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Open Access 2016 | OriginalPaper | Buchkapitel

Therapie der Multiplen Sklerose

verfasst von : Dr. med. Miriam Kip, Univ.-Prof. Dr. med. Heinz Wiendl

Erschienen in: Weißbuch Multiple Sklerose

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Die Stufentherapie beinhaltet die (dauerhafte) Arzneimitteltherapie zur Reduktion der Anzahl der Schübe (Schubprophylaxe, verlaufsmodifizierende Therapie) und die Akut-Therapie des Schubes. Dabei wird idealerweise ein Zustand frei vo n Krankheitsaktivität angestrebt (no evidence of disease activity, NEDA). Sie richtet sich nach der Verlaufsform der Erkrankung und hat das Ziel, die Progression der Erkrankung zu verhindern. Die Primärversorgung der Patienten mit Multipler Sklerose erfolgt durch Neurologen, und in den meisten Fällen wird die verlaufsmodifizierende Therapie ambulant durchgeführt. Seit 2011 hat mit dem Hinzukommen neuer therapeutischer Möglichkeiten bei der Behandlung der schubförmig verlaufenden MS (RRMS) der indikationsbezogene Arzneimittelverbrauch unter gesetzlich Versicherten in Deutschland jährlich zugenommen. Die Versorgungssituation in der Therapie von Patienten mit Erstdiagnose einer MS ist dennoch unzureichend. Studien, basierend auf Versichertendaten der gesetzlichen Krankenkasse, deuten darauf hin, dass zu wenig Patienten mit Erstdiagnose einer MS zeitnah auch eine Therapie erhalten. Lediglich jeder zweite Patient mit dokumentierter Erstmanifestation einer MS in 2009 nahm im selben Jahr eine verlaufsmodifizierende Therapie in Anspruch. In Abhängigkeit von der regionalen Facharztdichte suchten zwischen 37 % und 64 % der Patienten innerhalb der ersten sechs Wochen nach Erstdiagnose überhaupt einen Neurologen für die Weiterbehandlung auf. Der frühe Therapiebeginn ist aber für die erfolgreiche Behandlung wichtig. Es ist anzustreben, Patienten nach erstmaligem demyelinisierendem Ereignis (klinischisoliertes Syndrom) medikamentös zu behandeln, da dies beispielsweise eine Konversion in eine RRMS verzögert bzw. die Wahrscheinlichkeit längerfristiger Behinderung reduziert. In der Behandlung der RRMS geben Studien Hinweise auf eine Unter- und mögliche Fehlversorgung. Gut 40 % der Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung mit dokumentierter RRMS nahmen 2009 überhaupt keine verlaufsmodifizierende Therapie in Anspruch. Die Behandlung der RRMS soll sich entsprechend den 2014 geänderten Handlungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie an der Krankheitsaktivität orientieren. Rund 15 % der Patienten mit MS innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung werden jährlich akut-stationär behandelt. Gut zwei Drittel der wegen einer MS stationär behandelten Patienten nahmen sechs Monate vor dem Krankhausaufenthalt keine verlaufsmodifizierende Therapie in Anspruch. Bei 27 % dieser Patienten wurde nach dem Krankenhausaufenthalt eine verlaufsmodifizierende Therapie initiiert. Bei gut einem Viertel der mit Medikamenten bei niedriger Krankheitsaktivität behandelten Patienten mit RRMS, die klinisch unauffällig waren, waren Zeichen erhöhter Krankheitsaktivität im MRT messbar. Entsprechend den aktuell geänderten Empfehlungen einer an die Krankheitsaktivität angepassten Therapie können diese Patienten von einer Therapie mit Medikamenten für eine (hoch-) aktive Verlaufsform profitieren. Die Adhärenz hinsichtlich der verlaufsmodifizierenden Therapie ist niedrig. Zwischen 2002 und 2006 betrug sie unter gesetzlich Versicherten zwischen 30 und 40 %. Nur ein Drittel der Patienten führte die Therapie für einen Zeitraum von zwei Jahren auch kontinuierlich durch. Als Hemmnisse der Adhärenz werden vor allen Dingen Nebenwirkungen, eine nachgewiesene oder angenommen fehlende Wirksamkeit der Therapie, aber auch Begleiterkrankungen wie die Fatigue oder Depressionen genannt. Es gibt Hinweise, dass die Akutbehandlung des Schubes zu häufig stationär erfolgt. Eine Auswertung des Datensatzes der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft ergab, dass lediglich gut ein Drittel der Schubtherapien ambulant durchgeführt wird, wobei die Wahrscheinlichkeit einer ambulanten Therapie mit der Krankheitsdauer zunahm. Aus Sicht von Patienten und Ärzten ist die fehlende Verfügbarkeit wirksamer Medikamente für die Behandlung progredienter Verlaufsformen ein dringender Versorgungsbedarf. Denn mit Zunahme der Progredienz der Erkrankung nehmen die therapeutischen Möglichkeiten innerhalb der verlaufsmodifizierenden Therapie ab. Für die Therapie der primär-progredienten MS sind in Deutschland derzeit formal keine Medikamente zugelassen.

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Metadaten
Titel
Therapie der Multiplen Sklerose
verfasst von
Dr. med. Miriam Kip
Univ.-Prof. Dr. med. Heinz Wiendl
Copyright-Jahr
2016
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-49204-8_4