Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2006; 41(4): 259-260
DOI: 10.1055/s-2006-925268
Mini-Symposium
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Historie und Entwicklung des Ultraschalls in der Anästhesiologie

History and Development of Sonography in AnesthesiologyC.-A.  Greim1
  • 1Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin, Klinikum Fulda gAG
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Publication Date:
24 April 2006 (online)

Der Einsatz von Ultraschallverfahren gehört erst seit wenigen Jahrzehnten zum festen Repertoire in der medizinischen Diagnostik und hat sich zunehmend auch in der Anästhesiologie und den beigeordneten Gebieten der Intensiv- und Notfallmedizin etabliert. Ultraschallverfahren faszinieren vor allem durch ihr umfangreiches Informationspotential, dass sich u. a. in der hochwertigen Bildgebung widerspiegelt. Die zahlreichen diagnostischen Anwendungen des Ultraschalls umfassen transkutane oder von extern aufgesetzte sowie endoskopische und sogar intravaskuläre Techniken. In vieler Hinsicht sind Ultraschallverfahren ein ideales Werkzeug in der Hand des Mediziners - sie sind mit wenigen Ausnahmen nicht invasiv, sie sind sicher und sie eignen sich wegen der Stabilität und Mobilität der Systeme zum schnellen Einsatz in nahezu allen Bereichen der Patientenversorgung.

Die Vorteile der seit etwa 1970 etablierten und klinisch eingesetzten Ultraschallverfahren für die Anästhesiologie liegen in den besonderen Eigenschaften des Ultraschalls. Das theoretische Risiko einer Gewebeverletzung durch Ultraschall ist bei den klinischen Anwendungen der in der Anästhesiologie genutzten Doppler-, M-Mode- und 2D-Verfahren in der Regel vernachlässigbar. Zudem sind die meisten der Verfahren allenfalls minimal invasiv, verhältnismäßig einfach zu handhaben und spätestens seit der Einführung relativ kleiner und handlicher Ultraschallsysteme im Sinne eines „mobilen Ultraschalls” auch flexibel und kurzzeitig nacheinander bei verschiedenen Patienten einzusetzen.

Die ersten Berichte über die Anwendungen des Ultraschalls in der Anästhesiologie finden sich in über 30 Jahre alten Publikationen [1] [2]. Sie beschreiben doppler-sonographische Methoden, mit denen die bessere Praktikabilität und die Genauigkeit der intraoperativen Blutdruck- und Herzfrequenzmesung bei Kleinkindern und Säuglingen gesteigert werden sollten. Die Messverfahren finden heute noch Anwendung im Bereich der Veterinär- und der Feldmedizin. In Deutschland erwachte das nachhaltige Interesse für anästhesiologisch nutzbare Ultraschallverfahren etwa Mitte der 80er-Jahre, als mit der Entwicklung der transösophagealen Echokardiographie ein sonographisches Fenster zum Herzen aufgestoßen wurde [3]. Nahezu gleichzeitig eröffnete sich der Anästhesiologie durch die Verfügbarkeit von Doppler-Ultraschalltechniken als nicht-bildgebenden Verfahren eine Möglichkeit, den Blutfluss in venösen wie arteriellen Gefäßen anzusteuern und z. B. im Rahmen von wissenschaftlichen Untersuchungen die Wirkung von volatilen Anästhetika auf die zerebrale Perfusion zu untersuchen [4]. Die transkranielle Doppler-Sonographie wurde zeitweilig für das Neuromonitoring z. B. bei Carotis-Endarteriektomien favorisiert [5], wird bei kardiochirurgischen Operationen zur Kontrolle der zerebralen Perfusion [6] und im Bereich der Intensivmedizin bei Patienten mit Subarachnoidalblutung zur Erkennung von Vasospasmen eingesetzt. Zudem ist sie heute fester Bestandteil der von der Bundesärztekammer festgelegten Methoden zur Hirntoddiagnostik.

Ein weiteres, der transkraniellen Doppler-Sonographie ähnliches Verfahren war die heute nicht mehr praktizierte transtracheale Herzzeitvolumenmessung, die zwar experimentell und klinisch validiert wurde [7] [8], sich aber nicht etablieren konnte. Dem Doppler-Prinzip folgend wurde bei diesem Verfahren ein Schallkopf an der Spitze eines Endotrachealtubus fixiert, von der aus die Schallwellen in Richtung auf die Aorta ausgesendet wurden. Aus dem Schallecho und dessen Frequenzverschiebung gegenüber den Ausgangssignalen ließ sich unter Hinzunahme von Nomogrammen zum Aortendurchmesser das Schlagvolumen bzw. das Herzzeitvolumen errechnen. Dieses Verfahren liegt auch der transösophagealen Doppler-Sonographie zugrunde, die etwa zur selben Zeit vorgestellt wurde und mit einer technisch im Vergleich zur transösophagealen Echokardiographie weniger anspruchsvollen Sonde durchgeführt wird. Die transösophageale Doppler-Sonographie wurde Anfang der 90er-Jahre zu einem marktreifen Produkt entwickelt und wird mittlerweile bei kritisch kranken Patienten ebenso wie bei kardiochirurgischen und kardialen Risikopatienten erfolgreich eingesetzt [9]. Obwohl sich das Verfahren wegen der, gemessen an den Kosten, unbefriedigenden Genauigkeit zunächst klinisch ebenso wenig etablieren konnte wie die transtracheale Messung, kommt ihm derzeit jedoch wieder mehr Aufmerksamkeit zu [10]. Auf demselben Prinzip wie die transkranielle, -tracheale und -ösophageale Doppler-Sonographie, jedoch ohne Aufzeichnung der Signalkurven, basierte der erste Ansatz zur Doppler-gestützten Kannülierung der Vena jugularis interna [11] und die Herstellung so genannter SMART-Kanülen für die arterielle Punktion.

Den meisten der vorgenannten Verfahren haben die neueren bildgebenden Ultraschallverfahren jedoch mittlerweile den Rang abgelaufen. In der Anästhesiologie und Intensivmedizin erweisen sich die bildgebenden Ultraschallverfahren besonders bei der zentralvenösen Kanülierung und dem Einsatz in der Regionalanästhesie als Techniken, die innovativ sind, die handwerklichen Fertigkeiten bereichern, neue Kenntnisse vermitteln und die den Sicherheitsstandard in der Patientenversorgung erhöhen und zudem möglicherweise die Wirtschaftlichkeit des perioperativen Betriebs steigern. Die Ende der 80er-Jahre von Internisten beschriebene ultraschallgesteuerte Punktion der Vena jugularis interna wird seit einigen Jahren weltweit zur Senkung des Risikos bei bestimmten Patienten und generell zur Vermeidung von Komplikationen propagiert [12]. Ultraschallunterstützte Nervenblockaden im Bereich der oberen Körperhälfte finden sich als Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen seit 1978 in der anästhesiologischen Literatur [13], werden aber erst seit Ende der 80er-Jahre systematisch untersucht [14] [15], technisch verfeinert und auf die vielfältigen regionalanästhesiologischen Verfahren ausgeweitet. Der erstmals 1984 beschriebene Einsatz von ultraschallbasierter Bildgebung im Rahmen einer Periduralanästhesie [16], liefert ein weiteres Beispiel für eine Anwendung des Ultraschalls in der Anästhesiologie [17], die künftig möglicherweise fest zum Repertoire der Fachweiterbildung gehören könnte.

Das wachsende Interesse für die bildgebenden Ultraschallverfahren ist nicht zuletzt eine Folge der Verfügbarkeit von mobilen Ultraschallsystemen, die in den räumlich oft beengten Arbeitsbereichen der Anästhesiologie den rationellen Einsatz der Verfahren überhaupt erst ermöglichen. Neben der bereits erfolgreichen Suche nach Anwendungsmöglichkeiten der Sonographie in unserem Fach sind es jedoch auch Innovationen wie z. B. die dreidimensionale Sonographie, die den Einsatz von Ultraschall in der Anästhesiologie und Intensivmedizin künftig mit weiteren interessanten Perspektiven verknüpfen werden.

Literatur

  • 1 Janis K M, Kemmerer W T, Kirby R R. Intraoperative Doppler blood pressure measurements in infants.  Anesthesiology. 1970;  33 36
  • 2 Mauser R. Vereinfachtes Monitoring mittels Ultraschall in der Anästhesiologie.  Prakt Anaesth. 1976;  11 353-355
  • 3 Kremer P, Cahalan M, Beaupre P, Schroder E, Hanrath P, Heinrich H, Ahnefeld F W, Bleifeld W, Hamilton W. et al . Intraoperative monitoring using transesophageal 2-dimensional echocardiography.  Anaesthesist. 1985;  34 111-117
  • 4 Schregel W, Beverungen M, Cunitz G. Transkranielle Doppler-Sonographie: Halothan erhöht die mittlere Blutflussgeschwindigkeit in der Arteria cerebri media.  Anaesthesist. 1988;  37 305-310
  • 5 Padayachee T S, Gosling R G, Bishop C C, Burnand K, Browse N L. Monitoring middle cerebral artery blood velocity during carotid endarterectomy.  Br J Surg. 1986;  73 98-100
  • 6 Thiel A, Russ W, Kaps M, Marck G P, Hempelmann G. Transcranial Doppler sonography as an intraoperative monitoring procedure. Initial experiences in aortocoronary bypass operations.  Anaesthesist. 1988;  37 256-60
  • 7 Gregoretti S, Henderson C T, Bradley E L. Simultaneous cardiac output measurements by transtracheal Doppler, electromagnetic flow meter, and thermodilution during various hemodynamic states in pigs.  Anesth Analg. 1991;  73 455-459
  • 8 Perrino A C, O'Connor T, Luther M. Transtracheal Doppler cardiac output monitoring: comparison to thermodilution during noncardiac surgery.  Anesth Analg. 1994;  78 1060-1066
  • 9 Singer M, Clarke J, Bennett D. Continuous hemodynamic monitoring by esophageal Doppler.  Crit Care Med. 1989;  17 447-452
  • 10 Laupland K B, Bands C J. Utility of esophageal Doppler as a minimally invasive hemodynamic monitor: a review.  Can J Anaesth. 2002;  49 393-401
  • 11 Schregel W, Straub H, Cunitz G, Ulmer W T. Ultrasound Doppler sonography: a simple method for the improvement of internal jugular vein catheterization.  Anaesthesist. 1985;  34 93-97
  • 12 National Institute for Clinical Excellence (NICE), London, UK . Guidance on the use of ultrasound locating devices for placing central venous catheters.  Technology Appraisal. 2002;  49
  • 13 la Grange P, Foster P A, Pretorius L K. Application of the Doppler ultrasound bloodflow detector in supraclavicular brachial plexus block.  Br J Anaesth. 1978;  50 965-967
  • 14 Ting P L, Sivagnanaratnam V. Ultrasonographic study of the spread of local anaesthetic during axillary brachial plexus block.  Br J Anaesth. 1989;  63 326-329
  • 15 Kapral S, Krafft P, Eibenberger K, Fitzgerald R K, Gosch M, Weinstabl C. Ultrasound-guided supraclavicular approach for regional anesthesia of the brachial plexus.  Anesth Analg. 1994;  78 507-513
  • 16 Currie J M. Measurement of the depth to the extradural space using ultrasound.  Br J Anaesth. 1984;  56 345-347
  • 17 Grau J, Leipold R W, Conradi R, Martin E, Motsch J. Efficacy of ultrasound imaging in obstetric epidural anesthesia.  Clin Anesth. 2002;  14 169-175

Prof. Dr. med. C.-A. Greim

Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin · Klinikum Fulda gAG

Pacelliallee 4 · 36043 Fulda

Email: greim@klinikum-fulda.de

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