Pneumologie 2008; 62(1): 55
DOI: 10.1055/s-2007-993035
Leserbrief
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Tuberkulose und Kunst

Tuberculosis and ArtN.  Konietzko
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Publication Date:
14 January 2008 (online)

Pneumologie 2007; 61: 99 - 104

Bei aller Sympathie für den Autor ist es unumgänglich, einige Angaben in dem erwähnten medizinhistorischen Artikel, der auf etlichen Quellen basiert, zu korrigieren.

So ist Igor Strawinski, der von 1882 bis 1971 lebte und das mehr als biblische Alter von fast 89 Jahren erlebte, kein Opfer der Tuberkulose geworden. An Tuberkulose erkrankte Strawinskis erste Frau Ekaterina, die er daraufhin verließ.

Der Maler Kirchner trug nicht den Vornamen Karl; seine Vornamen lauteten Ernst Ludwig. Zwar lebte Kirchner von 1917 bis zu seinem Tode 1938 in Davos, litt aber nicht an Tuberkulose, so dass ihm diese Krankheit auch nicht „zum Schicksal” wurde. Sein Freitod im Juni 1938 beruhte auf einem schweren, vermutlich wahnhaften, depressiven Syndrom, das vermutlich (man weiß es nicht genau) auf den angestrebten Entzug des von ihm jahrelang konsumierten Opiat-Analgetikums Eukodal zurückzuführen war.

Das Sanatorium, in dem Katia Mann vom März bis September 1912 betreut wurde, war das Waldsanatorium Davos (so die offizielle Bezeichnung). Es war erst ein Jahr zuvor, also 1911, eröffnet worden und war ein Jahr später noch nicht „renommiert”. Mit dem in der Nachbarschaft gelegenen Hotel Belvedere (dem heutigen „Steigenberger Hotel”, das nicht die Zusatz-Bezeichnung „Bellevue”, sondern immer noch „Belvedere” trägt,) hat das ehemalige Waldsanatorium nichts zu tun. Die Nachfolgeinstitution des Waldsanatoriums trug vorübergehend den Namen „Waldhotel Bellevue”; nach kürzlich erfolgter Renovation wird das Haus als „Waldhotel Davos” bezeichnet.

Mir scheint empfehlenswert, auch in medizinhistorischen Arbeiten Ausführungen, die literarische Werke betreffen, nicht nur durch Kursivschrift hervorzuheben, sondern auch mit Quellenangaben zu versehen. Als Beispiel sei der kursiv gesetzte Text im Abschnitt über den Roman „Der Zauberberg* auf Seite 100 angeführt. Dort heißt es und es bezieht sich auf Thomas Mann:

Er, der Besucher, wird wegen eines banalen Luftröhrenkatarrhs vom Chefarzt Dr. Jessen untersucht und erhält den Rat, klug zu sein und gleichfalls ein halbes Jahr dort Kur zu machen. Beim Dichter setzt sich der „profitlich lächelnde Doktor” allerdings nicht durch!”

Das ist in indirekte Form gesetzte, vereinfachte (und keineswegs verschönte) Aussage des Dichters selbst, für die zwei unterschiedliche Quellen anzugeben sind. In der „Einführung in den Zauberberg” (Th. Mann, Ges. Werke; Frankfurter Ausgabe 1974; S. 605) gibt der Dichter von sich: „Ich befand mich etwa zehn Tage dort oben, als ich mir … einen lästigen Katarrh der oberen Luftwege zuzog. .... und so schloss ich mich denn meiner Frau an, die gerade zur Untersuchung befohlen worden war. Der Chef, der, wie Sie sich denken können, meinem Hofrat Behrens in Äußerlichkeiten ein wenig ähnlich sah, beklopfte mich und stellte mit größter Schnelligkeit eine so genannte Dämpfung, einen kranken Punkt an meiner Lunge fest, … Der Arzt versicherte mir, ich würde sehr klug handeln, mich für ein halbes Jahr hier oben in die Kur zu begeben, und wenn ich seinem Rat gefolgt wäre, wer weiß, vielleicht läge ich noch immer dort oben. Ich habe es vorgezogen, den >Zauberberg< zu schreiben, ....”

Der andere Teil der Aussage entstammt einem Brief Thomas Manns vom 27.5.1912 (aus Davos) an Hans von Hülsen, dem er berichtet, dass er seiner Frau in Davos Gesellschaft leiste, aber in der Höhe etwas Fieber bekam, „so dass der Professor mich schon profitlich lächelnd für offenbar etwas tuberkulös und einer längeren Kur bedürftig erklärte.”

Wenn möglich, scheint mir, sollte der Autor selbst zu Wort kommen. Der „Originalton” ist nicht nur korrekter, sondern auch erhellender und amüsanter.

In verschiedener Hinsicht verwirrend ist die Aussage des Verfassers über Schiller. Ich zitiere:

„Sein Resümee nach über 14 Jahren des Leidens: „Es ist der Geist, der sich den Körper baut.”

Die Formulierung lässt den unbefangenen Leser den Eindruck gewinnen, der Geist habe sich den kranken Körper geschaffen. Gemeint ist (Pardon!), dass Schillers heroische Geistesarbeit über den kranken Körper triumphierte. Doch darüber hinaus sind diese Worte kein Resümee des Dichters, sondern Worte Schillers aus dem 1799 vollendeten WALLENSTEIN (Wallensteins Tod, III, 13), die er dem Titelheld im Monolog, der den Auftritt umfasst, in den Mund legt.

Diese „Richtigstellung” oder Ergänzung soll nicht besagen, dass der Artikel generell nicht lesenswert sei.

Prof. Dr. med. Christian Virchow Sen.

Aussergasse 18a

7494 Wiesen bei Davos/GR

Schweiz

Email: virchowsen@freesurf.ch

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