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Erschienen in: Heilberufe 4/2021

01.04.2021 | Recht | Pflege Alltag Zur Zeit gratis

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

verfasst von: Ulf Haakon Dammann

Erschienen in: Heilberufe | Ausgabe 4/2021

Diskriminierende Handlungen und Bemerkungen Eine scheinbar unbedachte harmlose Berührung oder eine sexistische Bemerkung auf Kosten des anderen Geschlechts. Wo fängt die (sexuelle) Belästigung durch Vorgesetzte und Kollegen an und wo endet sie? Der folgende Beitrag beleuchtet diese Thematik näher.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Beschäftigten vor (sexuellen) Belästigungen zu schützen. Dies ergibt sich aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das Ziel des AGG ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Wo fängt Belästigung an?

Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (§ 3 Absatz 3 AGG).
Dabei ist die Belästigung durch zwei Merkmale gekennzeichnet, die kumulativ vorliegen müssen:
  • Eine Belästigung, also eine unerwünschte Verhaltensweise, die bewirkt oder bezweckt, dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird. Gemeint sind sowohl verbale als auch nonverbale Verhaltensweisen.
  • Die Folge, dass durch die Belästigung ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes (feindliches) Umfeld geschaffen wird. Dabei ist eine gewisse Nachhaltigkeit und Dauer oder Intensität des unerwünschten Verhaltens erforderlich.
Beispiele für eine Belästigung sind Beleidigungen, Denunzierungen, Verleumdungen, abwertende Äußerungen, Anfeindungen, Drohungen sowie körperliche Übergriffe.

Gesetzlich nicht geregelt: Mobbing

An dieser Stelle ein kurzer Exkurs zum Mobbing. Das sogenannte Mobbing ist gesetzlich nicht geregelt. Das Bundesarbeitsgericht hat Mobbing wie folgt definiert: "Mobbing ist das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte am Arbeitsplatz" (Urteil des BAG vom 15.01.1997 - 7 ABR 14/96). Mitarbeiter werden dabei durch Kollegen und / oder Vorgesetzte gezielt und über einen lang andauernden Zeitraum angegriffen und ausgegrenzt. Beispiele für Mobbing sind Verbreitung falscher Tatsachen, Zuweisung sinnloser Arbeitsaufgaben, sozialer Isolation, ständige Kritik an der Arbeit, sexuelle oder rassistische Anspielungen sowie Gewaltandrohung.
Das Bundesarbeitsgericht hat zum Zusammenspiel von § 3 Absatz 3 AGG und dem Mobbing entschieden, dass der in § 3 Absatz 3 AGG normierte Begriff der Belästigung auch auf Mobbing zu übertragen ist. Mobbingfälle sind hiernach gekennzeichnet von "unerwünschten Verhaltensweisen, die bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird" (Urteil des BAG vom 25.10.2007 - 8 AZR 593/06, NZA 2008, 223).

Vom taxierenden Blick bis zum aufgedrängten Kuss

Was kennzeichnet nun eine sexuelle Belästigung? Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sagt dazu folgendes: Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung (…), wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (§ 3 Absatz 4 AGG).
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz umfasst nicht nur Handlungen, die ohnehin unter die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im Sinne der §§ 174 bis 184 StGB - wie sexuelle Nötigung und Vergewaltigung - fallen, sondern auch jedes vorsätzliche, sexuelle bestimmte Verhalten, das die Würde von Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt. Belästigungen können am Arbeitsplatz, in Kantinen, in Treppenhäusern, in Fluren, auf Betriebsausflügen, auf Betriebsfeiern, auf Weihnachtsfeiern oder im Rahmen von Dienstreisen erfolgen. Beispiele sind taxierende Blicke, Pfiffe, anzügliche Bemerkungen, Anspielungen auf sexuelles Verhalten, obszöne Witze, Schilderungen sexueller Erlebnisse, Zurschaustellung der Genitalien, aufgedrängte Küsse und Umarmungen, Telefongespräche, Briefe, E-Mails, SMS usw. mit sexuellem Inhalt, pornografische Bilder und ähnliches in Arbeits- und Aufenthaltsräumen, Aufforderungen zu sexuellen Handlungen sowie Einladungen mit eindeutiger Absicht.

Weitreichende Folgen

Die Betroffenen fühlen sich nicht nur während der Arbeit bedroht, sondern sind einem grundsätzlichen Gefühl von Angst, Unsicherheit und Angespanntheit ausgesetzt. Aus der Belästigung am Arbeitsplatz können längerfristige körperliche und psychische Beeinträchtigungen resultieren, die auch eine medizinische oder therapeutische Behandlung notwendig machen können. Das können Angstzustände, Depressionen, Schlafstörungen, Essstörungen, Schamgefühle, Albträume, Verlust der Arbeitsmotivation und / oder Arbeitsunfähigkeit sein.

Was können Betroffene tun?

Betroffene haben verschiedene Möglichkeiten, sich gegen die Belästigung zur Wehr zu setzen.
Beschwerderecht: Die Beschäftigten haben das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt fühlen.
Die Beschwerde ist zu prüfen und das Ergebnis der oder dem beschwerdeführenden Beschäftigten mitzuteilen. Ergreift der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz, sind die betroffenen Beschäftigten berechtigt, ihre Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist.
Schadensersatz: Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (§ 15 Absatz 1 AGG). Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre (§ 15 Absatz 2 AGG).
Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt (§ 15 Absatz 3 AGG). Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Wenn es ein Arbeitgeber trotz Kenntnis von sexuellen Belästigungen unterlässt, gegen diese vorzugehen, verstößt er gegen seine Fürsorgepflicht im Sinne des § 618 BGB. Der Betriebsrat bzw. der Personalrat sind durch das Betriebsverfassungsgesetz bzw. durch das Bundespersonalvertretungsgesetz verpflichtet, die Schutzgesetze zu überwachen. Strafanzeige können der Betroffene selbst oder der Arbeitgeber erstatten.

Was tun bei Belästigung?

Wer am Arbeitsplatz sexuell belästigt wird, sollte Hilfe und Unterstützung von Beratungsstellen in Anspruch nehmen.
Diese bieten beispielsweise kostenlose anonyme telefonische und persönliche Beratung für Betroffene an. Dort können auch konkrete Verhaltensweisen am Arbeitsplatz erörtert werden.
Zu klären ist etwa: Wann schalte ich den Dienstvorgesetzten bzw. den Arbeitgeber ein? Wann den Betriebsrat?
In welchem Umfang soll ich Aufzeichnungen anfertigen und wo soll ich diese hinterlegen?

Fazit

Ein beiläufiger Spruch, ein obszöner Witz oder das deutlich sichtbare Pin-up-Girl im Spind können eine (sexuelle) Belästigung sein, die - wenn sie dem Arbeitgeber gemeldet wird - von ihm aufgeklärt und der abgeholfen werden muss.
Die (sexuelle) Belästigung am Arbeitsplatz kann bei den Opfern zu (schweren) psychischen oder psychosomatischen Folgen und zu einer Erwerbsunfähigkeit führen.
Arbeitgeber sind gut beraten, jedem Hinweis nachzugehen und eine mögliche Verfehlung zu ahnden. Dies folgt nicht zuletzt aus seiner Fürsorgepflicht.

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Metadaten
Titel
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
verfasst von
Ulf Haakon Dammann
Publikationsdatum
01.04.2021
Verlag
Springer Medizin
Schlagwort
Recht
Erschienen in
Heilberufe / Ausgabe 4/2021
Print ISSN: 0017-9604
Elektronische ISSN: 1867-1535
DOI
https://doi.org/10.1007/s00058-021-2003-6

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