Nach Einschätzung der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) eignet sich die Impfpflicht nicht zum Schutz vulnerabler Gruppen, wohl aber führe sie zu einer Verschärfung der Personalsituation. Der Verband fordert daher erneut, die einrichtungsbezogene Impfpflicht auszusetzen.
Nachdem sich bereits verschiedene Politiker und auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) für ein vorzeitiges Ende der Corona-Impfpflicht im Gesundheitswesen ausgesprochen haben, fordert nun auch die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) erneut, die einrichtungsbezogene Impfpflicht auszusetzen. Schon Ende 2021 haben sie die Impfpflicht lediglich im Kontext der damals geforderten und auch angekündigten allgemeinen Impfpflicht hingenommen. Die Überzeugung, dass der einrichtungsbezogene Immunitätsnachweis in der Pandemiebekämpfung insgesamt keine Wirkung entfalten kann, vertritt der Verband nach wie vor. Durch die derzeit hohen Inzidenzen sieht er sich bestätigt – und fordert erneut, die einrichtungsbezogene Impfpflicht auszusetzen.
VdPB-Präsident Georg Sigl-Lehner führt aus: „Vor allem die MRNA-Impfstoffe waren ein medizinischer Meilenstein und ein absoluter Gamechanger in der Bewältigung dieser verheerenden Pandemie – wir sind die Letzten, die das bestreiten würden. Doch die Corona-Realität sieht heute einfach ganz anders aus als zu Beginn der Impfkampagne vor anderthalb Jahren. Und auch anders als noch im Herbst 2021. Vor Ansteckung schützen die Impfstoffe bei den Omikron-Varianten einfach nicht mehr zuverlässig, das ist unschwer an den aktuellen Infektionszahlen zu erkennen.“ Und er ist überzeugt: „Der Schutz der vulnerablen Gruppen wird in erster Linie durch die strengen Test- und Hygieneregime in den Einrichtungen gewährleistet“ Allerdings habe der Druck auf das Personal zugenommen, und die Androhung von Betretungsverboten und Bußgeldern sei nicht spurlos an den Pflegenden vorübergegangen. Zudem verschärfe der einrichtungsbezogene Immunitätsnachweis die ohnehin „untragbar angespannte Personalnot“.
Impfpflicht ab Oktober ohne Argumentationsgrundlage
Hinzu kommt nach Ansicht der VdPB die aktuelle Infektionslage, die vor den Gesundheitsberufen nicht Halt macht. Trotz einer Impfrate in Kliniken und Pflegeeinrichtungen, die deutlich über dem Bevölkerungsdurchschnitt liegt, müssen aufgrund der vielen Coronainfektionen ganze Stationen und Bereiche vorübergehend geschlossen und elektive Eingriffe vielerorts wieder verschoben werden. Wenn zum 1. Oktober 2022 dann noch mindestens eine Boosterimpfung für die vollständige Immunität nachzuweisen ist, rollt – so die Befürchtung des VdPB – erneut eine Bürokratiewelle auf Kliniken und Pflegeeinrichtungen zu. Außerdem ließe sich für eine Aufrechterhaltung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht keine schlüssige Argumentationsgrundlage finden. „Selbst wenn es zum Herbst hin angepasste Impfstoffe geben sollte, halten wir es für dringend geboten, an politisch verantwortlicher Stelle die einrichtungsbezogene Impfpflicht und ihren Sinn noch einmal gründlich zu überdenken und in der Folge umgehend auszusetzen“, fordert Georg Sigl-Lehner und lenkt den Blick über die Grenze: „In unserem Nachbarland Österreich hat man sich nicht gescheut, von der allgemeinen Impfpflicht abzurücken, weil sie […] nicht mehr vermittelbar ist. Das ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht hierzulande auch nicht mehr. Auf Biegen und Brechen trotzdem daran festzuhalten, wie es der Bundesgesundheitsminister immer wieder kommuniziert, ist unserer Ansicht nach ein großer Fehler." (SK)