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Erschienen in: Pflegezeitschrift 4/2023

01.04.2023 | Digitalisierung | Pflege Praxis Zur Zeit gratis

Smart Living - Smart Home

verfasst von: Christian Gräff

Erschienen in: Pflegezeitschrift | Ausgabe 4/2023

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Technische Assistenzlösungen für das eigene Zuhause Eine Toilette, die Blutzuckerwerte, Gewicht und Körpertemperatur misst, eine vernetzte Küche, in der der Herd von Angehörigen aus der Ferne ausgeschaltet werden kann, oder ein Heimdialysegerät - digitale Lösungen für ein Zuhause, in dem Menschen trotz geistiger und körperlicher Beeinträchtigungen zurechtkommen können. Doch wie smart ist dieses Leben?
Frau oder Herr über den eigenen Tagesablauf und nicht abhängig von anderen Personen zu sein, das zeichnet Selbstbestimmtheit aus. So lange wie möglich eigenständig in den eigenen vier Wänden gesund und sicher älter werden, ist der Wunsch vieler Menschen. Doch es ist nicht nur ein Wunsch, sondern eine gesellschaftliche Herausforderung: Bis 2035 steigt die Zahl der Menschen über 67 Jahre in Deutschland um 22 % auf 20 Millionen. Zeitgleich wird die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter um 12 % sinken (Bundesamt für Statistik 2021a). Eine Herausforderung für den Verbleib in den eigenen vier Wänden im Alter sind die Fragen des Erhaltes der Autonomie und der Sicherheit für das Leben zuhause. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die Haushaltsstruktur mit zunehmendem Alter verändert, denn der Anteil der alleinlebenden Personen über 65 Jahre ist in den vergangenen 20 Jahren bereits um 15 % gewachsen (Bundesamt für Statistik 2021b). Insbesondere in der Gruppe der über 80-Jährigen lebt die Mehrheit allein (Mauritz 2022). Das Smart Living & Health Center (SLHC) hat daher eine klare Vision: Jeder Mensch soll mit Hilfe von modernster und dennoch bezahlbarer Technologie und Technik selbstbestimmt und so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben können - auch bei individuellen Einschränkungen.

Selbstbestimmt leben trotz Pflegebedarf

Hersteller, Entwickler, Forschungseinrichtungen sowie Akteure aus Gesundheits-, Pflege-, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft haben mit einer barrierefreien Ausstellungswohnung Deutschlands modernstes Beratungs- und Informationszentrum für häusliche Pflege und selbstbestimmtes Leben entwickelt. Das Team vor Ort steht fortlaufend im engen Austausch mit diesen Partnern, wenn es um die Ausgestaltung und die Auswahl von geeigneten Hilfsmitteln und technischen Lösungen geht.
Das "Haus der Zukunft am ukb" ist ein visionäres Gebäude mit dem Notfallsimulationszentrum des Unfallkrankenhauses, einem Pflege- und Beratungsstützpunkt des Landes Berlin und dem Smart Living & Health Center e.V. Hier lassen sich Lösungen testen, die auch für Menschen mit geringen Einkommen und Renten erschwinglich sind und durch die gesetzlichen Kassen bezuschusst werden. Zu den Schwerpunkten zählen die Bereiche Mobilität, Pflege, Sicherheit, Energie und Kommunikation. Vom Sturzsensor, intelligenter Haussteuerung, intelligenten Spiegeln und Sprachassistenten bis zur Schlafüberwachung: Hier können die Systeme selbst getestet werden. Damit ist das SLHC erste Anlaufstelle für Betroffene und deren Angehörige, die nach Möglichkeiten suchen, das tägliche Leben mit Unterstützung von digitalen und technischen Neuerungen einfacher und selbstbestimmter zu gestalten. Darüber hinaus bietet das SLHC angehendem und bereits ausgebildetem Personal in Gesundheitsberufen praxisnahe Möglichkeiten zur Weiterbildung. Zudem dient das SLHC als Plattform, um Anwender und Medizintechnik-Firmen enger zu vernetzen und somit die Weiterentwicklung von Geräten und Technologien zu fördern.
Die Erkenntnis aus fast zwei Jahren SLHC ist jedoch: Es gibt kein Problem, für das sich nicht auch eine Lösung finden lässt.

Zutritt ohne Barriere

Bereits die Zugangssituation zur Wohnung kann mit Barrieren verbunden sein. Ist die Kraft und die Bewegungsmöglichkeit mit dem Wohnungsschlüssel die Tür zu öffnen noch vorhanden oder fällt es mir aufgrund fortgeschrittener Arthrose schwer, den Schlüssel überhaupt in die Hand zu nehmen, geschweige denn zu drehen? Dafür gibt es Lösungen, welche die Tür per Fernbedienung, NFC oder auch per App öffnen. Gerade für Rollstuhlfahrende ist dabei von Vorteil, dass es ausreicht, in der Nähe der Tür zu sein, um sie zu öffnen und ohne Rangieren in die Wohnung zu fahren. Im Innenbereich ermöglichen Nachrüstkits die automatische Türöffnung per Sprache und Geste. Hierfür ist keinerlei aufwendige Verkabelung mehr notwendig - die Systeme funktionieren autark mit Hilfe der Zimmerbeleuchtung.
Die Anwendungsszenarien sind vielfältig: Erwartet man Gäste, kann aber nicht schnell genug an der Tür sein oder man ist zeitweise oder dauerhaft bettlägerig, ist es von überall in der Wohnung durch einen digitalen Türspion möglich zu sehen, wer vor der Tür steht, mit ihm zu interagieren oder die Tür zu öffnen, ohne selbst an der Tür zu sein. Gleiches gilt für Angehörige, denen die Möglichkeit gegeben werden kann, die Tür aus der Ferne zu öffnen. Gleichzeitig kann der Zutritt zeitabhängig gesteuert werden, sodass Pflegedienst oder Haushaltsunterstützung nur zu bestimmten Zeiten die Wohnung betreten können. Beim Verlassen des Hauses schließt sich die Wohnungstür automatisch ab und elektrische Geräte wie der Herd oder die Beleuchtung werden ausgeschaltet.
Für die Sicherheit beim Bewegen in der Wohnung oder im Haus ist eine ausreichende Beleuchtung von elementarer Bedeutung. Bewegungsmelder sorgen bereits in preisgünstigen Ausführungen dort für Licht, wo man es braucht. Smarte Plattformen bieten die Möglichkeit, einen festen Tagesrhythmus zu programmieren. Dabei werden Lichtstärke und -farbe automatisch abhängig vom jeweiligen Tageslichteinfall auf die individuellen Bedürfnisse des Bewohnenden ausgerichtet. Bereits mit preisgünstigen Einstiegssystemen können entsprechende Sensoren integriert und damit zusätzliche Lichtschalter frei im Raum platziert werden.

Durch Vernetzung entsteht Mehrwert

Die Beleuchtung kann auch mit weiteren Sensoren interagieren. Liegen Einschränkungen der Hörfähigkeit vor, können bestimmte Warnsignale akustisch und auch optisch dargestellt werden. Das gilt für das Telefon ebenso wie für Türsensoren, die melden, dass das Schließen der Tür vergessen wurde, oder für Sensoren, die das Lüften aufgrund schlechter Raumluft empfehlen.
Besonderes Potenzial bieten Systeme, die mehrere Funktionen integrieren - beispielsweise eine Deckenleuchte, die Bewegungsabläufe erfassen und analysieren kann. Sie kann zwischen Bewegungen unterscheiden: Legt man sich ins Bett, erlischt das Licht automatisch nach einer bestimmten Zeit und bleibt deaktiviert, bis man sich erhebt. Nicht jede Schlafbewegung führt damit zur Aktivierung. Die Lichtintensität wird automatisch der Umgebungssituation angepasst, so dass die Beleuchtung in der Nacht nicht zu grell aufleuchtet.
Ein weiteres Beispiel ist ein Sturzsensor, der erkennt, wenn eine Person gefallen ist und dann unmittelbar eine Sprachverbindung zu Angehörigen oder einem Hausnotruf herstellt oder direkt Hilfe verständigt. Der Sensor erfasst zudem Bewegungen im Raum und weist Bewohnende frühzeitig automatisiert auf Unregelmäßigkeiten hin, die auf ein Sturzrisiko hindeuten. Damit können diese Systeme nicht nur Stürze erkennen, sondern diese zum Teil antizipieren und dadurch vermeiden.
Für die frühzeitige Erkennung von Risiken dient die in den Alltag integrierte Erhebung von Vitaldaten. Dies umfasst die Analyse des Urins durch nachrüstbare Geräte in der Toilette bis zur selbstständigen Messung eines EKGs zuhause und ohne Assistenz. Gerade bei der Nachsorge nach stationären Aufenthalten im Krankenhaus bietet sich somit die Chance, den Übergang zwischen Krankenhaus und ambulant weiterbehandelndem Arzt zu optimieren und besser aufeinander abzustimmen. Die Daten werden verlässlich, ohne dass ein Arztbesuch notwendig ist und gegebenenfalls in einer höheren Frequenz erfasst und per Bluetooth oder GSM mit der Einwilligung der Patienten automatisch auf eine Plattform übertragen und dort KI-gesteuert überwacht. Bei Unregelmäßigkeiten oder dem Überschreiten bestimmter Grenzwerte besteht unterstützt durch eine Pflegefachkraft sofort die Möglichkeit einer telemedizinischen Interaktion gegebenenfalls mit Echtzeitdiagnostik. Behandelnde Ärzt*innen können sich über die Behandlung interdisziplinär abstimmen, Medikamentenpläne erstellen und überwachen. Über entsprechende Blister können Informationen der Medikamente insbesondere zum vorgesehenen Zeitpunkt der Einnahme, der Menge sowie gegebenenfalls auch der Nachbestellung erfolgen.
Technisch ist heutzutage also schon vieles möglich. Durch die individuelle, bedarfsorientierte Kombination von Lösungen können die physiologischen Grundbedürfnisse nach Kompetenz und Autonomie für einen hohen Grad an Selbstbestimmung bestmöglich befriedigt werden.
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Metadaten
Titel
Smart Living - Smart Home
verfasst von
Christian Gräff
Publikationsdatum
01.04.2023
Verlag
Springer Medizin
Schlagwort
Digitalisierung
Erschienen in
Pflegezeitschrift / Ausgabe 4/2023
Print ISSN: 0945-1129
Elektronische ISSN: 2520-1816
DOI
https://doi.org/10.1007/s41906-023-2035-4

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