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09.10.2017 | Suchterkrankungen | Nachrichten

Cannabis: Das Risiko des regelmäßigen Rauchens

verfasst von: Christine Starostzik

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Ob Kiffen nun generell krank und dumm macht, darüber erhitzen sich nach wie vor die Gemüter. Derzeit verdichten sich aber die Belege dafür, dass früher, langjähriger und regelmäßiger Cannabiskonsum das Risiko für einige psychische und somatische Störungen steigen lässt.

Cannabiskonsum (Symbolbild) © BraunS / Getty Images / iStockCannabiskonsumenten leiden offenbar häufiger an Depressionen.

Als besonders erfreulich sieht die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, den Rückgang beim Tabak- und Alkoholkonsum von Jugendlichen. Die entgegengesetzte Richtung schlägt dem Drogen- und Suchtbericht 2017 zufolge allerdings der Cannabiskonsum ein. Im Jahr 2015 lag der Anteil der 12- bis 17-jährigen Konsumenten in Deutschland bei 7,3 Prozent. Nach einem Rückgang in den Jahren 2004 bis 2011 war die Quote erneut um etwa zwei Prozentpunkte gestiegen. Bei den jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren erreichte die 12-Monats-Prävalenz im Jahr 2015 15,3 Prozent, mit zunehmender Tendenz seit 2008. Besonders bedenklich sei diese Entwicklung, so Mortler, weil der Wirkstoffgehalt in den letzten 30 Jahren um das Fünffache gestiegen sei.

Der durchschnittliche Tetrahydrocannabinol (THC-)Gehalt von Marihuana liegt heute bei zwei Prozent, von Haschisch bei 6,8 Prozent. Er kann aber, je nach Anzuchtbedingung und Sorte, 20 Prozent und mehr erreichen. So macht nicht zuletzt die Angebotsvielfalt die Kifferei immer mehr zum Lotteriespiel mit unkalkulierbarem Ausgang, ganz besonders für Kinder und Jugendliche.

Unumkehrbare geistige Einbußen befürchtet

Und die Folgen sind erkennbar: Bei gewohnheitsmäßigen Konsumenten haben sich anhaltende Auffälligkeiten etwa bei exekutiven Funktionen, abstraktem Denken, Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit und Lernvermögen gezeigt. Ein erhöhtes Risiko für irreversible kognitive Einbußen wird insbesondere für diejenigen befürchtet, die mit dem Cannabiskonsum bereits in der Kindheit oder frühen Jugendzeit beginnen. Negative Effekte wurden hier vor allem in den Bereichen psychomotorische Geschwindigkeit, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Planungsfähigkeit beobachtet. In einer neuseeländischen Kohortenstudie fiel eine spätere Intelligenzminderung auf.

Bis zu 90 Prozent aller cannabisabhängigen Personen entwickeln im Lauf ihres Lebens eine weitere psychische Störung oder körperliche Erkrankung infolge von zu viel Alkohol oder des Konsums weiterer Substanzen. Es gibt Hinweise auf einen positiven Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und bipolaren Störungen beziehungsweise vermehrten manischen Symptomen. Auch leiden Cannabiskonsumenten etwas häufiger an Depressionen oder Angststörungen. Vor allem bei frühem und anhaltendem Konsum scheint zudem die Gefahr einer Psychose erhöht, insbesondere dann, wenn weitere belastende Faktoren hinzukommen (DNP 2017; 18: 44–51).

Infolge chronischen und regelmäßigen Cannabiskonsums kann es zu Entzündungen im Gaumen kommen. Die vasokonstriktive Wirkung der Cannabinoide begünstigt eine Konjunktivitis, und als direkte toxische Reaktion wurde ein akutes Angioödem beschrieben. In Einzelfällen treten Urtikaria, genereller Pruritus, exkoriative Prurigo und asthmatische und anaphylaktische Reaktionen auf. Der Respirationstrakt wird durch die Inhalation von Cannabis gereizt, was zu chronischer Bronchitis führen kann. Wissenschaftlich am besten belegt sind kardiovaskuläre Folgen wie Tachykardien und Blutdruckanstieg. Es sind aber auch Todesfälle durch zerebrale und kardiale Ischämien nach akuten Intoxikationen beschrieben.

Auswirkungen auf die Familienplanung: Männer müssen Impotenz fürchten

Selbst auf die Familienplanung kann sich die Kifferei auswirken. Bei den Männern zeigen sich vermehrt Ejakulationsstörungen, verminderte Spermienzahl, Libidoverlust und Impotenz. Bei den Frauen ist möglicherweise die Eizellreifung beeinträchtigt oder die Einnistung und Entwicklung des Embryos schlägt fehl. Der Konsum während der Schwangerschaft kann die Gehirnentwicklung des Ungeborenen beeinflussen, ein niedriges Geburtsgewicht wird beobachtet und es kommt häufiger zu Geburtskomplikationen. Zudem lassen sich bei den Kindern vermehrt Effekte auf die kognitive Entwicklung, exekutive Funktionen, Verhaltensauffälligkeiten, Lern- und Gedächtnisprobleme erkennen.

Untersuchungen zufolge weist Cannabisrauch eine ähnliche Zusammensetzung an kanzerogenen Begleitstoffen auf wie Tabakrauch. Unabhängig vom zusätzlichen Tabakgebrauch ist ein erhöhtes Risiko für nasopharyngeale Tumoren belegt. Das Risiko im Hinblick auf Lungentumoren ist schwer abzuschätzen, da rund 91 Prozent der Cannabiskonsumenten auch Tabak rauchen.

Es spricht also vieles dafür, vor allem in jungen Jahren die Finger von der Droge zu lassen. Egal wie belastbar die bisherigen Studiendaten sind, effektive Bemühungen zur Suchtprävention bei Kindern und Jugendlichen sind im Hinblick auf deren psychische und physische Gesundheit zweifellos eine lohnenswerte Investition in die Zukunft.

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