Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2006; 41(11): 738-739
DOI: 10.1055/s-2006-958846
Fachwissen: Topthema: Ultraschall in der Anästhesiologie

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ultraschall in der Anästhesiologie - Einführung und Überblick

Norbert Roewer
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Publication Date:
07 December 2006 (online)

„Ich sehe was, was Du nicht siehst ...”

Ausgereifte Ultraschallverfahren bieten uns heute die Möglichkeit, Strukturen, die bislang nicht einsehbar waren, detailliert darzustellen. Gerade in der Anästhesie wurde die Sonographie - von der TEE einmal abgesehen - bislang jedoch kaum genutzt. Viele Anästhesisten fragen sich, wo der Einsatz von Ultraschall in ihrer Routinearbeit relevant sein könnte - zumal doch Narkosen und regionalanästhesiologische Verfahren nahezu ausgereift sind und einen nie dagewesenen Sicherheitsstandard aufweisen. Mit dem Schwerpunktthema „Ultraschall in der Anästhesiologie” wollen wir Ihnen neue Einblicke in die Methode geben und Sie dazu einladen, ihre vielfältigen Einsatzmöglichkeiten, aber auch ihre Grenzen kennenzulernen.

Der Bedarf, invasive Prozeduren in der Anästhesie „unter Sicht” durchzuführen, wurde lange Zeit negiert. Wesentliche Argumente dafür waren neben den (vermeintlich!) hohen Erfolgsraten bei „Blindpunktionen” die Unhandlichkeit und die begrenzte Bildqualität der Ultraschallgeräte. Durch die enorme Verbesserung der Ultraschalltechnik können wir heute aber auch feine Strukturen voneinander differenzieren, sodass die Bilder gut zu interpretieren sind. Mit der Miniaturisierung der Geräte wurde außerdem eine Untersuchung am Patientenbett oder am OP-Tisch ohne besonderen organisatorischen und zeitlichen Aufwand möglich. Die Beiträge des Topthemas liefern Ihnen die Grundlagen sowie den aktuellen Stand der Wissenschaft und diskutieren den Stellenwert des Ultraschalls für Anästhesie, Notfall- und Intensivmedizin.

Gefäßpunktion

Die Identifikation von Gefäßen gelingt mit Ultraschall sehr sicher, stellt sich doch Blut wie alle Flüssigkeiten aufgrund der minimalen Echos annähernd schwarz dar. So bilden Venen und Arterien einen guten Kontrast zum umgebenden Gewebe. Neben der Diagnostik von pathologischen Veränderungen des Gefäßsystems schafft die Sonographie exzellente Bedingungen für die Anlage von Kathetern. Metaanalysen bestätigen, dass der Einsatz von Ultraschall zur zentralvenösen Katheterisierung sowohl die Erfolgsrate der Punktion erhöht als auch die damit verbundenen Risiken reduziert. In Großbritannien wurde das Verfahren vom National Institute of Clinical Excellence zum Standard erklärt. Gerade, wenn bei der Punktion Schwierigkeiten zu erwarten sind, wie bei Säuglingen oder krankheitsbedingt notwendiger spezieller Lagerung der Patienten, ist die Ultraschall geführte Kanülierung konventionellen Verfahren überlegen. Neben den anatomischen Verhältnissen werden auch Normvarianten und unerwartete pathologische Befunde sichtbar, also Faktoren, die den Punktionserfolg entscheidend beeinflussen (S. 740).

Transösophageale Echokardiographie

Während die Verwendung der transkutanen Ultraschallbildgebung zur Steuerung beziehungsweise Führung von Punktionen in der Anästhesie erst in den letzten Jahren hohes Interesse erlangte, wurde die transösophageale Echokardiographie (TEE) bereits 1985 sowohl als intraoperatives Monitoringverfahren als auch zur Validierung kreislaufwirksamer Medikamente eingesetzt. Bei der TEE haben die Doppler-Verfahren einen besonderen Stellenwert. Farb-Doppler-Verfahren und Blutflussprofile liefern wichtige Informationen zur Morphologie der Herzklappen und der Funktion des Herzens. Die Autoren erläutern in ihrem Beitrag die für Bildgebung und Flussmessung wesentlichen Grundlagen und zeigen Nutzen und Grenzen der Methode auf. Neben dem inzwischen etablierten Einsatz in der Kardioanästhesie gewinnt die TEE auch in Intensivmedizin und Akutdiagnostik an Bedeutung, lassen sich doch innerhalb weniger Minuten klare Aussagen über eine kardiovaskuläre Erkrankung des Patienten treffen und damit therapeutische Entscheidungen begründen. Mit zunehmender Miniaturisierung und immer höheren Rechenleistungen der Ultraschallsysteme wird es gelingen, auch wache Patienten ohne wesentliche Beeinträchtigung zu untersuchen. Automatisierung der Messverfahren für Parameter wie die myokardiale Kontraktilität oder die Volumina der Herzkammern werden zur weiteren Verbesserung der diagnostischen Qualität führen und schaffen damit auch die Voraussetzung für den Einsatz der TEE zum Monitoring. Wichtigster Faktor bei alle dem bleibt der Untersucher. Mit der Festlegung von allgemeingültigen Standards durch Fachgesellschaften ist es gelungen, ein hohes Maß an Sicherheit für den Einsatz der TEE zu schaffen (S. 750).

Schmerztherapie

Um diagnostische oder therapeutische Blockaden erfolgreich und sicher durchzuführen, sind genaue anatomische Kenntnisse und die punktgenaue Applikation der Medikamente Grundvoraussetzung. Dementsprechend werden viele dieser Verfahren unter Durchleuchtung, in seltenen Fällen CT gesteuert, durchgeführt. Mit der Sonographie existiert ein bildgebendes Verfahren, das ohne Strahlenbelastung auskommt. Bei oberflächennahen Blockaden können mit hochauflösenden Systemen sogar die Nerven identifiziert werden. Da zur Darstellung tiefer gelegener Strukturen niedrige Schallfrequenzen notwendig sind, lassen sich hier nur die internen Landmarken wie Muskulatur, Bänder und knöcherne Strukturen darstellen. Die Autoren geben einen Überblick über die möglichen Einsatzbereiche der Sonographie und diskutieren die dazu vorliegenden Daten. Die Verwendung von Ultraschall bei visuell gesteuerten Blockaden wird zur Reduktion der Strahlenbelastung führen. Sein Einsatz bei invasiven Verfahren, die bislang „blind” erfolgten, lassen - wie bei der Gefäßpunktion -Vorteile wie Risikominderung und Erhöhung des Blockadeerfolgs erwarten (S. 760).

Rückenmarknahe BlockadenKnöcherne Strukturen bilden für den Schallstrahl eine undurchdringbare Barriere. Damit bleiben alle Zielstrukturen bei der neuroaxialen Regionalanästhesie zum größten Teil „im Schatten”. Aus diesem Grunde hat sich die Sonographie bei den rückenmarknahen Blockaden noch nicht etablieren können. Dennoch gibt es gute Gründe, auch für diesen Bereich die geeigneten Indikationen herauszuarbeiten und die Methode nutzbringend einzusetzen. Die Darstellung von Ziel- und Umgebungsstrukturen sowie der Ausbreitung des Lokalanästhetikums dürfte die Erfolgsraten erhöhen. Anästhesisten, die während ihrer Ausbildung im Anlegen von Epiduralkathetern mit Ultraschall angeleitet wurden, waren von Beginn an erfolgreicher als die Kollegen ohne sonographische Ausbildung (S. 770).

Ausblick

Die Entwicklung tragbarer Geräte ist ein Meilenstein für die Nutzung des Ultraschalls in der Anästhesiologie. Weitere Verbesserungen in der Gerätetechnik werden bald noch detailreichere Bilder liefern und die Identifikation der Zielstrukturen erleichtern. Dass die Sonographie für viele Bereiche unseres Fachs bereits jetzt klare Vorteile bietet, ist offenkundig. Es ist daher zu erwarten, dass auch die Anwendung von transkutanem Ultraschall in Anästhesie und Intensivmedizin zu einem Standard wird. Für den Nutzen der Ultraschall geführten Punktion zentraler Gefäße und den sinnvollen Einsatz der TEE bei bestimmten Vorerkrankungen besteht bereits ein hoher Grad an Evidenz. Dennoch: Jede Methode ist nur so gut wie ihr Anwender! Um den Fortschritt nutzen zu können, bedarf es einer systematischen Ausbildung im Umgang mit dem Ultraschall. Kenntnisse in der Technik und dem Anwendungsspektrum sind ebenso wichtig wie das Wissen um die Grenzen und Fehlermöglichkeiten der Methode. Ausbildungszentren für die TEE und das Festlegen einer Mindestqualifikation (durch Zertifizierung der Ausbildung durch die DGAI) haben Qualitätsstandards geschaffen. Es bleibt zu überlegen, wie die Ausbildung in unserem Fach auch für die transkutane Anwendung des Ultraschalls gestaltet werden muss und welche Qualifikation vom Anästhesisten diesbezüglich zu fordern ist.

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre des Topthemas Ultraschall!

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