Gesundheitswesen 2005; 67 - VF_V54
DOI: 10.1055/s-2005-920686

Herausforderung an das Gesundheitswesen durch Zuwanderung – Zur Arztinanspruchnahme von MigrantInnen

U Wittig 1, M Merbach 1, E Brähler 1
  • 1Universität Leipzig, Medizinische Fakultät

Hintergrund/Ziele und Forschungsfragen: Um die adäquate medizinische Versorgung der fast 12 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland zu ermöglichen, ist eine Erforschung ihres Arztinanspruchnahmeverhaltens von großer Bedeutung.

Material und Methoden In zwei Projekten (gefördert durch Volkswagenstiftung und BmBF) wurden 284 SpätaussiedlerInnen zum Zeitpunkt der Einreise und 18 Monate später, 140 polnische MigrantInnen sowie 88 vietnamesische MigrantInnen im Alter von 18–65 Jahren zu ihrer Arztinanspruchnahme, soziodemografischen und akkulturativen Variablen befragt und mit einer deutschen Bevölkerung (N=2113) verglichen. Ergebnisse: 61% der SpätaussiedlerInnen zu t1 gaben an, im letzten Jahr einen Allgemeinarzt aufgesucht zu haben. In der deutschen Vergleichsstichprobe waren es 80% (Chi-Quadrat=56,54, p<0.001). Auch bei der Inanspruchnahme des Gynäkologen gab es signifikante Unterschiede (Chi-Quadrat=4,65, p<0.05). 18 Monate später zeigten die SpätaussiedlerInnen ein der deutschen Bevölkerung ähnliches Inanspruchnahmeverhalten. Die polnischen MigrantInnen unterschieden sich in der Inanspruchnahme des Allgemeinarztes nicht signifikant von den Deutschen. Weniger polnische Migrantinnen als Deutsche besuchten hingegen den Frauenarzt (Chi-Quadrat=5,81, p<0,05). Weniger vietnamesische MigrantInnen als Deutsche gaben an, im letzten Jahr zum Allgemeinarzt gegangen zu sein (Chi-Quadrat=37,25, p<0,001). Sprachkenntnisse hatten in der Gruppe der SpätaussiedlerInnen einen signifikanten Einfluss auf die Inanspruchnahme. Schlussfolgerungen und Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass sich die untersuchten Gruppen in ihrer Arztinanspruchnahme unterscheiden. Als Ursachen werden neben kulturspezifischen Aspekten die je nach Gruppe differierenden sozialrechtlichen Bedingungen im Ankunftsland diskutiert. Somit ist eine zielgruppenspezifische Prävention (vor allem bei der Inanspruchnahme des Frauenarztes) anzudenken.