Psychiatr Prax 2008; 35(4): 201
DOI: 10.1055/s-2008-1079311
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Edmund Neuschler (geb. 1836)

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Publication Date:
10 June 2008 (online)

 

Die Debatte um die Asylierung psychisch Kranker, die in Deutschland vor 140 Jahren einen ihrer dramatischen Höhepunkte hatte, zeichnete sich, wie in den Beiträgen der letzten drei Hefte skizziert, durch interessante neue Erkenntnisse, aber auch durch Misstrauen, Abgrenzung und interferierende Interessen ab. Der Zwiefalter Assistenzarzt Edmund Neuschler, Wunschkandidat Carl von Schäffers für die Position des Oberarztes, brachte sich auf sehr eindrucksvolle Art in diese Debatte ein: Auf Kosten des württembergischen Königshauses, als Mitglied einer Gruppe von Experten, unter ihnen Griesinger, besuchte Neuschler 1866 Gheel. Sein Bericht über die Kolonie Gheel ist äußerst präzise und mitreißend, insgesamt positiv gegenüber der Familienpflege. Implizit stellt er die möglicherweise schärfste zeitgenössische Kritik (nicht nur) der deutschen Anstaltspsychiatrie dar. In einer Passage des uns schwer zugänglichen Beitrags schrieb Neuschler in einem 18-seitigen Letter to the Editors des britischen Journal of Mental Science 1867: "[...] But yet, although Gheel does not possess handsome buildings, a beautiful view, broad parks, convenient arrangements, nor various games and amusements for the patients, I have seen more happiness and contentment in its cottages, more strength and self-possession among the insane, than in the palaces. And is it to be wondered at? Who among us that had lived for years in a public asylum has not often been filled with sympathy for the sad condition of its inmates, and for the many restrictions which they endure, not as the unavoidable consequence of their disease, but only as the result of the system of treatment to which they are subjected [...]." Nach seinem Ausscheiden in Zwiefalten 1868/69 praktizierte Neuschler in Stuttgart, wo sich seine Spur verliert. Noch 1910 erneuerte der 74-Jährige das "Doktordiplom unter Anerkennung der psychiatrischen Tätigkeit".

Dr. Thomas Müller

Email: th.mueller@zfp-weissenau.de

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