Psychother Psychosom Med Psychol 2008; 58(11): 405-406
DOI: 10.1055/s-2008-1067554
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stellenwert der Diagnostik in Psychotherapie, Psychosomatik und Medizinischer Psychologie

The Relevance of Diagnostics in Psychotherapy, Psychosomatics and Medical PsychologyHeide  Glaesmer1 , Elmar  Brähler1
  • 1Universität Leipzig, Abteilung für Medizinische Psychologie und Soziologie
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Publication Date:
31 October 2008 (online)

Dr. Heide Glaesmer

Prof. Dr. Elmar Brähler

Wird die PPmP immer mehr zu einer Diagnostikzeitschrift oder wird die Diagnostik immer wichtiger in der Psychotherapie, Psychosomatik und der Medizinischen Psychologie?

In den beiden letzten Jahren wurden in der PPmP 18 diagnostische Arbeiten publiziert. Die darauf spezialisierte Diagnostica hatte 35 Arbeiten im gleichen Zeitraum. Vielleicht ist der Markt für deutschsprachige diagnostische Arbeiten zu eng geworden, seit die Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie unter neuem Namen englisch erscheint. Es ist aber auch denkbar, dass eine zeitgemäße und qualitätvolle klinisch-psychologische Diagnostik in Zeiten der Klassifikations- und Entgeltsysteme und der wachsenden Bedeutung von Qualitätssicherung unverzichtbar wird. Sowohl in der Therapieforschung und -evaluation und der darauf aufbauenden Entwicklung evidenzbasierter Behandlungsleitlinien, als auch zur Messung relevanter Outcomeparameter in klinischen Studien und gesundheitsökonomischen Untersuchungen spielen diagnostische Instrumente heutzutage eine wichtige Rolle. Im klinischen Alltag wird die Bedeutung einer, auch psychische Störungen umfassenden Diagnostik, vor dem Hintergrund der DRGs wirtschaftlich immer wichtiger, da die Bedeutung psychischer Begleit- und Folgeerkrankungen für die Behandlungskosten inzwischen nicht mehr infrage steht [1] [2]. Mit diesen Themengebieten sind auch viele Leser unserer Zeitschrift konfrontiert, woraus sich ein verstärktes Interesse an diagnostischen Themen ableiten könnte.

Werfen wir einen Blick auf die in den beiden letzten Jahren in der PPmP publizierten Diagnostikarbeiten. Sie stellen sowohl Übersetzungen und Adaptationen englischsprachiger Instrumente für den deutschen Sprachraum [3] [4] [5] [6] [7], Normierungen [8] [9] [10], Neuentwicklungen [11] [12] [13] [14] [15] und Übersichts- und Vergleichsarbeiten [16] [17] [18] von Verfahren für Screening, Diagnosestellung und Schweregradbestimmung im Erwachsenenalter dar. Diagnostische Arbeiten zum Kinder- und Jugendbereich [19] spielen in der PPmP kaum eine Rolle. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es nur wenige deutschsprachige Neuentwicklungen gibt, sondern vor allem englischsprachige Verfahren übersetzt und adaptiert wurden. Darüber hinaus ist trotz der Menge an diagnostischen und psychometrischen Arbeiten kritisch anzumerken, dass auch häufig eingesetzte Verfahren nicht immer psychometrisch gut abgesichert und für ihren Einsatzzweck geeignet sind [20].

Auch in anderen klinischen Zeitschriften ist der Anteil der diagnostischen Arbeiten relativ hoch, zum Beispiel in der „Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie” und in der Zeitschrift „Psychotherapeut” [20]. Wir wissen jedoch nicht, wie die Leser unserer Zeitschrift den relativ hohen Anteil der diagnostischen Arbeiten in der PPmP einschätzen: Benötigen Sie die Informationen aus diesen Arbeiten? Möchten Sie lieber andere Themen im Vordergrund haben?

Unsere Zeitschrift sieht sich einer wachsenden Zahl von Manuskripteinsendungen gegenüber, sodass oft nicht alle Manuskripte mit sehr guter Qualität angenommen werden können, sich daraus aber auch die Möglichkeit der Auswahl von Arbeiten nach inhaltlichen Schwerpunkten ergibt. Hier sind die Leserinnen und Leser aufgefordert, der Schriftleitung Wünsche und Kritik am Themenspektrum mitzuteilen. Nicht zuletzt steht mit der Zeitschrift „Klinische Diagnostik und Evaluation”, die seit Januar 2008 bei Vandenhoeck & Ruprecht erscheint, ein Journal mit diagnostischem Schwerpunkt zur Verfügung.

Literatur

  • 1 Häuser W, Wilhelm-Schwenk R, Klein W. et al . Einfluss psychischer Komorbidität auf die stationäre Verweildauer internistischer Patienten im G-DRG-System.  Psychother Psych Med. 2006;  56 370-337
  • 2 Glaesmer H, Gunzelmann T, Martin A. et al . Die Bedeutung psychischer Beschwerden für die medizinische Inanspruchnahme und das Krankheitsverhalten Älterer.  Psychiat Prax. 2008;  35 187-193
  • 3 Gönner S, Leonhart R, Ecker W. Das Zwangsinventar OCI-R – die deutsche Version des Obsessive-Compulsive-Inventory-Revised.  Psychother Psych Med. 2007;  57 395-340
  • 4 Victor D, Backenstrass M, Herdtle B. et al . Zur Erfassung der depressiven Persönlichkeitsstörung.  Psychother Psych Med. 2006 a;  56 56-62
  • 5 Janke K H, Klump B, Steder-Neukamm U. et al . Validerung der Deutschen Version (Kompetenznetz „Chronisch entzündliche Darmerkrankungen”) des Inflammatory Bowel Disease Questionnaire IBDQ-D.  Psychother Psych Med. 2006;  56 291-298
  • 6 Ross T, Fontao M I, Reed V. et al . Die Beurteilung von lebenspraktischen Fertigkeiten forensisch-psychiatrischer Patienten mit dem BEST-Index.  Psychother Psych Med. 2007;  57 298-305
  • 7 Victor D, Sakado K, Mundt C. et al . Psychometrische Evaluation der deutschen Version des Temperamentsfragebogens TEMPS-A.  Psychother Psych Med. 2006 b;  56 70-77
  • 8 Hinz A, Klaiberg A, Brähler E. et al . Der Lebensqualitätsfragebogen EQ-5D: Modelle und Normwerte für die Allgemeinbevölkerung.  Psychother Psych Med. 2006;  56 42-48
  • 9 Albani C, Blaser G, Geyer M. et al . Validierung und Normierung des „Fragebogen zur Erfassung des körperlichen Wohlbefindens” (FEW-16) von Kolip und Schmidt an einer repräsentativen deutschen Bevölkerungsstichprobe.  Psychother Psych Med. 2006;  56 172-181
  • 10 Grulke N, Bailer H, Schmutzer G. et al . Normierung der deutschen Kurzform des Fragebogens „Profile of Mood States” (POMS) anhand einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe – Kurzbericht.  Psychother Psych Med. 2006;  56 403-405
  • 11 Maurischat C, Battlehner J, Härter M. Entwicklung und Psychometrie des „Freiburger Fragebogens – Stadien der Veränderungsbereitschaft bei Tinnitus” (FF-STATI).  Psychother Psych Med. 2006;  56 406-413
  • 12 Albani C, Schmutzer G, Blaser G. et al . Die Entwicklung einer Kurzversion (U-Bogen-24) des Unsicherheitsfragebogens von Ullrich und Ullrich de Muynck.  Psychother Psych Med. 2006;  56 118-127
  • 13 Goetzmann L, Klaghofer R, Spindler A. et al . Die „Medikamenten-Erfahrungs-Skala für Immunsuppressiva” (MESI) – erste Ergebnisse zu einem neuen Screeninginstrument in der Transplantationsmedizin.  Psychother Psych Med. 2006;  56 49-55
  • 14 Winkler I, Matschinger H, Angermeyer M C. Der WHOQOL-OLD: Ein Fragebogen zur interkulturellen Erfassung der Lebensqualität im Alter.  Psychother Psych Med. 2006;  56 63-69
  • 15 Hardt J, Egle U T, Brähler E. Die Symptom-Checkliste-27 in Deutschland.  Psychother Psych Med. 2006;  56 276-284
  • 16 Röhrig B, Schleußner C, Brix C. et al . Die Resilienzskala (RS): Ein statistischer Vergleich der Kurz- und Langform anhand einer onkologischen Patientenstichprobe.  Psychother Psych Med. 2006;  56 285-29
  • 17 Mehnert A, Lehmann C, Cao P. et al . Die Erfassung psychosozialer Belastungen und Ressourcen in der Onkologie – Ein Literaturüberblick zu Screeningmethoden und Entwicklungstrends.  Psychother Psych Med. 2006;  56 462-479
  • 18 Krajinovic L, Mühlhans B, Horbach T. et al . Erfassung der Psychopathologie von Essstörungen bei adipösen Patienten vor Magenbandoperation: Interview oder Selbstbeurteilungsverfahren?.  Psychother Psych Med. 2007;  57 237-241
  • 19 Schacht M, Richter-Appelt H, Schimmelmann Graf B. Der Fragebogen zur Eltern-Kind-Beziehung für Kinder: Grundlagen und erste Ergebnisse.  Psychother Psych Med. 2007;  57 136-144
  • 20 Petermann F, Glaesmer H, Schüßler G. Evidenzbasierung in der klinisch-psychologischen Diagnostik: Eine aktuelle Analyse der Publikationen in drei deutschsprachigen Zeitschriften.  Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. 2008, in press; 

Dr. Heide Glaesmer

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