Zahnmedizin up2date 2008; 2(6): 503
DOI: 10.1055/s-2008-1039173
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Bernd Reitemeier
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Publication Date:
01 December 2008 (online)

die Zahnmedizin steht wie kaum eine andere medizinische Disziplin im öffentlichen Interesse – sie ist auch im doppelten Sinne in aller Munde.

In den vergangenen Jahren haben in unserem Fachgebiet ästhetische Aspekte einen zunehmend größeren Stellenwert erhalten. Die ästhetisch-physiognomische Funktion ist integrativer Bestandteil der Funktionswiederherstellung im orofazialen System.

Davon eindeutig zu differenzieren sind die ebenfalls patientenseitig zunehmenden Wünsche für kosmetische Anliegen, wie uns dies z. B. von verschiedenen Formen adhäsiv befestigten Zahnschmucks bekannt ist. Wir müssen daher die medizinische Verantwortung unseres Berufsstandes hervorheben, die die Zahnmedizin als medizinische Disziplin zu tragen hat.

Immer stärker weisen Entwicklungen und Forschungsergebnisse auf Zusammenhänge zwischen den verschiedenen medizinischen Disziplinen hin. Die Zahnmedizin ist also integrativer Bestandteil der medizinischen Gesamtbetreuung und muss künftig viel umfangreicher als bisher interdisziplinär denken und handeln. Dies betrifft Kontakte verschiedener zahnmedizinischer Fachvertreter mit unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten. Andererseits ist die Interdisziplinarität ein Erfordernis des Arbeitsalltags im Kontakt zu Vertretern anderer medizinischer Disziplinen.

Ein Beispiel stellt die interdisziplinäre Betreuung von Patienten mit Tumoren der Mundhöhle und des Oropharynx dar. Die Häufigkeit dieser Tumorlokalisation und Komplikationen, wie z. B. infizierte Osteoradionekrosen fordern beispielsweise die Verknüpfung der Betreuung von der Seite der Zahnmedizin und der Strahlentherapie. Dies ist exemplarisch in der vorliegenden Ausgabe Zahnmedizin up2date nachzulesen.

Ein anderes Beispiel betrifft die demografische Entwicklung. Die Zahl betagter und hochbetagter Menschen nimmt enorm zu. Diese Patienten weisen behandlungsrelevante Allgemeinerkrankungen auf, nehmen oftmals viele Medikamente ein und müssen zum Teil unter den schwierigen Bedingungen stationärer Altenpflege betreut werden. Auch dies führt zwangsläufig vermehrt zu interdisziplinärer Betreuung.

Weitere Beispiele lassen sich für diese Zusammenarbeit anführen:

Viele Bezüge werden zwischen entzündlichen parodontalen und allgemeinen Erkrankungen wie z. B. des Herz-Kreislauf-Systems dargestellt. Auch die Diagnostik und Therapie der sogenannten Materialunverträglichkeitsreaktionen sind erfolgreich nur interdisziplinär lösbar. Die zunehmende Zahl organtransplantierter Patienten ist nur ein Beispiel für die Zusammenarbeit unter besonderer Berücksichtigung immunologischer Aspekte. Auch intraorale Auswirkungen von Essstörungen bzw. von beruflichen Einflussfaktoren sind innerhalb der Zahnmedizin allein nicht korrekt zu therapieren.

Diese Beispiele könnten in großer Zahl fortgesetzt werden. Den ZahnMediziner kennzeichnet eine medizinisch-interdisziplinäre Denk- und Handelsweise. Unsere medizinische Verantwortung besteht darin, dass wir uns in die interdisziplinäre medizinische Diagnostik und Therapie einbringen, indem wir zahnmedizinische Risikofaktoren erkennen und behandeln. Diesen Gedanken sind wir umso mehr verpflichtet, weil im Ausbildungsgang Medizin eine zahnmedizinische Ausbildung unverständlicherweise gegen Null geht.

Lassen Sie uns die kollegiale Zusammenarbeit innerhalb der Zahnmedizin und im Kontakt mit den medizinischen Fachkollegen zum Vorteil unserer Patienten pflegen.

Prof. Dr. med. dent. Bernd Reitemeier
Mitherausgeber der Zahnmedizin up2date

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