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2020 | Psychologie - Psychiatrie | Buch

Therapeutische Beziehungen

Aktuelle Konzepte im Kontext der Behandlung psychisch kranker Menschen

herausgegeben von: Assoc. Prof. Friedrich Riffer, Univ.-Prof. Dr. Manuel Sprung, Primar Elmar Kaiser, Mag. Lore Streibl

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Buchreihe : Psychosomatik im Zentrum

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Über dieses Buch

Gute zwischenmenschliche Beziehungen sind von grundlegender Bedeutung für jede Form der therapeutischen Arbeit. Das vierte Buch in der Reihe Psychosomatik im Zentrum widmet sich den Ansprüchen und Realitäten, Chancen und Risiken der therapeutischen Arbeit mit psychisch kranken Menschen. Fritz Riffer eröffnet mit der wichtigen Frage, was die gute Therapeutin und ihre therapeutischen Beziehungen ausmacht. Weitere Beiträge beschäftigen sich mit realistischen Ansprüchen und Erwartungen an Therapeuten, Übertragungsphänomenen sowie Liebe und erotischem Erleben in therapeutischen Beziehungen. Anschließend werden Chancen von achtsamkeitsbasierten und systemischen Herangehensweisen sowie Filmtherapie und tiergestützter Entwicklungsförderung aufgezeigt. Mögliche Risiken, wie etwa Grenzüberschreitungen, Aggression und Gewalt sowie sekundäre Traumatisierung werden ebenso thematisiert.

Dieses Buch richtet sich in erster Linie an Ärzte, Psychotherapeuten, Klinische- und Gesundheitspsychologen sowie verwandte Berufsgruppen, die therapeutische Beziehungen mit psychisch kranken Menschen gestalten.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Ansprüche und Realitäten

Frontmatter
Kapitel 1. Was macht die gute Psychotherapeutin aus?
Zusammenfassung
Vielfältig sind die Möglichkeiten der Annäherung an dieses Thema. Über vier Gedanken nähert sich der Autor der von ihm im Titel gestellten Frage. Über diese – Annäherung statt Hybris, der Mythos vom objektiven Wissen, Sympathie/Empathie und Präsenz – gibt er einen Einblick in ihm besonders wichtig erscheinende Elemente zur Frage nach der guten Therapeutin. Dabei geht es ihm um die Reflexion von Grundannahmen der Conditio humana als Voraussetzung und der Verbindung dieser zur gelebten therapeutischen Praxis. Gelebte Praxis und ihre Reflexion bis in die Tiefen der Metaphysis werden als unteilbar Ganzes gesehen.
Friedrich Riffer
Kapitel 2. Die Therapierenden in der Schematherapie. Zwischen Heilserwartung und „Therapeutenfalle“
Zusammenfassung
Schematherapie erfreut sich bei Behandelten großer Beliebtheit. Das schafft Erwartungen. Auf Therapierendenseite stehen diesen Erwartungen nicht selten Menschen gegenüber, die hohe Ansprüche an sich selbst haben. Das kann zu ungünstigen Konstellationen führen mit Gefahren für beide Seiten. In diesem Kapitel werden die möglichen Kombinationen von Interaktionsstilen (sogenannte Bewältigungsmodi) mit ihren Risiken, insbesondere den „Fallen“ für Therapierende, systematisch vorgestellt und mögliche Auswege aufgezeigt. Insbesondere eine mangelnde Fähigkeit, Behandelte angemessen und in einer geeigneten Weise zu konfrontieren, kann zu Überlastungen bei den Therapierenden führen. Beispiele für Wege zu einer „empathischen Konfrontation“ werden beschrieben und die Konsequenzen für die Supervision benannt.
Eckhard Roediger
Kapitel 3. Beispiele zur Bedeutung von Übertragung in therapeutischen Beziehungen
Zusammenfassung
Übertragung und Gegenübertragung sind wichtige Faktoren, welche die Beziehungsgestaltung allgemein, insbesondere auch in Psychotherapien wesentlich beeinflussen. Besonders in den psychodynamisch orientierten Therapieansätzen sind Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomene essentiell und müssen daher entsprechend thematisiert werden. Beispielsweise werden In der übertragungsfokussierten Psychotherapie (TFP) bei Borderline-Patienten Übertragungsphänomene therapeutisch genutzt. Übertragungsgefühle können sich sowohl positiv als auch negativ auf einen psychotherapeutischen Prozess auswirken, sie spielen eine große Rolle zur Therapiemotivation, negative Übertragungsgefühle sind fast immer der Grund für einen Therapieabbruch. Dieser Beitrag beinhaltet zwei Beispiele der Übertragung aus der persönlichen Erfahrung des Autors.
Anton Tölk
Kapitel 4. Balint-Arbeit unter dem Aspekt konzeptueller Änderungen in der analytischen Theoriebildung: Von der Gegenübertragung zur Intersubjektivität
Zusammenfassung
Es werden in dieser Arbeit psychoanalytische Konzepte, welche die Arbeit in Balint-Gruppen beeinflussen, in ihrem historischen Ablauf dargestellt und durch Fallbeispiele ergänzt. Wesentlich erscheinen die unterschiedlichen Auffassungen und Konzepte der Gegenübertragung, wobei diese nicht nur der Interpretation der jeweiligen Fallgeschichten dienen, sondern auch das Leiterverhalten beeinflussen. Dem gegenübergestellt werden Konzepte der „intersubjektiven Wende“, welche die moderne Psychoanalyse dominieren. Auch diese werden in ihrem historischen Ablauf geschildert, und es wird versucht darzustellen, wie die Arbeit in Balint-Gruppen unter intersubjektivem Aspekt ablaufen kann. Das Resultat wird nach Ansicht des Autors wohl eine Methodenintegration sein, bei der zwischen der Beachtung der Intra- und Intersubjektivität je nach Lage des Falles gewechselt werden muss.
Gerd Eichberger
Kapitel 5. Amor und Psyche – Erotik im intersubjektiven Feld der Psychotherapie
Zusammenfassung
Amor und Psyche begegnen einander in der Mythologie und im Therapieraum. Psyche will heimlich nachts ihren in Dunkelheit gehüllten Amor betrachten und erkennen. Als ein Tropfen heißes Wachs ihrer Kerze auf seine Schultern fällt, erwacht Amor. Er flieht. Psyche hat ihn für immer verloren. So fragil ist Psyches Kontakt zu Amor. Und so heikel ist amouröse, erotische Begegnung in der Psychotherapie.
Barbara Laimböck

Chancen

Frontmatter
Kapitel 6. Facetten der Achtsamkeit
Über Grundlagen, Qualität und Dialog in der Anwendung achtsamkeitsbasierter Interventionen im interpersonellen Kontext
Zusammenfassung
In den vergangenen Jahrzehnten entwickelte sich ein breites Spektrum im Bereich der Forschung, Behandlung und Beratung basierend auf dem Modell der „Achtsamkeit“. Die Bedeutsamkeit und Wirksamkeit von Achtsamkeit ist belegt und führte zu einer sehr breiten Streuung im Bereich der Umsetzung von achtsamkeitsbasierten Verfahren (Mindfulness-Based Interventions, MBs) und anderer Achtsamkeitsprogramme bis hin zu einer „Achtsamkeitswissenschaft“. Vor dem Hintergrund langjähriger Erfahrung in der Anwendung achtsamkeitsbasierter Verfahren im stationären Setting einer psychosomatischen Klinik beschreibt die Autorin die Grundlagen, die inneren Haltungen und die damit einhergehenden Kompetenzen und Anforderungen, welche sich an die BehandlerIn stellen. Wie gestaltet sich Achtsamkeit im Dialog („Inquiry“) und welche Qualitäten unterstützen den interpersonellen Kontext? Einige Impulse und kritische Überlegungen für die praktische Umsetzung werden gegeben.
Petra Tschögl
Kapitel 7. Die therapeutische Beziehung aus systemischer Perspektive
Zusammenfassung
Nach einer kurzen Darstellung zentraler Wirkprinzipien systemischer Therapie wird das Verständnis der therapeutischen Beziehung zunächst in seinem historischen Wandel dargestellt. Nach den humanistisch geprägten Anfängen kam es durch die Mailänder Schule (Selvini-Palazzoli et al.) und die strategischen Ansätze (z. B. Jay Haley) zu einer sehr markanten Veränderung der Beziehungsgestaltung mit Betonung von Verstörung und Musterunterbrechung. Wenn auch die autoritäre Expertenhaltung nach der konstruktivistischen Wende wieder aufgegeben wurde und einem kooperativen Modell mit wohlwollend empathischer Haltung gewichen ist, bleibt doch auch ein Funken „Respektlosigkeit“ gegenüber dysfunktionalen Überzeugungen und Symptomen (nicht gegenüber der Person) Teil der therapeutischen Haltung. Die damit verbundenen „Verstörungen“ werden in Kauf genommen und durch ein aktiv unterstützendes, entwicklungsförderndes Beziehungsangebot abgefedert. Auftretenden Schwierigkeiten in der therapeutischen Beziehung wird durch reflexive Fragen und ein unerschrockenes Interesse am Erleben des Klienten begegnet.
Elisabeth Wagner
Kapitel 8. Alle (noch) in einem Boot? Ja, denn Systemresilienz ist lernbar!
Zusammenfassung
Viele Kliniken stehen heute unter einem enormen Druck. Einerseits sollen sie wirtschaftlich sein, und auf der anderen Seite wollen sie die bestmögliche Behandlung für die Patienten gewährleisten. Dieser Spagat fordert seinen Tribut oftmals bis auf die Ebene der Behandlerteams, die gerade den Veränderungen im System zumeist machtlos gegenüberstehen und diesen Stress möglichst nicht in die tägliche Arbeit mit den Patienten tragen sollten. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, wie Behandlerteams angesichts der vielen Herausforderungen gesund und leistungsfähig bleiben können. Eine Möglichkeit dies zu erreichen, besteht darin, die Systemresilienz zu erhöhen. Gemeint ist damit die Fähigkeit eines Systems trotz Störungen von außen funktionstüchtig weiter zu bestehen. Das Strategische Coaching kann hier einen wertvollen Beitrag leisten, indem es gezielt und systematisch die Resilienz von Einzelpersonen und Teams unterstützt. Die Embodimentperspektive ermöglicht dabei einen effizienten Zugang zu den zentralen Punkten und deren Lösung.
Christina Lohr, Gernot Hauke
Kapitel 9. Therapeutische Beziehung in Film und Literatur
Zusammenfassung
„… so müssen die Brückenköpfe eben nicht die Köpfe, sondern die Herzen sein“ (Viktor E. Frankl). Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den Grundlagen einer psychotherapeutischen Beziehung vor dem Hintergrund von Filmtherapie sowie Beispielen aus der Literatur. Da die Psychotherapie und deren wissenschaftlicher Hintergrund offenbar noch so jung sind, dass sich kaum Beispiele für eine therapeutische Beziehung in der Literatur finden ließen, bezieht sich die Autorin auf die Werke des weltbekannten Psychoanalytikers Irvin Yalom, dessen Werke sie als zur Weltliteratur zählend erachtet. Eine therapeutische Beziehung auf Augenhöhe, nur von dieser geht die Autorin aus, bedarf folgender Parameter: Würde; Freiheit und Verantwortung; Sprechen, Hören, Zuhören; Gefühle; Fürsorgeverhalten; Zeit; Berühren; Offenheit; Selbstwert und Sinnerfüllung. Anhand von Spielfilmbeispielen, die die Autorin im Rahmen der Gruppentherapie „Filmtherapie“ einsetzt, zeigt sie das Zusammen- und Wechselspiel zwischen therapeutischer Beziehung und Filmtherapie wie auch den Werken Yaloms. Der obige Ausspruch von Viktor E. Frankl ist zugleich Auftrag wie Aufgabe für PsychotherapeutInnen.
Brigitte Fellinger
Kapitel 10. Aufsuchende Sozialpädagogik bei familiären Krisen und Konflikten
„Fuchsbau-mobil“ als Maßnahme zur Reduktion und Prävention psychischer Belastungen und Risikofaktoren im Kindes- und Jugendalter
Zusammenfassung
Werte, Normen und Weltanschauungen der Herkunftsfamilie mit allen ihren AkteurInnen nehmen eine zutiefst prägende Rolle in der Biographie der Heranwachsenden ein und beeinflussen die kindliche Entwicklung nachhaltig. Spätestens seit der UN-Kinderrechtskonvention aus dem Jahre 1989 sind das Wohl des Kindes und das Recht auf gewaltfreie Erziehung in den Vordergrund getreten und ziehen bei Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohls eine behördliche Intervention nach sich. Das aufsuchende Setting, unmittelbar in den privaten Wohnräumen der Familien, hat sich dabei nicht nur als wirksam, sondern auch als kosteneffizient (Frindt 2011), insbesondere zur Vermeidung von Fremdunterbringung, erwiesen. Als Beispiel für eine Intervention bei Kindeswohlgefährdung wird „Fuchsbau-mobil“ als aufsuchende Hilfe beschrieben und die Tätigkeitsbereiche rund um Familien- und Jugendintensivbetreuungen bei dysfunktionalen und destruktiven Familiensystemen werden dargestellt. Dabei wird auf personelle Herausforderungen und spezifische Spannungsfelder im aufsuchenden Setting Bezug genommen.
Martina Steininger, Christoph Steininger

Risiken

Frontmatter
Kapitel 11. Über Grenzen
Zusammenfassung
In jeder Kommunikation pendeln Nähe und Distanz entlang von variablen Grenzen zwischen Du und Ich. In therapeutischen Beziehungen besteht Gefahr, aufgrund eigener Bedürftigkeit die Grenzen des Gegenübers zu überschreiten – nicht nur ein Kunstfehler, sondern meist auch eine Retraumatisierung. Dieses Kapitel thematisiert Grenzen und Grenzüberschreitungen in psychotherapeutischen Kontexten. Zunächst werden ethnologische und psychoanalytische Theorien zur Konzeptualisierung von äußeren und inneren Grenzen und deren Wahrnehmung beschrieben. Anschließend wird das Thema Macht und Machtmissbrauch in therapeutischen Beziehungen aus Sicht der Transaktionsanalyse analysiert. Danach wird beschrieben, inwieweit Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomene wie Helferwahn und Pseudogefühle zu Missbrauch in therapeutischen Beziehungen beitragen. Schließlich wird dargelegt, wie entsprechende Selbstwahrnehmung, „heilsames Denken“ und die Gestaltung der Sprache möglichen Grenzüberschreitungen bzw. unethischen und eigennützigen Impulsen in der therapeutischen Arbeit vorbeugen können.
Rotraud A. Perner
Kapitel 12. Strategien und Verhaltensweisen im Umgang mit Aggression und Gewalt
Zusammenfassung
Lange Zeit wurde im Gesundheits- und Sozialbereich das Thema „Aggression und Gewalt“ als bestehendes Problem nicht wahrgenommen. Wurde ein gewalttätiges Ereignis thematisiert, so wurde dies als Ausnahme dargestellt und nach Schuldigen gesucht: Entweder das Personal hatte falsch gehandelt oder die aggressive Person wurde als abnormal dargestellt und als „Fall“ für die Psychiatrie bezeichnet. Erst in den letzten Jahren wurde anerkannt, dass die Phänomene Aggression und Gewalt in allen Gesundheits- und Sozialeinrichtungen ein Problem für die MitarbeiterInnen, PatientInnen und BesucherInnen darstellen. Übergriffe werden nun als Belastung, als nicht immer vermeidbares und mitunter gesundheitsgefährdendes Risiko akzeptiert. In Fortbildungen zum Thema Deeskalation wurde versucht, den Umgang mit gefährlichen Situationen zu vermitteln. Die Entwicklung des Deeskalationsmanagements steht ebenfalls in einem „Wandlungsprozess“. Wurden in einem ersten Schritt Selbstverteidigungskurse von den Unternehmungen angeboten, so steht heute primär die Prävention von Gewaltereignissen im Vordergrund. In den Inhalten geht es darum, Aggression und Gewalt vorzubeugen und zu verhüten. Der Beitrag gibt einen Überblick über Präventionsmöglichkeiten vor einem aggressiven Vorfall, und es werden Handlungsmöglichkeiten bei Gewaltereignissen aufgezeigt.
Wolfgang Egger
Kapitel 13. Sekundäre Traumatisierung als Berufsrisiko: Prävention – Schutz – Heilung
Zusammenfassung
Im DSM-5 wird im Kriterium A.4 die „wiederholte und sehr extreme Konfrontation mit aversiven Details des traumatischen Ereignisses“ als Ursache für die Entstehung einer Posttraumatischen Belastungsstörung anerkannt. „The cost of caring“ nennt Figley die Tatsache, dass helfende Berufsgruppen (Feuerwehrleute, RettungssanitäterInnen, TherapeutInnen, PsychologInnen, ÄrztInnen, Pflegepersonal, SozialarbeiterInnen etc.) durch die Konfrontation mit schweren Schicksalen anderer Menschen häufig selbst unmittelbar betroffen sind. Sie erfahren viel vom Leid anderer Menschen, und es stellt sich die Frage, wie sie das Erfahrene verarbeiten. Viele können gut abschalten und tragen die Sorgen nicht nach Hause. Andere wiederum entwickeln selbst Traumatisierungssymptome. Dies geschieht oft unmerklich und unbewusst und kann zu Problemen im beruflichen und privaten Alltag führen. Dieses Kapitel widmet sich dem Phänomen der sekundären Traumatisierung, das auch unter dem Begriff Mitgefühlsermüdung bekannt geworden ist, wobei es sich, wie später noch genauer gezeigt wird, um unterschiedliche Konzepte handelt. Sekundäre Traumatisierung stellt ein Berufsrisiko dar. Die Prävention einer möglichen eigenen Traumatisierung durch die Arbeit im psychosozialen Feld ist wichtig.
Andrea Schulten
Backmatter
Metadaten
Titel
Therapeutische Beziehungen
herausgegeben von
Assoc. Prof. Friedrich Riffer
Univ.-Prof. Dr. Manuel Sprung
Primar Elmar Kaiser
Mag. Lore Streibl
Copyright-Jahr
2020
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-60817-3
Print ISBN
978-3-662-60816-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-60817-3