Dtsch Med Wochenschr 1998; 123(19): 594-596
DOI: 10.1055/s-2007-1024025
Kasuistiken

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neurologische Ursache einer respiratorischen Insuffizienz

Respiratory failure as the first manifestation of amyotrophic lateral sclerosisS. Ries, J. C. Wöhrle, Irene Samman, K. Huck
  • Neurologische Klinik (Direktor: Prof. Dr. M. Hennerici) und Medizinische Klinik (Direktor: Prof. Dr. G. Ertl) der Universität Heidelberg am Klinikum Mannheim
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Publication Date:
25 March 2008 (online)

Zusammenfassung

Anamnese und klinischer Befund: Bei einem 73jährigen Patienten war es binnen 24 Stunden zu einer progredienten Atemstörung gekommen, die noch in der Notaufnahme zur Beatmungspflichtigkeit führte. Die Ursache der Dys- und Tachypnoe konnte durch die klinisch-internistische und klinischneurologische Untersuchung nicht geklärt werden, so daß initial neben einer kardiopulmonalen Genese auch eine neuromuskuläre Erkrankung und eine zerebrale Genese der Atemstörung differentialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden mußten.

Untersuchungen: Weder die klinisch-chemischen Befunde noch die internistische Zusatzdiagnostik (Röntgenaufnahme des Thorax, Echokardiographie) ergaben einen richtungweisenden Befund. Ein fokaler zerebraler oder spinaler Prozeß wurde ebenso wie eine Raumforderung im Bereich der Nervi phrenici durch eine Magnetresonanztomographie bzw. eine Computertomographie ausgeschlossen. Die initialen elektrophysiologischen Untersuchungen konnten die Verdachtsdiagnose einer neuromuskulären Erkrankung nicht unterstützen. Erst im weiteren Verlauf der Erkrankung wurden die klinischen Zeichen einer Irritation des oberen Motoneurons und bei einer erweiterten elektrophysiologischen Untersuchung unter Einschluß der Atemmuskulatur eine Läsion des unteren Motoneurons festgestellt. Damit war die Diagnose einer amyotrophen Lateralsklerose gesichert.

Therapie und Verlauf: Der Patient konnte unter einer symptomatischen Therapie mit Pyridostigmin partiell vom Respirator entwöhnt werden, so daß eine intermittierende Heimbeatmung möglich wurde.

Folgerung: Bei einer akuten Ateminsuffizienz ohne kardiopulmonale Ursache muß an eine Motoneuronerkrankung mit schwerpunktmäßiger Erstmanifestation im Bereich der Atemmuskulatur gedacht werden, auch wenn initial hierfür klinisch keine Hinweise zu erkennen sind. Für die Diagnosestellung kann ein über die Routineuntersuchungen hinausgehendes elektrophysiologisches Untersuchungsprotokoll notwendig sein.

Abstract

History and clinical finding: A 73-year-old man developed progressive respiratory failure within 24 hours, requiring emergency admission for mechanical ventilation. The cause of the dyspnoea and tachypnoea could not be ascertained by routine medical and neurological examination. Neuromuscular disease or a cerebral lesion was considered in the differential diagnosis, together with a cardiovascular cause.

Investigations: Neither laboratory tests nor additional investigations (chest radiogram, echocardiography) gave a diagnosis. Magnetic resonance imaging and computed tomography excluded a focal cerebral or spinal lesion or a space-occupying lesion in the region of the phrenic nerve. An electrophysiological tests (EPT) failed to establish a neuromuscular disease. However, when signs of upper motor neurone irritation appeared, more detailed EPTs, also of the muscles of breathing, provided the diagnosis of amyotrophic lateral sclerosis (ALS).

Treatment and course: Symptomatic treatment with pyridostimine made it possible gradually to wean the patients off the ventilator so that he could be sent home on intermittent mechanical ventilation.

Conclusion: In case of acute respiratory failure without cardiopulmonary cause motoneurone disease with initial involvement of respiratory musculature should be considered, even in the absence of clinical signs, and special electrophysiological tests may be necessary to recognize the underlying disease.

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