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Erschienen in: Hebammen Wissen 1/2023

01.01.2023 | Schwangerschaft | Thema

Dermatosen erkennen, einschätzen und behandeln

verfasst von: Dr. med. Anna Brandenburg, Dr. med. Anabelle von Georg

Erschienen in: Hebammen Wissen | Ausgabe 1/2023

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Hautveränderungen in der Schwangerschaft Der Körper einer Frau verändert sich in der Schwangerschaft sehr - auch die Haut kann davon betroffen sein und Ausschlag, Juckreiz & Co einen hohen Leidensdruck bei den Betroffenen auslösen. Hebammen sind auch in solchen Fällen häufig erste Ansprechpartnerinnen.
Hautveränderungen in der Schwangerschaft sind nicht selten und meist ist natürlich die Hebamme die erste Ansprechpartnerin für die teilweise sehr beunruhigten werdenden Mütter. Bei anhaltenden, gegebenenfalls an Intensität zunehmenden Hautveränderungen sollte die Patientin jedoch möglichst schnell an eine/n Hautfacharzt/ärztin überwiesen werden, da mitunter ein potenzielles Risiko für das Kind bestehen kann. Dem muss dann mit einer spezifischen Therapie entgegengewirkt werden. Doch welche Formen der in der Schwangerschaft auftretenden Hautveränderungen gibt es und wie sind diese zu behandeln?
Grundsätzlich muss zwischen physiologischen, schwangerschaftsbedingten Hautveränderungen und pathologischen Schwangerschaftsdermatosen unterschieden werden. Physiologische Veränderungen, die während der Schwangerschaft auftreten und nach der Geburt auch wieder fast vollständig verschwinden, basieren auf schwangerschaftsbedingten endokrinologischen, immunologischen, metabolischen und vaskulären Prozessen ohne die die Entstehung eines neuen Lebens nicht möglich wäre. Dazu gehören neben Hyperpigmentierungen wie der häufig auftretenden Linea nigra oder dem Melasma, Veränderungen des Bindegewebes wie Dehnungsstreifen (striae distensae) oder auch Gefäßerweiterungen wie Teleangiektasien, Krampfadern und Hämorrhoiden, die neben einem erhöhten Blutvolumen orthostatische Ursachen haben. Hiervon abzugrenzen sind die pathologischen, schwangerschaftsspezifischen Hauterkrankungen, die teilweise auch noch in der Postpartalperiode auftreten können und häufig mit einem quälenden Juckreiz einhergehen, der die Schwangere stark belasten kann.

Spezifische Dermatosen erkennen

Unter den auftretenden Hautveränderungen in der Schwangerschaft gibt es zahlreiche pathologische Dermatosen, die meistens zwar kein Risiko für Mutter und/oder Kind darstellen, dennoch aber spezifische Therapien benötigen.
Atopische Schwangerschaftsdermatose: Als häufigste Erkrankung unter den Schwangerschaftsdermatosen ist mit einer Inzidenz von 1:5 bis 1:20 die Atopische Schwangerschaftsdermatose zu nennen. Diese tritt üblicherweise im ersten oder zweiten Trimenon auf und bedeutet entweder die Exazerbation eines vorbestehenden atopischen Ekzems oder dessen Erstmanifestation. An der Haut findet sich die typische Ekzemmorphe (trockene, schuppende Areale), in einigen Fällen auch als papulöse Variante, und die Schwangere beklagt meist schweren Juckreiz. Das ungeborene Kind ist nicht gefährdet und die Hautveränderungen heilen meist drei bis vier Wochen nach Entbindung ab.
Polymorphe Schwangerschaftsdermatose: Manchmal schwer von der atopischen Schwangerschaftsdermatose abzugrenzen ist die Polymorphe Schwangerschaftsdermatose (pruritic urticarial papules and plaques of pregnancy, PUPP). Der Name weist auf die Vielgestaltigkeit dieser Erkrankung hin. Typisch ist ein späterer Beginn, meist im dritten Trimenon oder selten postpartal. In oder nahe der Striae distensae am Unterbauch entstehen stark juckende, urtikarielle Papeln und Plaques. Im Verlauf können weitere Hautveränderungen wie Bläschen oder flächige Rötungen auftreten. Hilfreich zur Differenzierung ist, dass periumbilikal meist keine Effloreszenzen zu finden sind.
Pemphgoid gestationis: Die dritte Schwangerschaftsdermatose ist Pemphgoid gestationis (syn. Herpes gestationis). Hier bildet das Immunsystem in der späten Schwangerschaft Auto-Antikörper gegen ein bestimmtes Kollagen in der eigenen Haut, wodurch es zur Bildung von Blasen kommt. Typisch ist ein heftiger Pruritus, der auch bereits vor dem Auftreten der Hautveränderungen einsetzen kann.
Periumbilical entwickeln sich zunächst explosionsartig Erytheme, also rötliche Areale, welche im Verlauf zu Bläschen und prallen Blasen reifen. Der ganze Körper kann im Verlauf betroffen sein, die Striae distensae sind hier nicht betont. Ein Schleimhautbefall bleibt aus. Die Ausheilung erfolgt in den letzten Schwangerschaftswochen, selten flammt die Dermatose kurz nach Geburt noch einmal auf. In 10% der Fälle entwickelt das Neugeborene die gleichen Hautveränderungen, da die maternalen Auto-Antikörper plazentagängig sind. Diese sind selbstlimitierend. In bis zu 20% wird von Small-for-date-Babies und Frühgeburten berichtet, insbesondere wenn das Pemphigoid früh in der Schwangerschaft aufgetreten ist. Die Mutter kann perimenstruell und bei einer erneuten Schwangerschaft mit dem selben Vater in bis zu 95% Rezidive erleiden.
Intrahepatische Schwangerschaftscholestase: Eine weitere bekannte Schwangerschaftsdermatose, die zwar ohne sichtbare Hautveränderungen auftritt, aber ebenfalls mit Juckreiz einhergeht, ist die Intrahepatische Schwangerschaftscholestase. Die Ursachen werden diskutiert, sind aber nicht vollends geklärt.
Die zumeist im dritten Trimenon beschriebene Symptomatik ist durch eine erhöhte Konzentration von Gallensäuren im Blut bedingt. Hierdurch kommt es zunächst zu palmoplantarem Juckreiz, im Verlauf auch am ganzen Körper. In schweren Fällen kann sich das Vollbild einer Cholestase mit Gelbsucht, Übelkeit sowie Appetitlosigkeit und dem erhöhten Risiko einer Cholelithiasis, also der Bildung von Gallensteinen, präsentieren. Das Risiko für Frühgeburten, fetale Notfallsituationen und Totgeburten ist erhöht. Ältere Schwangere (>35 Jahre) und Multipara sind häufiger betroffen. Die Diagnose gilt als gesichert, wenn ein Pruritus besteht und die Gesamt-Gallensäurenkonzentration im Serum bei über 40 µmol/l liegt. Ein Ultraschall der Leber sowie eine Leberbiopsie erzielen bei dieser Erkrankung keinen spezifischen Befund, können aber wichtige Differentialdiagnosen ausschließen und müssen daher im Zweifelsfall durchgeführt werden. Der Schwangeren wird Ursodesoxycholsäure verschrieben (im Off-label-use), welches die Gallensäurekonzentration senkt und die Symptome sowie die fetale Prognose bessert. Die Schwangerschaft sollte eng und interdisziplinär überwacht werden und wöchentliche Laborkontrollen erfolgen.

Diagnostik und Therapie

Konsultiert eine Schwangere ihre Hebamme auf Grund eines Pruritus, kann diese sich einer Diagnose über unterstützende Leitfragen nähern (Checkliste). Die zusätzliche Konsultation einer Dermatologin/eines Dermatologen ist dringend ratsam. Nur so kann die Beurteilung des klinischen Befundes und die Einleitung bzw. Erweiterung einer adäquaten Therapie gesichert werden. Zusätzlich könnte im Zweifelsfall eine Hautprobe entnommen werden, um die Diagnose mittels histopathologischer Untersuchung zu sichern. Selbstredend ist die Einbindung des betreuenden Gynäkologen unerlässlich.
Die Behandlung aller spezifischen Schwangerschaftsdermatosen beinhaltet zunächst das Auftragen von juckreizlindernden pflegenden Externa mit Inhaltsstoffen wie Polidocanol und Menthol, in hartnäckigen Fällen auch niedrigpotente Kortikosteroide. Zudem können juckreizlindernde systemische Antihistaminika eingesetzt werden, die wie Cetirizin bedenkenlos in der Schwangerschaft eingesetzt werden können und rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sind. Zuletzt kann auch eine kurzzeitige interne Therapie mit Prednisolon erwogen werden. Auch Maßnahmen wie häufiges kaltes Abduschen oder autogenes Training zur Entspannung können die Schwangere unterstützen. Der Leidensdruck bleibt jedoch oftmals stark und wird erst durch die Entbindung wirklich beendet. Im Zweifelsfall kann bei Unsicherheit über die Einnahme in der Schwangerschaft die Internetseite embryotox.de zu Rate gezogen werden. Ausgeprägte und anhaltende Symptome machen jedoch eine ärztliche Behandlung erforderlich, um die Gesundheit des Kindes nicht zu gefährden.
Es bleibt festzuhalten, dass keine Schwangerschaft ohne Hautveränderungen einhergeht. Es gilt, die physiologischen von den pathologischen zu unterscheiden. Die Hebamme in vielen Belangen erste Ansprechpartnerin einer Schwangeren. Sie kann im Falle einer Hautveränderung eine erste Einschätzung geben und sollte im Zweifelsfall die Konsultation eines Facharztes empfehlen. Erste juckreizlindernde und hautpflegende Maßnahmen wie oben beschrieben, können direkt eingesetzt werden und den werdenden Müttern Linderung verschaffen. Eine ausbleibende Besserung oder das Fortschreiten der Hautveränderungen sowie Symptome sollte Anlass sein, einen Arzt einzuschalten. Durch wachsame Beobachtung und mit dem hier geschilderten Vorwissen, kann also früh eingeschritten und verhindert werden, dass die Schwangere und das ungeborenes Kind Schaden nehmen.

Literatur

  • Ambros-Rudolph CM (2006) Dermatoses of pregnancy. J Dtsch Dermatol Ges 4: 748-759
  • Ambros-Rudolph CM (2010) Spezifische Schwangerschaftsdermatosen. Hautarzt 61: 1014-1020
  • Altmeyer P Altmeyers Enzyklopädie. https://www.altmeyers.org/de; (letzter Zugriff: 06.11.2022)
  • Böer B et al. (2014) Hauterkrankungen und Allergien in der Schwangerschaft. Akt Dermatol 40: 457-467
  • Dirschka T, Oster-Schmidt C, Schmitz L (2021) Klinikleitfaden Dermatologie. 4. Auflage, Urban & Fischer, München

Checkliste: Hautveränderungen

Mit diesen Leitfragen, können Hebammen einschätzen, ob die Hautveränderungen physiologisch oder pathologisch sind:
  • Wann im Verlauf der Schwangerschaft setzten die Symptome ein? Handelt es sich um einen frühen oder späten Zeitpunkt?
  • Zeigt die juckende Haut eher eine Ekzemmorphe, papulöse Veränderungen oder pralle Blasen?
  • Sind nur Kratzartefakte zu finden? Fehlen andere sichtbare Hautveränderungen?
  • Sind die Effloreszenzen striae-abhängig? Ist die Region um den Bauchnabel beteiligt?
  • Gibt es weitere Symptome wie eine Gelbfärbung der Skleren/ Haut, Übelkeit, Braunfärbung des Urins etc.?
Bei pathologischen Veränderungen oder Unsicherheiten sollte die Schwangere immer einen Facharzt/eine Fachärztin aufsuchen.

Fazit

In der Schwangerschaft kann es zu einer Vielzahl von physiologischen und pathologischen Hautveränderungen kommen.
Hebammen können in einem ersten Gespräch betroffene Frauen beraten und anhand von Leitfragen erste Empfehlungen zur Symptombehandlung geben.
Bei unklarer Genese und starkem Leidensdruck der Schwangeren sollte immer ein Facharzt/eine Fachärztin zur Diagnosestellung aufgesucht werden. Nur so kann eine wirksame Therapie eingeleitet und das Ungeborene geschützt werden.
Metadaten
Titel
Dermatosen erkennen, einschätzen und behandeln
verfasst von
Dr. med. Anna Brandenburg
Dr. med. Anabelle von Georg
Publikationsdatum
01.01.2023
Verlag
Springer Medizin
Schlagwort
Schwangerschaft
Erschienen in
Hebammen Wissen / Ausgabe 1/2023
Print ISSN: 2730-7247
Elektronische ISSN: 2730-7255
DOI
https://doi.org/10.1007/s43877-022-0734-5

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