Im Zuge der Corona-Pandemie ist die Versorgung von Menschen mit chronischen Schmerzen vielfach zusammengebrochen. Experten aus Medizin, Pflege und Selbsthilfe fordern daher, die Angebote rasch wieder hochzufahren.
Menschen mit chronischen Schmerzen haben es zurzeit besonders schwer. Die bereits vor der Pandemie angespannte Versorgungssituation hat sich noch einmal deutlich verschlechtert. Darauf verwiesen Schmerzexperten auf einer Online-Pressekonferenz zum diesjährigen „Aktionstag gegen den Schmerz“.
„Die Versorgung von Schmerzpatienten war in den letzten Wochen mangelhaft“, konstatierte die Präsidentin der Deutschen Schmerzgesellschaft, Professor Claudia Sommer. Notwendige Therapien fänden seit mehr als zwei Monaten nicht mehr statt oder Patienten würden sie aus Angst vor Ansteckung nicht wahrnehmen. Schmerzbehandlung sei ein Patientenrecht, es könne nicht sein, dass Schmerzpatienten zum „Kollateralschaden“ der Pandemie werden. „Kliniken müssen die Angebote für Schmerzpatienten wieder hochfahren“, forderte Sommer.
Lange Wartezeiten bei schmerztherapeutischer Behandlung
Dass Schmerzkranke unter der Coronakrise zusätzlich leiden, bestätigt auch eine Online-Umfrage der Lübecker Selbsthilfeorganisation SchmerzLOS mit rund 60 vollständig auswertbaren Fragebögen. Rund die Hälfte der Befragten gab Einschränkungen bei der Schmerztherapie an, ungefähr 60 % hatten dadurch zum Teil deutlich mehr Schmerzen, berichtete Heike Norda, 1. Vorsitzende der Patientenorganisation. Auch die für die Stabilisierung der Betroffenen oft sehr wichtigen Selbsthilfegruppen würden ausfallen.
Kurzfristig könnten hier verstärkt Angebote wie Telefon- und Videosprechstunden Abhilfe schaffen. Zudem forderte Norda, für einen befristeten Zeitraum, Fallzahlbegrenzungen für die Behandlung von Menschen mit chronischen Schmerzen aufzuheben. So gibt es nach Angaben von Norda nur 1.000 niedergelassene, ambulant tätige Schmerztherapeuten in Deutschland. Diese dürfen nur 300 Patienten pro Quartal behandeln. Und das bei mehreren Millionen Schmerzpatienten.
„Es gibt lange Wartezeiten, auch schon vor der Coronakrise“, berichtete die Schmerzpatientin. Diese könnten bis zu zwei Jahren bei manchen Schmerztherapeuten betragen und würden einer Chronifizierung von Schmerzen Vorschub leisten. Und das hat Folgen: „Ständige Schmerzen machen was mit uns Erkrankten, so Norda, „man wird auch psychisch beeinträchtigt. Schmerzen nehmen Menschen Lebensfreude und Lebensmut“. Sie würden sogar zu sozialem Abstieg führen, beispielsweise durch Verlust des Arbeitsplatzes.
Rolle der Pflege
Auch Ruth Boche, Sprecherin der Fachgruppe „PflegeexpertInnen Schmerz“ im Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) konnte „drastische Einschränkungen“ in der Versorgung von Schmerzpatienten durch die Corona-Pandemie beobachten. „Patienten fühlen sich allein gelassen“, so Boche. Sie verwies auf die besondere Rolle der professionellen Pflege bei der Versorgung von Schmerzpatienten, z.B. in pflegerischen Schmerzvisiten: „Die Pflegenden sind ganz nah am Patienten. Sie beraten, leiten an, geben Tipps für hilfreiche nicht medikamentöse Maßnahmen wie gezielte Bewegungs- und Entspannungsübungen, Wärme- oder Kälteanwendungen“. Oft seien sie die wichtigsten und einzigen Ansprechpartner. Für eine bessere Versorgung von Schmerzpatienten seien künftig innovative Ansätze und Strukturen wichtig. Vom Tele-Nursing über erweiterte Rollen für pflegerische Experten mit Hochschulabschluss (ANP) bis hin zum Abbau der Sektorengrenzen, durch den es immer wieder zu Informationsverlusten kommt. „Das Potenzial von Pflegenden wird nicht ausgeschöpft“, betonte Boche. (ne)