In Hessen und Brandenburg wurde in einem Modellprojekt der Einsatz von „Schulkrankenschwestern“ bewertet. Die Technische Hochschule Mittelhessen leitet daraus eine klare Empfehlung ab.
Eine Schulgesundheitsfachkraft kümmert sich an der Lenné-Grundschule in Frankfurt (Oder) um eine Schülerin.
An den Vorteilen des Projekts hat es auch in Brandenburg keinen Zweifel gegeben, trotzdem kam das landesseitige Aus für Schulgesundheitsfachkräfte (SGFK) zum Jahresende. Es fehlte schlicht am Geld. Lediglich vereinzelte Kreise finanzieren dort eine Stelle weiter.
Dabei zeigt eine „Gutachterliche Stellungnahme zu organisatorischen Rahmenbedingungen und ökonomischen Aspekten der Arbeit von Schulgesundheitsfachkräften“ der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) in Gießen durchaus (nicht nur) ökonomische Vorteile dieser Kräfte.
Vorausgegangen war ein Modellprojekt namens „Schulgesundheitsfachkräfte an öffentlichen Schulen“ auf Initiative des AWO Bezirksverbands Potsdam in den Ländern Brandenburg und Hessen. Dabei kommen die Autoren um Professor Catharina Maulbecker-Armstrong vom Fachbereich Gesundheit der THM zu einer klaren Empfehlung pro SGFK.
Ist der erste Teil der dort erfolgten Kosten-Nutzen-Analyse noch sehr abstrakt, ist der zweite Aspekt sehr viel lebensnäher. Zunächst haben die Wissenschaftler die Lebenslaufperspektive der Schüler betrachtet: Demnach führt der Einsatz der landläufig auch gern Schulkrankenschwestern Geheißenen zu einem hohen „Earn-Back-Effekt“.
„Earn-Back-Effekt“
Dabei wurde der Nutzen, der durch den Einsatz von Schulgesundheitskräften entsteht, monetär bewertet und den Folgekosten beziehungsweise Wertschöpfungsverlusten gegenübergestellt, die für die Gesellschaft entstünden ohne die Unterstützung einer Schulgesundheitsfachkraft.
Im Szenario eines an Diabetes erkrankten Schülers ergab der Einsatz einer SGFK eine Kosten-Nutzen-Relation für die Gesellschaft von 1:35; in einem zweiten Szenario mit einer psychischen Erkrankung lag der Wert sogar bei 1:43.
Wesentlich konkreter ist eine Analyse der Heilbehandlungskosten und Rettungswageneinsätze anhand der Daten der Unfallkassen in Hessen und Brandenburg. Dabei wurden Daten der Schulen vor und nach der Anstellung der Schulgesundheitsfachkräfte angeschaut. Die Heilbehandlungskosten pro Unfall waren nach der Prä-Post-Analyse an hessischen Schulen mit SGFK im Durchschnitt um 20 Prozent geringer als im Vergleichszeitraum.
Weniger Rettungswageneinsätze
In beiden Bundesländern wurde eine maßgebliche Reduktion der Rettungswageneinsätze festgestellt: In hessischen Gymnasien konnten die RTW-Einsätze um 46 Prozent reduziert werden, an hessischen Gesamtschulen um 64 Prozent. An Brandenburger Grundschulen sanken die RTW-Einsätze um 16 Prozent, an den Oberschulen um 13 Prozent.
Dies ließe sich laut Angaben des Schulpersonals eindeutig auf die SGFK zurückführen. Zum einen verfügten diese über das medizinische Urteilsvermögen, um die Notwendigkeit eines RTW-Einsatzes einschätzen zu können. Zum anderen könnten sie kleinere Verletzungen direkt vor Ort versorgen, wo andernfalls ein Rettungswagen gerufen werden müsste.
Die stark differierenden Werte in Hessen und Brandenburg führen die Autoren auf die unterschiedlichen Anwesenheitszeiten der SGFK zurück: in Hessen Vollzeit, in Brandenburg im wöchentlichen Durchschnitt an 3,3 Tagen für 22,25 Stunden.
Betreuungsschlüssel 1:700
Zu der notwendigen Zahl an SGFK gibt es auch eine Empfehlung. Mit Verweis auf den Einsatz von „School Nurses“ in anderen Ländern, wo die Betreuungsschlüssel zwischen 1:600 (Schweden, Finnland) und 1:1025 (Australien) liegen, empfehlen die THM-Wissenschaftler und das Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Charité in Berlin für Deutschland eine SGFK auf 700 Schüler.
Dies liegt am oberen Ende des Mittelwerts im internationalen Vergleich. Dabei müssten aber Schülerzahl, Region (städtisch/ländlich), Sozialindex der Schule (z.B. Lage im Brennpunkt), Schultyp und das Profil der Schüler (chronische Erkrankungen, Migrationsanteil, Inklusionsbedarf) berücksichtigt werden.
Voraussetzung für die Weiterbildung zur SGFK ist eine vorherige Ausbildung zur examinierten Gesundheits- und Krankenpflegekraft oder Kinderkrankenpflegekraft sowie eine mindestens dreijährige Berufserfahrung. Darauf aufbauend erfolgt dann eine zweimonatige Vollzeit-Weiterbildung mit einem Umfang von 720 Stunden.
Bezahlt werden sollten sie gemäß der Empfehlung nach Entgeltgruppe 9 des Tarifvertrags des Öffentlichen Dienstes oder der Länder, was einem Gehalt etwa zwischen 3500 und 4500 Euro entspräche.
Potenzial bei Pflege-Aussteigerinnen
Und woher sollen diese Interessenten kommen angesichts des allgemeinen Pflegekräftemangels? Professor Maulbecker-Armstrong verweist darauf, dass alle bisher angeworbenen SGFK nicht mehr im Pflegebereich tätig gewesen seien, also nicht andernorts fehlten. Deshalb sieht sie das Potenzial vor allem bei den Ausgestiegenen: „Als Mutter ist sowas zu leisten, Schichtdienste hingegen nicht.“
Im Zuge des Projekts waren seit 2017 an zwischenzeitlich 27 Schulen in Brandenburg und an 10 Schulen in Hessen SGFK im Einsatz. Während das Land Brandenburg die weitere Finanzierung stoppte, geht Hessen laut Maulbecker-Armstrong sogar über das bisherige Kontingent hinaus: Seit dem Schuljahr 2021/22 sind zehn weitere SGFK im Einsatz.
Quelle: Ärzte Zeitung