Dtsch Med Wochenschr 2007; 132(9): 463-464
DOI: 10.1055/s-2007-970359
Korrespondenz | Correspondence
Kurze Mitteilung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Funkärztliche Beratung bei medizinischen Notfallsituationen in der Kauffahrteischifffahrt

C. W Flesche, A. Jalowy
Further Information

Publication History

Publication Date:
21 February 2007 (online)

Einleitung

Die medizinische funkärztliche Beratung von Schiffen in See kann in Deutschland (Medico Cuxhaven) mittlerweile auf eine über 75-jährige Geschichte zurückblicken [2]. Diese Institution ist damit auch weltweit eine der ältesten und traditionsreichsten Einrichtungen dieser Art, die nach heutigem, modernem Verständnis Telemedizin betreiben. Historisch waren die Voraussetzung für eine erfolgreiche Übermittlung von Nachrichten von See an Land und umgekehrt, die Erfindungen von Marconi und Braun. Ende des 19. Jahrhunderts führten Braun und dessen Mitarbeiter die hierfür notwendigen Versuche und Entwicklungen in Cuxhaven durch, beendeten damit die absolute Einsamkeit von Schiffsbesatzungen in See und legten gleichzeitig den Grundstein für telemedizinische Hilfeleistung vom Standort Cuxhaven [5].

In neuerer Zeit werden mit der fortschreitenden Entwicklung in den Bereichen der Kommunikationselektronik und Telematik, zunehmend und auf breiter Bahn telemedizinische Konzepte entwickelt und diskutiert. Im Bereich der maritimen Telemedizin stellt funkärztliche Beratung die einzige, praktikable Möglichkeit dar, weltweit und über Zeiträume von mehreren Tagen bis Wochen ärztlichen Sachverstand und konkrete Anleitung zur medizinischen Hilfe zum Patienten an Bord zu bringen [3]. Bis auf Kreuzfahrtschiffe, Forschungs- und wenige andere Schiffe gibt es bei über 95 % der sog. Kauffahrteischiffe (Besatzungsstärke in der Regel < 25) keine Schiffsärzte mehr [1] [6]. Am 30.04.2006 kontrollierten etwa 390 deutsche Reedereien 2828 Handelsschiffe (deutsche und fremde Flagge). Deutschland belegt damit sowohl nach Anzahl gemanagter Schiffe als auch nach deren Tragfähigkeit den 3. Platz als eine der weltweit führenden Schifffahrtsnationen (6,9 % der Welthandelsflotte und 7 % der Welttonnage). Nach der Flaggenführung nimmt die nationale deutsche Handelsflotte mit 1 % (588) der Schiffe der Welthandelsflotte allerdings nur einen der hinteren Ränge ein. Deutsche Reeder führen die weltweit größte Containerschiffsflotte mit 1157 Containerschiffen, d. h. gut 33 % aller Containerschiffe mit gut 32 % der weltweiten Containerkapazitäten.

Bei Betrachtung der Aufgaben von Medico Cuxhaven ist anzumerken, dass die weltweite, 24-stündige, notfallmedizinische Hotline zur direkten und sofortigen Beratung und Telemedizin durch in der maritimen Notfallmedizin erfahrene Fachärzte nur einen Teil der Aufgaben darstellt. Neben der fachärztlichen Beratungsmöglichkeit und der Bearbeitung von Behandlungs- und Evakuierungsmaßnahmen im Notfall stehen heute auch ein Repatriierungs- und medizinisch/ärztlicher Begleitservice, ein allgemein-/reisemedizinischer Beratungsservice sowie weltweite Gesundheits- und impfmedizinische Beratung zu Verfügung. Der Funkarzt stellt heute in vielen Fällen den (Ersatz-)Hausarzt des Berufsseemanns dar, wie aus der Breite des Spektrums medizinischer Anfragen zu ersehen ist (im Jahr 2006: Chirurgie 41%, Innere 27%, Urogenitalbereich 6%, Augen 5%, HNO 3%, Haut 3%, Zähne 2%, Reanimation 1%, sonstige Beratungen 6%). Hierbei liegen die häufigsten medizinischen Probleme in den medizinischen Bereichen akute Verletzungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Magen-Darm-Erkrankungen. Entsprechend erreichen medizinische Anfragen und Notfallanrufe Medico Cuxhaven täglich etwa ein- bis zweimal, bei laufenden Beratungsfällen steht der Dienst etwa zweimal am Tag mit einem Schiff in Kontakt, allgemeine Informationsanfragen erfolgen etwa vier bis sechsmal pro Woche von allen Ozeanen dieser Welt (Abb. [1]).

Abb. 1 Verteilung der Anfragen funkärztlicher Beratung nach Seegebieten im Jahr 2006.

Literatur

  • 1 Dahl E. Medical practice during a world cruise: a descriptive epidemiological study of injury and illness among passengers and crew.  Int Marit Health. 2005;  56 115-128
  • 2 Flesche C W, Jalowy A, Inselmann G. Telemedizin in der Hochseeschifffahrt - Hightech aus Tradition.  Med Klin. 2004;  99 163-168
  • 3 Flesche C W, Koch P. History, Current Practice and Future Perspectives of the German Telemedical Maritime Assistance Service (TMAS) „Medico Cuxhaven”.  Eur J Med Res. 2002;  (Suppl I) 7) 25-26
  • 4 Flesche C W. Erste-Hilfe-Hinweise durch Leitstellendisponenten.  Rettungsdienst. 1996;  19 22-23
  • 5 Hechtel D. Das Ende der Einsamkeit - Zur Geschichte der Kommunikation auf See 2005;. Convent Verlag GmbH Hamburg
  • 6 Jensen O C, Bo Boggild N, Kristensen S. Telemedical advice to long-distance passenger ferries.  J Travel Med. 2005;  12 254-260

Dr. Christian W. Flesche
Dr. Andreas Jalowy

Klinik AINS - Medico Cuxhaven, Krankenhaus Cuxhaven

Altenwalder Chaussee 10

27474 Cuxhaven

Phone: 04721/781501

Fax: 04721/783915

Email: christian.flesche@skh-cux.de

    >