Psychother Psychosom Med Psychol 2008; 58(6): 227
DOI: 10.1055/s-2008-1067431
Editorial

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Gibt es gute und schlechte Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen?

Are there Good and Bad Psychotherapists?Franz  Caspar1
  • 1Universität Bern
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Publication Date:
27 May 2008 (online)

Prof. Dr. Franz Caspar

Die Person des Therapeuten hat keinen Einfluss auf das Therapieergebnis - so will es die Logik der Randomisierten Klinischen Studien. Ein Produkt kann nur dann als wirksames Standardprodukt verkauft werden, wenn der Einfluss der Person des Anwenders gegen Null geht. Anwendungskompetenz darf verlangt werden, dazu dienen Schulung und Supervision, aber darüber hinaus sollten Merkmale wie die Therapeutenpersönlichkeit keinen Einfluss haben. Tatsächlich erbrachte eine Welle der Forschung zu Persönlichkeitseinflüssen vor mehreren Jahrzehnten kaum Ergebnisse. Dies trug zu einem Niedergang der Therapeutenforschung bei.

Ganz ausgestorben ist sie nicht. Eine Gruppe um Orlinsky studierte die Sicht, die Therapeuten selber von ihrer Entwicklung haben. Skovholt untersuchte „peer nominated” (von ihren Kollegen als solche benannte) „Meistertherapeuten” und fand u. a., dass diese multiple Rollen pflegen, also nicht nur therapeutisch tätig sind. Caspar (1997) fand in der Hypothesenbildung von Psychotherapeuten enorm große interindividuelle Unterschiede, die nur zum kleinen Teil durch Erfahrung oder Orientierung erklärbar waren: Es ist wenig plausibel, dass so unterschiedliche Arten, mit Informationen umzugehen, alle optimal sind. Diese und weitere Studien erbrachten interessante Ergebnisse, schlossen aber keine Outcome-Daten ein und waren damit nicht auf eine Beantwortung der Frage, ob es gute und schlechte Therapeuten gibt, angelegt. Diese Frage blieb unbeantwortet.

Einige neuere Studien setzen daran an: Elkin beschrieb Unterschiede in der berühmten NIMH-Depressions-Studie, ging dabei v. a. auch auf Schwierigkeiten des Auseinanderdividierens von Therapeuten- und Methodenvarianz ein. Luborsky et al. (1997) fanden konsistente Unterschiede in den Effekten, die Psychotherapeuten hervorbrachten. Okiishi et al. (2003) fanden in einer Ausbildungsinstitution enorme Unterschiede zwischen Therapeuten, die über verschiedene Patienten hinweg konstant gute und solchen, die im Durchschnitt negative Effekte erzielten. Lutz et al. (2007) fanden über eine große Zahl von Therapeuten in normaler klinischer Praxis sehr große, konstante Unterschiede. Interessant ist eine Beobachtung von Howard: Therapeuten, die bei schwierigsten Patienten gute Leistungen erbrachten, unterschieden sich bei einfacheren Patienten keineswegs positiv vom Rest. Beutler et al. (2003) fanden in einer Überblicksarbeit eigentlich erstaunlich wenig konsistente Unterschiede. Aus den Befunden: Weibliche Therapeuten zeigen leicht bessere Effektstärken. Das „well being” von Therapeuten korrelierte je nach Studie zu r = 0 bis 0,71 mit den Effekten. Initiale Unähnlichkeit in den Werten von Patient und Therapeut scheint (erstaunlicherweise?) eher günstig (r = 0,01 bis 0,84). Insgesamt ein vielfältiges und auf engem Raum natürlich nicht referierbares Bild. Plausibel ist aber insgesamt, dass es bei allen Unterschieden zwischen Therapien eines Therapeuten, z. B. in Abhängigkeit von Störung und interpersonalen Merkmalen von Patienten, konstant bessere und schlechtere Therapeuten gibt, was immer genau die Beurteilungskriterien.

Daran knüpfen sich interessante Fragen: Ist es ethisch vertretbar, Therapeuten, die für ihre schlechten Ergebnisse bekannt sind oder die im Rahmen von Qualitätssicherungsmaßnahmen identifizierbar wären, auf immer neue Patienten loszulassen, wenn ein negatives Therapieergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden kann? Welche Therapeutenmerkmale sind bei geeignetem Training einschließlich Supervision und Selbsterfahrung günstig beeinflussbar? Auf welche müsste bereits bei der Auswahl von Kandidaten vermehrt geachtet werden? Dieser Frage wird eines der nächsten Editorials gewidmet sein. Fazit an dieser Stelle: Bereits heute spricht viel dafür, dass die Person des Therapeuten für das Gelingen einer Therapie eine entscheidende Rolle spielen kann. Sie trauen den Forschungsergebnissen nicht? Würden Sie für sich selber oder ihre Liebsten die Entscheidung für einen Psychotherapeuten v. a. davon abhängig machen, ob er den richtigen technischen Ansatz vertritt und der Person kaum Beachtung schenken? Eben!

Literatur auf Anfrage beim Autor.

Prof. Dr. Franz Caspar

Leiter Abt. Klinische Psychologie und Psychotherapie Universität Bern

Gesellschaftsstr. 49

3012 Bern, Schweiz

Email: caspar@psy.unibe.ch

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