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13.07.2020 | Sars-CoV-2 | Nachrichten

Corona-Krise & Pflege: Westerfellhaus zieht Zwischenfazit

Das Coronavirus zeigt – wie durch ein Brennglas – Stärken und Schwachstellen in der Versorgung von Pflegebedürftigen und Patienten, sagt der Pflegebevollmächtigte Andreas Westerfellhaus. Und es zeigt Potenziale zur Weiterentwicklung. Nun müsse nicht nur nach Fehlern, sondern nach Lösungen gesucht werden, fordert er.

Andreas Westerfellhaus © Kai Abresch PhotographyBevollmächtigte der Bundesregierung für Pflege, Staatssekretär Andreas Westerfellhaus, © Kai Abresch Photography

Viele der bisherigen Corona-Maßnahmen waren sehr erfolgreich, davon ist der Bevollmächtigte der Bundesregierung für Pflege, Staatssekretär Andreas Westerfellhaus, überzeugt. Trotz Personal- und Versorgungsengpässen und der besonderen Gefahr, die das Coronavirus vor allem für die Bewohner von Pflegeeinrichtungen darstellt, wurde „auf allen Ebenen schnell, engagiert und kompetent gehandelt, umfassende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und Funktionieren des Gesundheitswesens ergriffen,“ sagt er in einem Zwischenfazit. „Die Verbreitung des Virus konnte durch einen gesamtgesellschaftlichen Kraftakt deutlich verlangsamt werden“, konstatiert Westerfellhaus. Neben Stärken und Schwachstellen in der Versorgung habe die Pandemie auch die Potenziale zur Weiterentwicklung verdeutlicht.

Mehr Flexibilität und Unterstützung für die häusliche Pflege

Pflegebedürftige und ihre Angehörigen stehen nicht nur in Pandemiezeiten immer wieder vor der Herausforderung, die häusliche Pflege kurzfristig anders organisieren zu müssen, etwa auf Grund eines veränderten Pflegebedarfs. Das erfordere ein hohes Maß an Flexibilität bei den ambulanten Pflegeleistungen, so Westerfellhaus. Dieses wurde punktuell und befristet geschaffen. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen benötigten diese Flexibilität jedoch deutlich umfassender und dauerhaft. Ein Vorschlag von Westerfellhaus dazu findet sich in seinem Konzeptpapier zum Entlastungsbudget 2.0. Demnach sollten nahezu alle Leistungen in der häuslichen Pflege in zwei flexibel abrufbaren Budgets, dem Pflege- und Entlastungsbudget, zusammengefasst und mit einer unabhängigen Vor-Ort-Beratung individuelle Pflegesettings ermöglicht werden.

Flächendeckend faire Löhne und eine neue Aufgabenverteilung

Engagiert tritt Westerfellhaus für eine attraktive, flächendeckende Entlohnung für Pflegekräfte  mindestens auf Tarifniveau und optimale, familienfreundliche Arbeitsbedingungen ein. „Es ist beschämend, dass so viele Arbeitgeber in der Langzeitpflege und in den Kliniken sich da einfach nicht bewegen wollen“, kritisiert er. Ein Tarifvertrag muss nach seiner Vorstellung in der gesamten Langzeitpflegebranche angewendet werden können und neben attraktiven Löhnen insbesondere zeitgemäße Arbeitszeitmodelle vorgesehen. „Daneben muss endlich die Refinanzierung von Tariflöhnen Realität werden, so dass gerade auch ambulante Pflegedienste gegenüber Kostenträgern nicht mehr als Bittsteller auftreten müssen“, so Westerfellhaus weiter.

Weiteres Potenzial sieht der Pflegebeauftragte in einer guten interprofessionellen Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe. Pflegekräften und anderen Gesundheitsfachberufen wurde in der Krise mehr Verantwortung durch die Befugnis zur Ausübung von heilkundlichen Tätigkeiten ermöglicht. Das hält Westerfellhaus für richtig, da Pflegefachkräfte grundsätzlich zur Übernahme ausgewählter heilkundlicher Aufgaben qualifiziert sind. Aus seiner Sicht gilt es nun, den Strategieprozess des Bundesministeriums für Gesundheit zur interprofessionellen Zusammenarbeit im Gesundheits- und Pflegebereich voranzutreiben und die für Notlagen übertragene Verantwortung in den Regelbetrieb zu übernehmen.

Flexible Regelungen zum Personaleinsatz und das Aussetzen der Regelprüfungen in den Pflegeeinrichtungen sieht Westerfellhaus als wichtige Impulse, um den rechtlichen Rahmen für eine akute Krisensituation in Langzeitpflegeeinrichtungen zu setzen. Der Einsatz zusätzlicher Betreuungskräfte zur echten Betreuung sei gerade in Zeiten pandemiebedingter Kontaktsperren und Besuchsverboten von unschätzbarem Wert für die Bewohner von Pflegeeinrichtungen. Zum Schutz der Pflegebedürftigen und Mitarbeiter fordert er, einen nicht sachgerechten Umgang mit diesen Regelungen konsequent und über Anlassprüfungen zu sanktionieren.

Stationäre Pflege: Selbstbestimmung sicherstellen

In Pandemie-Zeiten ist es schwierig, den Gesundheitsschutz der Bewohner von Pflegeeinrichtungen in Einklang zu bringen mit ihren Rechten und Wünschen. Die strikten Besuchsverbote waren für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen oft nur schwer auszuhalten. Das hat die in Pflegeeinrichtungen immer notwendige Abwägung zwischen der Würde und Selbstbestimmung der Bewohner und den Hygienerestriktionen zum Lebensschutz „auf belastende Weise“ in den Blick der Öffentlichkeit gerückt. Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen benötigen laut Westerfellhaus nicht nur Schutz vor Infektionen, sondern auch die Gewissheit, jederzeit selbstbestimmt Einfluss auf ihre Lebensbedingungen nehmen zu können. Einrichtungen benötigen dafür die nötige Rückendeckung und pragmatische Handlungsempfehlungen für Besuchskonzepte. Doch die Bewohner müssen  gefragt werden, was ihnen wichtig ist. Es sei deshalb unerlässlich, besondere Besuchskonzepte in Zeiten einer Pandemie nur unter Beteiligung der Bewohnervertretungen umzusetzen. Eine Entscheidung über die Köpfe der Betroffenen hinweg verletze nicht nur Rechte, sondern vor allem ihre Würde und Selbstbestimmung.

Konsequenter Ausbau der Digitalisierung

Digitalisierung ist kein Selbstzweck, betont der Pflegebeauftragte, sondern sie nützt Patienten und Pflegebedürftigen und verbessert deren Versorgung. Wie im Koalitionsvertrag und im gerade verabschiedeten Digitalen-Versorgungs-Gesetz vorgesehen, müssten deshalb alle Pflegeeinrichtungen zeitnah an die Telematik-Infrastruktur angebunden werden. „Pflegekräfte müssen sicher, schnell und aufwandsarm mit niedergelassenen Ärzten, Physiotherapeuten, Apothekern und Krankenhäusern kommunizieren können. Auf dem Weg der Digitalisierung im Gesundheitswesen muss weiter unter konsequenter Einbeziehung der Pflege vorangeschritten werden. Denn besser vernetzt bedeutet […] besser versorgt.“ (SK)

Weitere Infos des Pflegebevollmächtigten finden Sie hier.


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