Aktuelle Ernährungsmedizin 2008; 33(2): 80-81
DOI: 10.1055/s-2007-986412
Kommentar

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Maligne Tumoren - Transketolase-like 1 (TKTL 1) - Ketogene Diät

Malignant Tumors - Transketolase-like 1 (TKTL 1) - Ketogenic DietJ.  Arends1
  • 1Klinik für Tumorbiologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
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Publication Date:
26 March 2008 (online)

Fortgeschrittene Tumore zeigen gegenüber gesunden Zellen eine um bis zu 30-fach erhöhte Glukoseaufnahme (visualisierbar im 18F-FDG-PET) und produzieren erhebliche Mengen an Laktat. Eine gleichzeitig durch die onkogene Kinase Akt vermittelte Blockierung der mitochondrialen Fettsäureoxidation (β-Oxidation) verhindert die Nutzung alternativer Substrate zur Energiegewinnung bei reduziertem Glukoseangebot. Es konnte gezeigt werden, dass Tumore mit zunehmender Aggressivität auch zunehmend stärker von Glukose als Energiequelle abhängen [1] [2] [3]. Diese Beobachtungen gaben Anlass, eine strenge Limitierung der Glukosezufuhr mit der Nahrung in Form einer sehr kohlenhydratarmen, extrem fettreichen, ketogenen Diät als therapeutischen Ansatz bei malignen Tumoren in Erwägung zu ziehen. Dieser Ansatz erfordert aber genauere Betrachtungen der bisher vorliegenden Befunde und ihrer Umsetzbarkeit in die klinische Praxis.

Eine Behinderung des Glukoseabbaus kann das Tumorwachstum reduzieren und Apoptose in Tumorzellen auslösen [4]. In vitro und im Tierexperiment lassen sich mit einer Hemmung der Glukosephosphorylierung [5] [6] [7] Tumorzellen abtöten. Besonders eindrucksvoll ist, dass sich über eine Glykolysehemmung auch Tumorzellen abtöten lassen, bei denen eine Chemotherapieresistenz vorliegt [8].

Es erscheint plausibel, dass die Veränderungen im metabolischen Muster maligner Zellen einem vorformatierten Pfad folgen wie er auch in hypoxischen Gewebezonen physiologisch genutzt wird [9]. Der Subtyp TKTL1 (Transketolase-like 1) einer Transketolase mit Schlüsselstellung im Pentosephosphatzyklus findet sich in malignen Zellen häufig überexprimiert. Die Expression korreliert mit der Tumoraggressivität und der Prognose bei betroffenen Patienten [10]. Der Nachweis einer TKTL1-Überexpression im Tumorgewebe wurde deshalb als Indikator für den „metabolic switch” zur Glukosegärung postuliert.

Falls sich mit einem solchen metabolischen Umschlagen tatsächlich eine Glukoseabhängigkeit im Tumorgewebe entwickelt, so wäre ein möglicher therapeutischer Ansatz die strikte Limitierung der Glukose- und Kohlenhydratzufuhr über die Nahrung [11]. Um eine Mangelernährung zu verhindern muss diese Kost normokalorisch sein sowie einen ausreichenden Gehalt an Eiweiß, Elektrolyten und Mikronährstoffen aufweisen. In Form einer sogenannten „ketogenen Diät” werden diese Ernährungsprinzipien seit etwa 80 Jahren bei Kindern zur Behandlung von pharmakoresistenten Epilepsien eingesetzt.

Als ketogene Diät bezeichnet man eine individuell berechnete, äußerst kohlenhydratarme, protein- und kalorienbilanzierte und daher sehr fettreiche Ernährung, die nur unter ärztlicher Leitung durchgeführt werden darf. Sie imitiert den metabolischen Zustand des Fastens. Im Fasten dienen Ketonkörper aus dem körpereigenen Fettabbau als Energiequelle - daher der Begriff „Ketose”. Die ketogene Diät erreicht diese Ketose durch die Bereitstellung eines sehr hohen Anteils an Nahrungsfett und verhindert so den Abbau des Körperfetts. Sie definiert sich durch ein festes Verhältnis (z. B. 4 : 1; Gewichtsanteile) von Fett zu „Nichtfett” (Kohlenhydrate und Eiweiß). Die antikonvulsiven Mechanismen der ketogenen Diät sind vielfältig untersucht, jedoch letztlich wie für viele Antikonvulsiva ungeklärt [12].

Eine ketogene Diät darf nur unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt werden. Voraussetzungen sind neben einer klaren Indikation und dem Ausschluss von Kontraindikationen ein ausführliches Aufklärungsgespräch und eine Ernährungsanamnese sowie ein ausführlicher internistischer Status. Die ketogene Diät erfordert im Team eine Diätassistentin, die stationäre Einleitung der Diät mit Versorgung durch eine Diätküche sowie die regelmäßige ambulante Weiterbetreuung der Patienten.

Kritisch ist anzumerken, dass unklar ist, wie weit Blutglukose- oder Insulinspiegel gesenkt werden müssen, um negative Wirkungen auf Tumorzellen zu erreichen. Eine Vielzahl von Daten [13] [14] [15] [16] [17] belegt, dass Tumorzellen Glukosetransporter überexprimieren, die ihre halbmaximale Aktivität bereits im niedrigen Glukosebereich um und unter 2 mM (18 mg/dl) erreichen (GLUT1, GLUT3). Es ist deshalb möglich, dass eine Glukoseabsenkung unter physiologischen Bedingungen nicht ausreicht, um die Glukoseversorgung maligner Zellen zu gefährden.

Vor einer wissenschaftlichen Klärung dieser Zusammenhänge erscheint eine unkritische Befürwortung einer ketogenen Diät als antitumorale Therapie unredlich und unsolide, insbesondere, da mögliche unerwünschte Wirkungen in der Situation einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung nicht ausgeschlossen werden können. Das Ergebnis entsprechender klinischer Prüfungen sollte deshalb unbedingt abgewartet werden.

Literatur

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Dr. med. Jann Arends

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