Im pflegerischen Umfeld ist das Risiko der Konfrontation mit ethischen Herausforderungen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen deutlich erhöht. Die Folgen der moralischen Konflikte im Pflegealltag sind vielseitig und zeigen sich beispielsweise in Wut, dem Gefühl zu versagen oder „Sünden„ zu begehen. Diese Belastungen korrelieren mit Burnout-Diagnosen beim Pflegepersonal, einer Verschlechterung der Zusammenarbeit im Team, verminderter Pflegequalität und reduzierter Patientensicherheit. Letztlich führen sie zu beruflichem Stress und einer hohen Mitarbeiter-Fluktuation.
Ethische Konflikte und empfundenes Leid entstehen dann, wenn Pflegekräfte trotz des Bewusstseins für das richtige Handeln dieses aufgrund unterschiedlicher Einflussfaktoren nicht leisten können. Dadurch werden Grenzen überschritten und persönliche Grundwerte verletzt. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn Patienten mit unheilbaren Erkrankungen invasive Eingriffe oder unnötige Tests und Untersuchungen erfahren sollen, die belastend für den Patienten sind, ihm aber nicht mehr helfen können. Aber auch ungenügende und ineffiziente Behandlungen, ein unausgewogenes Machtverhältnis in klinischen Einrichtungen und fehlende betriebliche Unterstützung für die Pflegekräfte können zu ethischen und moralischen Konflikten führen. Die Studienlage zeigt auch, dass Führungskräfte in der Pflege eher die Anweisungen des Arbeitgebers umsetzen als sich schützend vor das eigene Team zu stellen. Dieser Aspekt fördert das Konfliktpotential zusätzlich.
Wenig Unterstützung und viele moralische Konflikte
Dieses Wissen nahm das Forscherteam um N. Robæe zum Anlass, um eine deskriptive Studie mit 120 zufällig ausgewählten Pflegefachkräften im Iran durchzuführen. Anhand dieser Stichprobe wurden zwei Variablen und ihre Beziehung untereinander untersucht: Die Wahrnehmung betrieblicher Unterstützung durch den Arbeitgeber und die ethisch-moralischen Konflikte. Das Unterstützungsmanagement zur Schaffung einer geeigneten Arbeitsumgebung wird von den Fachkräften als gering wahrgenommen, während sie den moralischen Stress als hoch einstufen. Statistisch signifikant war das Ergebnis zwischen ethischen Konflikten und der Schichtarbeit ebenso wie die Fehlerquote im Zusammenhang mit der Schichtarbeit. Die Autoren empfehlen daher das Implementieren von Interventionen, die das ethische Konfliktpotential reduzieren. Verbesserungen der Rahmenbedingungen auf unterschiedlichen Ebenen, curriculare Verbesserungen in Studium und Ausbildung zum Umgang mit ethischen Herausforderungen eingeschlossen, sind hierbei ein wichtiger Aspekt.
Kommentar
Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen wahrgenommener betrieblicher Unterstützung und ethischen Konflikten unter Pflegekräften gibt. Somit weichen die gewonnenen Daten teilweise von anderen Studienergebnissen über ethische Konflikte ab. Deshalb wird empfohlen, dass umfassendere Studien mit anderen Messinstrumenten für die beiden genannten Variablen im Setting der Pflege durchgeführt und mit den bisherigen Ergebnissen verglichen werden. Die Empfehlungen für die einzelnen Variablen bleiben trotzdem nachvollziehbar. Die Studie ist qualitativ hochwertig, Ein- und Ausschlusskriterien werden benannt, die verwendeten Instrumente und Fragebögen beschrieben, Daten und Power statistisch berechnet und eine Einordnung der Ergebnisse in die internationale Studienlage erfolgte. Das Forscherteam zeigt sich kritisch gegenüber der eigenen Studie und bietet Alternativen für zukünftige Forschungsprojekte.