) Alterspsychiatrie, Bd. 3. Springer, Berlin, Heidelberg, New York, S 1–58
9.
Zurück zum Zitat Mahne K, Wolff JK, Simonson J, Tesch-Römer C (Hrsg) (2017) Altern im Wandel. Zwei Jahrzehnte Deutscher Alterssurvey (DEAS). Springer, Wiesbaden Mahne K, Wolff JK, Simonson J, Tesch-Römer C (Hrsg) (2017) Altern im Wandel. Zwei Jahrzehnte Deutscher Alterssurvey (DEAS). Springer, Wiesbaden
10.
Zurück zum Zitat Nowossadeck S, Engstler H (2017) Wohnung und Wohnkosten im Alter. In: Mahne K et al (Hrsg) Altern im Wandel. Zwei Jahrzehnte Deutscher Alterssurvey (DEAS). Springer, Wiesbaden, S 287–300 Nowossadeck S, Engstler H (2017) Wohnung und Wohnkosten im Alter. In: Mahne K et al (Hrsg) Altern im Wandel. Zwei Jahrzehnte Deutscher Alterssurvey (DEAS). Springer, Wiesbaden, S 287–300
11.
Zurück zum Zitat Wettstein M, Tesch-Römer C, Vogel C (Hrsg) (2019) Frauen und Männer in der zweiten Lebenshälfte. Älterwerden im sozialen Wandel, erscheint 2019. Vorabversion unter. https://www.dza.de. Zugegriffen: 1. Aug. 2019 Wettstein M, Tesch-Römer C, Vogel C (Hrsg) (2019) Frauen und Männer in der zweiten Lebenshälfte. Älterwerden im sozialen Wandel, erscheint 2019. Vorabversion unter. https://​www.​dza.​de. Zugegriffen: 1. Aug. 2019
Metadaten
Titel
Versorgungspräferenzen der deutschen Bevölkerung: die Option der betreuten Wohngruppe
verfasst von
Dr. Wilhelm Haumann
Publikationsdatum
25.11.2019
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie
Print ISSN: 0948-6704
Elektronische ISSN: 1435-1269
DOI
https://doi.org/10.1007/s00391-019-01656-7