Impulsiv und in zwischenmenschlichen Beziehungen wie im Selbstbild instabil – Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sind eine Herausforderung in der psychiatrischen Versorgung. Ein Ansatz für eine gute Versorgung: Unterstützungsangebote stärker vernetzen.
In der Praxis zählen Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) noch immer zu einer stigmatisierten Personengruppe, die vor allem durch Impulsivität, gestörtes Beziehungsverhalten und selbstverletzendes Verhalten auffällt. In der psychiatrischen Versorgung sind sie jedoch nicht selten anzutreffen. Ihr Versorgungsbedarf ist komplex. Häufig sind bei den Betroffenen zusätzliche psychische Störungen wie Substanz- und Alkoholmissbrauch, Depression, Angststörungen, Essstörungen, Traumafolgestörungen oder andere Persönlichkeitsstörungen festzustellen. Daneben leiden BPS-Patienten überdurchschnittlich häufig auch an körperlichen Beschwerden wie Kopf- oder chronischen Rückenschmerzen, Fettleibigkeit oder Arthrose. Sie leben riskant.
Karsten Giertz, M.A., Geschäftsführer des Landesverbandes Sozial-psychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e. V. beschreibt in der PflegeZeitschrift anschaulich, was Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung kennzeichnet und wie vielversprechende Therapieansätze und Unterstützung aussehen können. Und er räumt mit verbreiteten (Fehl-)Einschätzungen auf, wie beispielsweise, dass in erster Linie Frauen an BPS leiden oder dass mit BPS ein chronischer Krankheitsverlauf einhergeht. Letzteres scheint laut Langzeitstudien zumindest auf symptomebene günstiger auszusehen.
Was kennzeichnet eine Borderline-Persönlichkeitsstörung?
Nach den Kriterien der American Psychiatric Association (APA 2013) geht mit einer BPS ein „tiefgreifendes Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den Affekten sowie von deutlicher Impulsivität“ einher. Darüber hinaus gibt es neun Kriterien, von denen fünf vorliegen müssen, um eine Borderline-Persönlichkeitsstörung diagnostizieren zu können. Dazu gehören beispielsweise das verzweifelte Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden, wiederholte suizidale Handlungen, Selbstmordandeutungen oder -drohungen oder Selbstverletzungsverhalten oder auch ein chronisches Gefühl von Leere.
Komplexe Problemlagen mit Pflege als Lotse
BPS-Betroffene benötigen umfangreiche therapeutische, psychosoziale, psychiatrische und medizinische Hilfen. Als adäquate Versorgung bei den komplexen Problemlagen der Patienten plädiert Giertz eindrücklich für eine starke, sektorenübergreifende Vernetzung und die flexible Ausrichtung der einzelnen Unterstützungsangebote. Daneben ist der Ausbau von störungsspezifischen therapeutischen Kapazitäten im ambulanten Bereich nötig, denn hier ist seiner Einschätzung nach die Versorgungssituation noch zu schlecht. Die Folge: Betroffene müssen vor allem in Krisensituationen oft in die - kostenintensive – stationäre Versorgung.
In einem vernetzten System sieht Giertz die Rolle der psychiatrischen Pflege als wichtige Lotsenfunktion mit besonderem Blick auf die somatischen Gesundheitsaspekte. Dabei zentral: eine professionelle Beziehungsarbeit mit den Betroffenen. Diese erfordert ein hohes Maß an Fach- und Beziehungskompetenz sowie Stresstoleranz, Psychohygiene und Selbstreflexion. Doch innerhalb eines stützenden Milieus kann durch psychiatrisch pflegende Fachkräfte ein Prozess initiiert werden, der es den Betroffenen immer wieder ermöglicht, an Vertrauens- und Beziehungsprozesse anzuknüpfen, und korrigierende Beziehungserfahrungen zu machen, ist Giertz überzeugt. (sk)