Ein Jahr nach einem coronabedingten Aufenthalt auf einer Intensivstation haben drei von vier Überlebenden noch körperliche Beschwerden, zumeist Muskelschwäche und Gelenkschmerzen. Etwa ein Viertel ist psychisch angeschlagen, jeder Siebte berichtet über kognitive Probleme.
Intensivpflichtige COVID-Patienten leiden meist auch ein Jahr später noch unter körperlichen und psychischen Symptomen.
Kranke auf Intensivstationen benötigen häufig eine sehr langwierige Therapie – manche müssen mehrere Monate beatmet werden. Entsprechend häufig ist bei ihnen ein Post-Intensiv-Care-Syndrom (PICS) zu erwarten. Wie häufig, haben Intensivmediziner um Dr. Hidde Heesakkers von der Radboud-Klinik in Nijmegen über eine Untersuchung von Patienten aus elf Kliniken in den Niederlanden eruiert. Sie schauten bei 246 Überlebenden der ersten Pandemiewelle, wie es ihnen ein Jahr nach der Aufnahme auf die Intensivstation erging. Die allermeisten hatten noch deutliche Beschwerden. Im Vordergrund standen dabei vor allem Muskelschwäche, Myalgien und Gelenkprobleme.
Die Patienten sind Teil der prospektiven Kohortenstudie MONITOR-IC, welche die Langzeitfolgen eines Intensivstation-Aufenthalts untersucht. Berücksichtigt für die aktuelle Analyse wurden Patienten über 16 Jahre, die aufgrund einer nachgewiesenen SARS-CoV-2-Infektion intensivpflichtig waren. Im Schnitt lag das Alter bei 61 Jahren, 72% waren Männer, über 80% benötigten eine mechanische Beatmung – im Median zwei Wochen lang. Die Patienten wurden im Median knapp drei Wochen auf den Intensivstationen versorgt und verbrachten einen Monat im Krankenhaus.
Sechs von zehn kaum arbeitsfähig
Bei der Untersuchung ein Jahr später verwendeten die Ärzte diverse Tools zur Bestimmung von Gebrechlichkeit, Fatigue sowie psychischen und kognitiven Problemen. Zudem legten sie den Überlebenden eine Liste von 30 typischen PICS-Beschwerden vor. Gewertet wurden nur Symptome mit moderater und intensiver Ausprägung. Die Resultate:
- Insgesamt 74% litten unter mindestens einem neu aufgetretenen körperlichen PICS-Symptom, 26% unter einer psychischen Störung, 16% unter kognitiven Beeinträchtigungen. 31% nannten zwei Symptombereiche, meist körperliche und psychische Beschwerden, jeder Zehnte gab sowohl körperliche, psychische als auch kognitive Beeinträchtigungen an.
- Knapp 60% derjenigen, die zuvor noch gearbeitet hatten, taten dies nun nicht mehr, noch nicht oder nur eingeschränkt.
- Bei den körperlichen Beschwerden im Vordergrund standen Fatigue (bei 56%), ein Gefühl der Schwäche (39%), steife Gelenke (26%), Gelenkschmerzen (26%), Muskelschwäche (25%), Myalgien (21%) und Atemnot (21%).
- Psychisch wurden die Überlebenden vor allem von Ängsten und Depressionen geplagt (bei je 18%), und jeder Zehnte nannte Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Post-Intensiv-Care-Syndrom weit verbreitet
Die Ärzte um Heesakkers schauten auch unter Intensivpatienten ohne COVID nach Symptomen des Post-Intensiv-Care-Syndroms (PICS). Hier ergab sich ein ganz ähnliches Bild bei den körperlichen und kognitiven Symptomen, dagegen traten psychische Probleme ein Jahr nach der Klinikaufnahme unter nicht an COVID Erkrankten etwas häufiger auf (36%), dafür gab es seltener Einschränkungen bei der Arbeitsfähigkeit (43%).
Die Ergebnisse deuten – wie erwartet – auf eine hohe PICS-Prävalenz unter intensivmedizinisch behandelten Coronakranken. Für bedenklich halten die Ärzte um Heesakkers nicht zuletzt die Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit.