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20.04.2023 | Recht | Nachrichten

Vorbehaltsaufgaben der Pflege

Umsetzung noch nicht überall angekommen

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Im Pflegeberufegesetz wurde vor drei Jahren definiert, welche Aufgaben ausschließlich von Pflegefachpersonen durchgeführt werden dürfen. Was hat es mit diesen „Vorbehaltsaufgaben“ auf sich und was bedeutet die rechtliche Regelung für den Pflegealltag? Wir fragten nach beim Kieler Pflegerechtsexperten Prof. Thomas Weiß.

Professor Thomas Weiß, Kiel © privatPflegerechtsexperte Prof. Dr. Thomas Weiß, Kiel.
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Herr Prof. Weiß, nach jahrelangen Diskussionen wurden 2020 auch in Deutschland Vorbehaltsaufgaben für Pflegefachpersonen definiert. Weshalb war dieser Schritt aus rechtlicher Sicht wichtig?

Prof. Weiß: § 4 des Pflegeberufegesetzes regelt für den Pflegebereich erstmals bestimmte berufliche Aufgaben, die dem Pflegeberuf vorbehalten sind. Diese Vorschrift ist von besonderer Bedeutung, weil sie in klar abgegrenzten Bereichen die Eigenständigkeit der Profession bestimmt. Die gesetzliche Regelung greift sogar in die Berufsausübungsfreiheit von Arbeitgebern ein. Denn ihnen wird unter Androhung von Bußgeldern verboten, solche Vorbehaltsaufgaben an andere als die berechtigten Pflegefachkräfte zu übertragen oder die Durchführung durch nicht berechtigte Personen zu dulden.

Diese Beschränkung, ebenso wie der Ausschluss anderer Beschäftigter, insbesondere von Ärztinnen und Ärzten, ist im Sinne der verfassungsrechtlichen und gesetzgeberischen Vorgaben verhältnismäßig. Denn der Gesetzgeber zielt ausdrücklich auf die dadurch gewährleistete Sicherung des Gesundheitsschutzes der Pflegebedürftigen ab.

Webinarreihe Pflegerecht

Mehr zum Thema erfahren Sie von Professor Weiß am 11. Mai im Live-Webinar „Vorbehaltsaufgaben der Pflege“. Es ist Teil unserer fünfteiligen Webinarreihe Pflegerecht, die am 28. April startet. Bis zum 24. Mai beantworten erfahrene Pflegerechtsexperten die wichtigsten Fragen von Pflegefachkräften und Pflegeeinrichtungen zu Haftungsrecht, digitaler Überwachung, Vorbehaltsaufgaben, Whistleblower-Rechten sowie zur Kündigung des Heim-/Pflegevertrages und Ankündigung von Entgelterhöhungen. Seien Sie dabei.

Wichtig ist: Es besteht damit kein Vorbehalt für den gesamten Pflegeprozess oder das vollständige Ausbildungsziel der Fachpflege gem. § 5 des Pflegeberufegesetzes. So ist die Durchführung der Pflege und die Dokumentation der angewendeten Maßnahmen nicht in die vorbehaltenen Aufgaben einbezogen und dafür gibt es auch gute Gründe: Pflegerische Tätigkeiten dürfen auch weiterhin von Hilfs- und Assistenzkräften sowie anderen Berufsgruppenmitgliedern ausgeübt werden, auch von Angehörigen und Ehrenamtlichen.

Wie sehen die Erfahrungen in der Pflegepraxis aus – erlauben die Strukturen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen es den Pflegefachpersonen, ihre Vorbehaltsaufgaben auch auszuüben?

Prof. Weiß: Leider ist festzustellen, dass dieser – im Sinne der Professionalisierung der Fachpflege – bedeutsame Schritt in vielen Feldern des Gesundheitswesens und der Langzeitpflege in der Praxis noch nicht recht erkannt und umgesetzt wird.

Dies ist für die Einrichtungen und die Anpassung ihrer Strukturen wichtig, weil die Träger laut Pflegeberufegesetz  sicherstellen müssen, dass es hier nicht zu Überschreitungen kommt. 

Vor allem wird noch nicht im ausreichenden Maße berücksichtigt, dass die Vorbehaltsaufgaben den notwendigen fachlichen Hintergrund erfordern, den eben nur Pflegefachkräfte haben, um den Gesundheitsschutz der Pflegebedürftigen zu sichern. Da die Vorbehalte absolut wirken, wird es hier zukünftig eine Anpassung der Organisationsstrukturen geben müssen. Die Berufsgruppe der Ärztinnen und Ärzte wird im Übrigen durch diese Regelung bei deren Berufsausübung kaum beeinträchtigt.

Im Pflegealltag arbeiten Pflegefachpersonen und Pflegehilfskräfte Hand in Hand und künftig wird das noch stärker der Fall sein. Was bedeutet das für die Vorbehaltstätigkeiten?

Prof. Weiß: In der Zusammenarbeit von Pflegefachpersonen und Pflegehilfskräften ist durch die gesetzliche Regelung nun noch deutlicher hervorgehoben worden, dass Assistenzkräfte, wie schon der Name sagt, den Pflegefachkräften assistieren.

Die Delegation von Vorbehaltsaufgaben nach § 4 des Pflegeberufegesetzes auf Assistenzkräfte ist nicht zulässig. Delegierbar ist hingegen die eigentliche Durchführung der Pflege und die Dokumentation der angewendeten Maßnahmen. Die gesetzliche Regelung steht in Einklang mit den Eckpunkten der Arbeits- und Sozialministerkonferenz sowie der Gesundheitsministerkonferenz zur Pflegeassistenz. In deren Veröffentlichung wurde bereits im Jahr 2016 darauf hingewiesen, dass Assistenzkräfte durchaus eine Durchführungsverantwortung haben, aber eben unter Steuerungsverantwortung der Pflegefachkräfte. Auch die gesetzliche Regelung in Nordrhein-Westfalen (s.u.) macht dies explizit deutlich.

Das Interview führte Nicoletta Eckardt.

Pflegefachassistentenprüfungsverordnung NRW

§ 3 Abs. 1 S. 1: „Die Ausbildung für generalistisch ausgebildete Pflegefachassistentinnen und Pflegefachassistenten soll insbesondere dazu befähigen, Pflegefachpersonen bei der Erfüllung pflegerischer Aufgaben zu unterstützen, deren Anordnungen fachgerecht unter entsprechender Aufsicht durchzuführen, die durchgeführten Maßnahmen den fachlichen und rechtlichen Anforderungen entsprechend zu dokumentieren und die erforderlichen Informationen weiterzuleiten.“

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