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27.06.2022 | Sars-CoV-2 | Nachrichten

Herbststrategie: Ausgrenzung unbedingt vermeiden

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Der „Expert*innenrat Pflegewissenschaft / Hebammenwissenschaft und Pandemie“ hat Empfehlungen für den weiteren Umgang mit der COVID-19-Pandemie veröffentlicht. Damit gibt das Gremium die Richtung für einen besseren Umgang mit der erwarteten Corona-Herbstwelle vor. Besuchsverbote oder einsame Geburten sollen sich nicht wiederholen.

Corona-Regelung © Norbert Schmidt/dpaWie viel Nähe wird im Herbst 2022 für Menschen in Pflegeeinrichtungen möglich sein?

Die Expertise aus Pflege- und Hebammenwissenschaft wurde in der Pandemiebewältigung bisher kaum berücksichtigt. Der vom Deutschen Pflegerat (DPR) im März einberufene Expert*innenrat hat jetzt Empfehlungen an Politik und Verwaltung veröffentlicht, die „klare Steuerungsimpulse“ für das weitere Pandemiegeschehen geben sollen. Aus Sicht des DPR stehen die Sektoren der Pflege und des Hebammenwesens erneut vor großen Herausforderungen, die gemeinsames Handeln und eine zeitnahe Vorbereitung erforderlich machen.

Die auf einer Pressekonferenz vorgestellten zehn Handlungsempfehlungen zeigen auf, welche Punkte anzugehen sind, um das Gesundheitswesen auf die im Herbst erwartete neue pandemische Welle einzurichten. Sie basieren auf dem “internationalen und nationalen pflegewissenschaftlichen und hebammenwissenschaftlichen Diskurs“.

Wie der Sprecher des Expert*innenrats, Thomas Fischer, betonte, berücksichtigen die Empfehlungen auch die Interessen derjenigen, die in einem Pflegeberuf arbeiten. Diese sollten das tun können, "ohne dass ihnen Gefahr für Körper und Psyche drohen". Aber, so der Dresdner Pflegewissenschaftler: „In erster Linie geht es hier um die Menschen, für die wir als Pflegefachpersonen zuständig sind, für die wir Verantwortung tragen.“

Der Schutz von pflegebedürftigen und kranken Menschen vor COVID-19 liege wesentlich in den Händen von Pflegefachpersonen. Fischer weiter: „Der Umgang mit einer nächsten pandemischen Welle wird nur gelingen, wenn Wissen und Können von Pflegewissenschaft und -praxis endlich in die Ausgestaltung der Eindämmungsmaßnahmen eingebunden werden. Die Verbindung von Infektionsschutz und Wahrung von Würde und Lebensqualität vulnerabler Gruppen sind dabei für uns zentral.“

Keine Ausgrenzung, keine geschlossenen Einrichtungen

Pflegebedürftige Menschen, Patient*innen und deren Angehörige dürften durch Maßnahmen des Infektionsschutzes nicht wieder ausgrenzt werden, heißt es daher an erster Stelle in den Empfehlungen. Einrichtungen sollen geöffnet bleiben und – abhängig von der Situation – mit gezielten Besuchsmöglichkeiten reagieren.

„Dauerhafte Freiheitseinschränkungen in Pflegeeinrichtungen, die Selbstisolation von im eigenen Zuhause lebenden Pflegebedürftigen und ihren Familien, einsame Geburten, verwehrte Besuche im Krankenhaus können wir nicht akzeptieren. Sie sind ethisch nicht vertretbar und bringen selbst erhebliche Gefahren für Gesundheit und Wohlergehen der betroffenen Personen“, sagte Fischer.

Ferner fordern die Expert*innen u.a., die pflegerische Versorgung sicherzustellen und Krisenpläne vorzubereiten. Die Expertise von Pflegefachpersonen und Hebammen soll in allen Entscheidungsgremien und Krisenstäben eingebunden werden. Eine weitere zentrale Forderung zielt auf die Verbesserung der Datenlage, vor allem zur Situation pflegebedürftiger Menschen in der ambulanten Versorgung und zu Personalzahlen in den unterschiedlichen Pflegebereichen.

Wissenslücken zu Effekten der Infektionsschutzmaßnahmen 

„Auch im dritten Jahr der Pandemie fehlt grundlegendes Wissen, etwa zu Wirksamkeit und unerwünschten Wirkungen von Infektionsschutzmaßnahmen bei pflegebedürftigen oder vulnerablen Personen“, stellt der Expert*innenrat fest. Es sei dringend notwendig, dass diese Wissenslücken schnellstens systematisch durch entsprechende Forschungsprojekte für Hebammen- und Pflegewissenschaftler*innen zu schließen.

„Die Ergebnisse müssen in die künftigen Entscheidungen der Gesundheitsversorgung mit einfließen“, bekräftigte DPR-Präsidentin Christine Vogler. Sie zeigten deutlich, dass die Expertise der Pflegewissenschaft in Deutschland nicht mehr aus den Experten- und Entscheidergremien zur Sicherung der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen werden dürfe. Vogler forderte: „Die Pflege und ihre Expertise muss strukturell, finanziell und personell gestärkt werden.“

Pflege umfassend in Vorbereitung der Herbststrategie einbinden

Dies bekräftigte in einer Stellungnahme auch die Bundesgeschäftsführerin des DBfK, Bernadette Klapper: „In der Vorbereitung der Herbststrategie zum Umgang mit der COVID-19-Pandemie täten die politisch Verantwortlichen gut daran, die professionelle Pflege umfassend einzubinden.“

Klapper wiederholte den Vorschlag des DBfK, Pflegefachpersonen in Corona-Impfungen einzubinden, um das Potenzial der Pflege zu nutzen.  Die Berufsgruppe verfüge über das notwendige Fachwissen und sei in den Einrichtungen präsent. In der ambulanten Pflege habe sie Zugang zu vulnerablen Personengruppen. Zur Umsetzung sei  lediglich eine befristete Regelung der Heilkundeübertragung und der Leistungsvergütung notwendig.

Das sei ein wichtiger Beitrag, um möglichst rasch den umfassenden Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten.  (ne)

Die Empfehlungen der Expert*innenkommission im Überblick

  1. Pflegebedürftige Menschen, Patient:innen und deren Angehörige nicht ausgrenzen
  2. Pflegerische und Hebammen-Versorgung auch in der Pandemiewelle sicherstellen
  3. Pflegefachpersonen und Hebammen autorisieren, Schutzimpfungen durchzuführen
  4. Patient:innen und pflegebedürftige Menschen bestmöglich vor Infektionen schützen
  5. Berufliche Expertise der Pflegefachpersonen und Hebammen in alle Entscheidungsgremien und Krisenstäbe einbinden
  6. Infektionsgeschehen, Krankheitslast und Sterblichkeit im Hinblick auf COVID-19 lückenlos epidemiologisch erfassen
  7. Pflegeforschung und Hebammenforschung fördern, um Entscheidungsgrundlagen zum Umgang mit SARS-CoV-2 zu schaffen
  8. Pflegerische und Hebammen-Versorgungsstrukturen innovativ weiterentwickeln
  9. Eine interdisziplinäre und sektorenübergreifende Zusammenarbeit fördern
  10. Ambulante Hebammenarbeit als systemrelevante, kritische Infrastruktur mitberücksichtigen

Die Langversion der Expert*innenempfehlungen mit ausführlicher Begründung und Literatur finden sie hier.


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