Der Klinikarzt 2008; 37(2): 55
DOI: 10.1055/s-2008-1062689
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Eine Abkürzung kann manchmal eine Sackgasse sein

A. Weizel
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Publication Date:
29 February 2008 (online)

Therapieergebnisse werden heute am Ideal der evidenzbasierten Forschung mit klinischen Endpunktstudien gemessen. Diese sind aufwendig, langfristig anzulegen und daher teuer, das Ergebnis ist ungewiss. Allein die wegen Nebenwirkungen abgebrochenen Studien zu den CETP-Hemmern haben den Hersteller schätzungsweise etwa 800 Millionen Dollar gekostet. Als Ausweg aus dieser Problematik bieten sich scheinbar Studiendesigns an, die statt an klinischen Endpunkten an Surrogatparametern ausgerichtet sind - ein Vorgehen, das vor allem in der Atheroskleroseforschung in letzter Zeit immer Verwendung findet. Anstelle koronarer Ereignisse wurden die Parameter 'Intima-Media-Dicke' (IMD) oder die Anatomie der Plaques herangezogen. Der Vorteil dieser Untersuchungen: Sie sind eindeutig weniger aufwendig und damit kostengünstiger.

Die meisten dieser Studien wurden mit Statinen durchgeführt. Dabei ließen sich mit intrakoronaren Ultraschalluntersuchungen (IVUS) teilweise Regressionen der atherosklerotischen Veränderungen im Koronarsystem nachweisen, wenn die LDL-Cholesterin-Konzentrationen deutlich unter 100 mg/dl gesenkt wurden (ASTEROID[1]). Methodisch einfacher sind Untersuchungen, die sich an dem Surrogatparameter 'Intima-Media-Dicke' ausrichten. Epidemiologische Daten hatten mit zunehmender Intima-Media-Dicke eine Zunahme des Auftretens von koronaren Ereignissen dokumentiert. Die Studienergebnisse mit Fibraten und Statinen ergaben allerdings trotz einer teilweise massiven Senkung der Lipidkonzentration ein uneinheitliches Bild, das von einer Progression über einen Stillstand bis zur Regression der Intima-Media-Dicke reicht. Möglicherweise hängen die uneinheitlichen Ergebnisse nicht nur mit einem unterschiedlichen Ausmaß der Lipidsenkung zusammen, sondern auch vom Ausgangswert der Intima-Media-Dicke ab. Die Wertigkeit dieser Methode stand auch im Zusammenhang mit der ENHANCE[2]-Studie wieder im Mittelpunkt der Diskussion. Hier war bei Patienten mit heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie, trotz massiver Senkung ihrer LDL-Cholesterinspiegel, nach zwei Jahren keine Beeinflussung der Intima-Media-Dicke zu sehen. Klinische Endpunkte gab es leider nicht.

Fasst man die Ergebnisse der Untersuchungen mit den genannten Surrogatparametern zusammen, lässt sich Folgendes schlussfolgern: Beide Ansätze sind von der Methodik her angreifbar und die Studienergebnisse sind zwischen verschiedenen Zentren nicht unbedingt vergleichbar. Die Beziehung der nachgewiesenen Veränderungen zu der Zahl der koronaren Ereignisse ist bisher rein epidemiologischer Natur. Daten, die belegen, dass morphologische Verbesserungen an den Koronarien oder Karotiden mit einer Veränderung der klinischen Parameter einhergehen, gibt es nicht.

Die Bestimmung von Surrogatparametern ist daher wahrscheinlich eine Sackgasse, die letztendlich keine Aussage über die Wirkung von therapeutischen Eingriffen auf den Verlauf der koronaren Herzerkrankung (KHK) erlaubt. Gut geplante klinische Untersuchungen mit einem klaren Therapiekonzept und harten klinischen Endpunkten wie Tod oder die Zahl der koronaren Ereignisse können sie offensichtlich nicht ersetzen, sodass wir uns - im Interesse der Gesundheit unserer Patienten - wohl mit einem höheren personellen und finanziellen Aufwand in der Studienplanung abfinden müssen.

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1 A Study To evaluate the Effect of Rosuvastatin On Intravascular ultrasounD

2 ezetimibe and simvastatin in hypercholesteremia ENHANCEs atherosclerosis regression

Prof. Dr. A. Weizel

Mannheim

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