Gesundheitswesen 2005; 67 - VF_P24
DOI: 10.1055/s-2005-920712

Untersuchung der Zugänglichkeit von suchtmedizinischen Versorgungseinrichtungen für Migrantinnen und Migranten mit Abhängigkeitserkrankungen

A Heinz 1, S Penka 1, H Plake 1
  • 1Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charitè CMM

Hintergrund/Ziele und Forschungsfragen: Trotz der Zunahme abhängigkranker Migranten, nehmen diese Suchthilfeeinrichtungen kaum in Anspruch. Die suchtmedizinische Versorgungslandschaft scheint ihnen nicht gerecht zu werden. Um Zugangsbarrieren aufzudecken, führten wir eine empirische Untersuchung der suchtmedizinischen Versorgung drogenabhängiger türkischer und russlanddeutscher Jugendlicher durch. Wir vermuteten u.a., dass ein unterschiedliches Erklärungsmodell süchtigen Verhaltens bei Migranten dazu beiträgt, dass Hilfseinrichtungen von ihnen kaum in Anspruch genommen werden. Material und Methoden: Wir befragten 10 Professionelle des Suchthilfesystems sowie 15 türkische Drogenabhängige mittels qualitativer Interviews. Ebenso untersuchten wir kulturelle Differenzen in Erklärungsmodellen süchtigen Verhaltens bei 244 deutschen, türkischen und russlanddeutschen Jugendlichen anhand statistischer Verfahren (Freelisting, Pilesort, hierarchische Clusteranalyse, multidimensionale Skalierung). Ergebnisse: Einflüsse auf das Inanspruchnahmeverhalten konnten aufgedeckt werden, die bisher nicht berücksichtigt wurden. Frustration, mangelnde Integration und fehlende Perspektiven beschreiben die Situation drogenabhängiger Migranten. Sie wirken sich erheblich auf eine mangelnde Motivation zur Therapieaufnahme aus. Es zeigten sich Unterschiede im Krankheitsverständnis deutscher und türkischer Jugendlicher. Fast die Hälfte der türkischen Befragten bezeichneten zentrale schulmedizinische Konzepte wie das der körperlichen Abhängigkeit oder Kontrollminderung als gänzlich ungeeignet zur Beschreibung einer Suchtproblematik. Die Befragung russlanddeutscher Jugendlicher ist noch nicht ausgewertet, Ergebnisse werden allerdings in Kürze darstellbar sein. Schlussfolgerungen und Diskussion: Die Versorgung suchtkranker Migranten gehört zum Alltag im Suchthilfesystem, stellt es aber immer wieder vor ungewohnte Aufgaben. Präventive Aufklärungsarbeit muss Unterschiede in Krankheitskonzepten aufgreifen, um verständliche Informationen für Jugendliche zu bieten.