13.1 Vergütungsunterschiede erschweren eine sektorenunabhängige Versorgung
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Bei Leistungen, die prinzipiell sowohl ambulant als auch stationär erbracht werden können, beeinträchtigt die Sektorierung die Steuerung der Patienten in das unter Versorgungs- und Effizienzgesichtspunkten optimale Behandlungssetting.
13.2 Ausmaß der Vergütungsunterschiede an der Sektorengrenze für ausgewählte Bereiche
13.2.1 Auswahl der Fallbeispiele
DRG | Bezeichnung | Fachrichtung | Fallzahl (2017) | Anteil Fallzahl insg. in % | Anteil PCCL 0 & 1 in % (Normallieger) | Ø VWD (Tage) Normallieger | Anteil Kurzlieger in % |
---|---|---|---|---|---|---|---|
D30B | Tonsillektomie | HNO | 83.373 | 0,4 | 96,1 | 4,1 | 14,8 |
E63B | Schlafapnoe/Poly(somno)graphie | Innere Medizin – Pulmologie | 103.800 | 0,5 | 93,7 | 2,1 | 46,7 |
F71B | Nicht schwere kardiale Arrhythmien | Innere Medizin – Kardiologie | 282.059 | 1,5 | 84,7 | 3,9 | 32,2 |
G67C | Gastroenterologische Erkrankungen | Innere Medizin – Gastroenterologie | 483.768 | 2,6 | 85,2 | 3,5 | 31,2 |
K60F | Diabetes mellitus | Innere Medizin – Diabetologie | 85.723 | 0,5 | 87,4 | 6,3 | 12,2 |
13.2.2 Datengrundlagen und Annahmen für die Kalkulation
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Die Vergütungen der ausgewählten Indikationen bzw. Leistungskomplexe im stationären Sektor werden auf Basis des DRG-Katalogs 2019 berechnet, d. h. die Bewertungsrelation der jeweiligen DRG wird auf einen Bundesbasisfallwert von 3.544,97 € angewendet. Dabei werden nur kurzstationäre Fälle mit einer Verweildauer von einem Tag (mit keiner oder einer Übernachtung im Krankenhaus) oder zwei Tagen (mit zwei Übernachtungen im Krankenhaus) betrachtet.
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Zu den so ermittelten DRG-Erlösen werden noch Mittel aus der KHG-Investitionsförderung für Krankenhäuser anteilig hinzugerechnet. Gemäß den Grundsätzen der dualen Finanzierung von Krankenhäusern gehen Investitionskosten nicht in die Kalkulation der Vergütung ein, stattdessen sind diese durch steuerfinanzierte Förderung der Bundesländer zu decken. Eine DRG-spezifische Zurechnung ist auf Basis der vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) seit dem Jahr 2014 ermittelten Investitionsbewertungsrelationen möglich. Für die Fallbeispiele werden der Katalog der Investitionsbewertungsrelationen (IBR) zur G-DRG-Version 2019 sowie die mittleren Investitionskosten je Fall (IBR-Bezugsgröße, 2019: 339,90 €) verwendet (InEK 2019a und 2019b). Auf der Grundlage der IBR-Bezugsgröße gelangen Schätzungen zu Investitionskosten bzw. einem bestandserhaltenden Investitionsbedarf in Höhe von rd. 6 Mrd. € (vgl. z. B. Draheim und Beeck 2015). Da die tatsächliche KHG-Investitionsförderung der Bundesländer im Jahr 2017 nur knapp 2,8 Mrd. € betrug, werden die DRG-spezifischen Investitionsbewertungsrelationen mit einem (fiktiven) Investitionsfallwert in Höhe von lediglich 50 % der IBR-Bezugsgröße (169,95 €) bewertet.
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Im Gegensatz zur Vergütung ambulanter Leistungen enthalten die DRG-Vergütungen Anteile zur Deckung von Kosten für Arzneimittel und Sachmittel. Diese sind für den Vergütungsvergleich zwischen DRG und EBM abzuziehen. Arzneimittelkosten finden in der vertragsärztlichen Vergütung gemäß dem EBM keine Berücksichtigung. Sachkosten werden nur in wenigen Fällen im EBM berücksichtigt und meist anderweitig gedeckt (z. B. im Rahmen von Verordnungen von Hilfsmitteln oder Sprechstundenbedarf).9
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Grundlage der Ermittlung der Vergütung für die ambulante Versorgung bildet der EBM für das Jahr 2019. Der für die Kalkulation verwendete Punktwert (Orientierungswert) beträgt damit 10,8226 Cent.
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Für die Auswahl der den DRGs gegenüberzustellenden EBM-Positionen wurde zweistufig vorgegangen: Zunächst wurde anhand der Daten des DRG-Browsers ermittelt, welche Diagnosen und welche Prozeduren für die ausgewählten DRGs mit der größten Häufigkeit dokumentiert und abgerechnet wurden. Für diese häufigsten Diagnosen haben Experten des Zi und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung die in den vertragsärztlichen Abrechnungsdaten abgebildeten Leistungsketten und die diesbezüglich am häufigsten abgerechneten EBM-Ziffern nach inhaltlich-medizinischer Plausibilitätsprüfung ausgewählt. Für die altersdifferenzierte Zurechnung der Grundpauschalen im EBM wurde die Altersstruktur der Behandlungsfälle gemäß den Daten des DRG-Browsers zugrunde gelegt.
13.2.3 Ergebnisse
DRG G67C | Fallzahl | Anteil in % | |
---|---|---|---|
(Normallieger) | |||
Hauptdiagnosen
| |||
K59.0 | Obstipation | 43.174 | 14,2 |
A09.9 | Sonstige und nicht näher bezeichnete Gastroenteritis und Kolitis nicht näher bezeichneten Ursprungs | 39.578 | 12,9 |
A09.0 | Sonstige und nicht näher bezeichnete Gastroenteritis und Kolitis infektiösen Ursprungs | 39.463 | 12,9 |
K29.1 | Sonstige akute Gastritis | 28.158 | 9,2 |
K21.0 | Gastroösophageale Refluxkrankheit mit Ösophagitis | 19.643 | 6,4 |
TOP 5 insg. | 169.989 | 55,7 | |
Prozeduren
| |||
1-632.0 | Diagnostische Ösophagogastroduodenoskopie: Bei normalem Situs | 141.655 | 46,4 |
1-440.a | Endoskopische Biopsie an oberem Verdauungstrakt, Gallengängen und Pankreas: 1 bis 5 Biopsien am oberen Verdauungstrakt | 83.977 | 27,5 |
1-650.2 | Diagnostische Koloskopie: Total, mit Ileoskopie | 48.311 | 15,8 |
1-440.9 | Endoskopische Biopsie an oberem Verdauungstrakt, Gallengängen und Pankreas: Stufenbiopsie am oberen Verdauungstrakt | 30.783 | 10,9 |
3-225 | Computertomographie des Abdomens mit Kontrastmittel | 25.787 | 8,5 |
DRG | Bezeichnung | Vergütung stationär | Vergütung ambulant | Verhältnis stationär/ambulant | ||
---|---|---|---|---|---|---|
1 Tag | 2 Tage | 1 Tag | 2 Tage | |||
D30B | Tonsillektomie | *1,6 | *1,6 | |||
– Vollstationär | 1.484 € | 2.608 € | ||||
– Belegärztlich | 951 € | 1.678 € | ||||
E63B | Schlafapnoe/Poly(somno)graphie | 715 € | 1.058 € | 477 € | 1,5 | 2,2 |
F71B | Nicht schwere kardiale Arrhythmien | 578 € | 1.535 € | 220 € | 2,6 | 7,0 |
G67C | Gastroenterologische Erkrankungen | 671 € | 1.591 € | 529 € | 1,3 | 3,0 |
K60F | Diabetes mellitus | 584 € | 2.443 € | **236 € | 2,5 | 10,3 |
13.2.4 Ursachen bestehender Vergütungsunterschiede
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Die DRG-Vergütungen beruhen auf einer Zuschlagskalkulation auf Basis von Ist-Kosten (der Kalkulationshäuser) mit einer Zuordnung der Gemeinkosten zu Fallgruppen als Kostenträger. Demgegenüber werden bei den EBM-Vergütungen unterschiedliche Kostenarten als Soll-Kosten direkt einzelnen Leistungen zugerechnet, deren Höhe sich u. a. an dem unterstellten Zeitbedarf orientiert. Die Soll-Höhe resultiert teilweise aus Schätzungen, teilweise aus normativen Setzungen. So wird beispielsweise der kalkulatorische Arztlohn, der einen relevanten Anteil der Vergütung ausmacht, normativ festgesetzt und dabei von einem selbstständig tätigen Arzt in eigener Praxis ausgegangen. Insgesamt hat dies u. a. zur Folge, dass im DRG-System auch vorgehaltene (nicht ausgelastete) Arbeitszeit in die Kalkulation der Vergütungshöhe einfließt, während gemäß EBM leistungsbezogene Norm-Arbeitszeiten vergütet werden.
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Die gesetzlichen Grundlagen enthalten für die Weiterentwicklung der Niveaukomponenten (Orientierungswert gem. § 87 Abs. 2e SGB V vs. Landesbasisfallwert/Veränderungswert gem. § 10 KHEntgG) unterschiedliche Vorgaben.
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Während die DRG-Vergütungen jährlich umfassend überprüft und angepasst werden, geschieht dies für EBM-Vergütungen anlassbezogen (siehe § 87 Abs. 2 SGB V) und nur partiell auf Basis von Erhebungen.
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Auch institutionell sind die Vergütungssysteme voneinander separiert: Für die Vergütung stationärer Leistungen sind die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene (Deutsche Krankenhausgesellschaft, Gesetzliche und Private Krankenversicherung) zuständig und das InEK übernimmt die wesentlichen Aufgaben im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung und Pflege des G-DRG-Systems, für die vertragsärztliche Vergütung der Bewertungsausschuss Ärzte (aus Vertretern der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und des GKV-Spitzenverbands), unterstützt durch das Institut des Bewertungsausschusses (InBA).