Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(40): 1109-1111
DOI: 10.1055/s-2001-17646
CME
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Harnwegsinfektionen - Teil 2: Therapie

Urinary tract infection - TreatmentF. M. E. Wagenlehner, K. G. Naber
  • Urologische Klinik, Klinikum St. Elisabeth/Straubing
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Publication Date:
04 October 2001 (online)

Akute unkomplizierte Harnwegsinfektion

Die Therapie der akuten, unkomplizierten Harnwegsinfektion (HWI) ist fast ausnahmslos medikamentös-antibiotisch. Eine urologisch-chirurgische Intervention ist praktisch nie erforderlich. Bei der akuten unkomplizierten Zystitis sind im Allgemeinen keine Komplikationen oder Residuen zu befürchten. Die Therapieziele sind eine rasche Ausheilung und die Beschwerdefreiheit der Patienten, um die Morbidität möglichst gering zu halten. Ein weiteres Ziel ist, eine Reinfektion oder ein Rezidiv zu verhindern. Bei der akuten unkomplizierten Pyelonephritis (AUP) können Komplikationen als Früh- oder Spätfolgen auftreten, wenn die Behandlung nicht rechtzeitig und effektiv begonnen wird. Dies gilt umso mehr im Kleinkind- und Kindesalter. Die nachfolgenden Empfehlungen zur Therapie der akuten unkomplizierten Zystitis (AUZ) und der AUP stützen sich im Wesentlichen auf eine 1999 von der Infectious Diseases Society of America (IDSA) veröffentlichte Meta-Analyse [18] und den Empfehlungen der entsprechenden infektiologischen, urologischen, nephrologischen und gynäkologischen Arbeitsgemeinschaften [9].

Akute unkomplizierte Zystitis

Bei der AUZ ist die Einmalgabe eines Antibiotikums im Allgemeinen weniger effektiv als die Gabe für eine längere Dauer. Die meisten dazu geeigneten Antibiotika sind mit einer 3-tägigen Therapie ebenso effektiv wie bei längerer Therapiedauer [Tab. 1]. Die in [Tab. 2] aufgeführten Antibiotika können in der Schwangerschaft eingesetzt werden. Chinolone (Knorpelschäden), Tetrazykline (Zahnschäden), Trimethoprim (im 1. Trimenon: Neuralrohrdefekte) und Sulfonamide (im letzten Trimenon: Kernikterus) dürfen während der Schwangerschaft nicht verordnet werden.

Akute unkomplizierte Pyelonephritis

Häufigster Erreger ist Escherichia coli, gefolgt von Proteus mirabilis und Klebsiella pneumoniae. Wichtig ist die rechtzeitig eingeleitete (max. 24-48 hnach Erkrankungsbeginn) effektive, antibiotische Therapie. Insgesamt kommt es bei der akuten unkomplizierten Pyelonephritis bei Erwachsenen selten zu einem permanenten Nierenschaden, wohingegen bei Kleinkindern unter 5 Jahren Narben entstehen können, aus denen sich unter Umständen ein fortschreitender Nierenschaden entwickelt [4]. Eine 14-tägige antibiotische Therapie wird bei schweren Fällen empfohlen. Bei mittelschweren und leichten Fällen reicht eine 7-tägige Therapie.

Leichte Fälle können ambulant und mit oralen Antibiotika behandelt werden. Bei mittelschwerer und schwerer Pyelonephritis mit schweren Allgemeinsymptomen wie Übelkeit und Erbrechen erfolgt die initiale Behandlung stationär und mit parenteralen Antibiotika, bis die Patienten afebril sind [Tab. 3]. Nach Besserung der Symptome sollte die parenterale Therapie so bald wie möglich in eine orale Form umgewandelt werden.

Tab. 1 Therapieempfehlung zur akuten unkomplizierten Zystitis 2 18. Infektionserreger Orale Initialtherapie Therapiedauer E. coli, S. saprophyticus, Klebsiella spp., Proteus spp. Trimethoprim ± Sulfamethoxazol* 3 Tage Fluorchinolon** 3 Tage Fosfomycin-Trometamol 1 Tag Pivmecillinam 7 Tage Nitrofurantoin 7 Tage Cephalosporin (Gruppe 2 oder 3) 3 Tage * Falls regionale Resistenz von E. coli unter 10 - 20 %; **mit hoher renaler Ausscheidung Tab. 2 Antibiotika in der Schwangerschaft 1 9. Erlaubt (nach der 14. Schwangerschaftswoche) Keine ausreichende Erfahrung Kontraindiziert Penicillin Neuere orale Cephalosporine Fluorchinolone Ampicillin* Kombination mit β- Lactamase-Inhibitoren Tetracycline - Doxycyclin Amoxicillin* Trimethoprim (1. Trimenon) Cephalosporine Gruppe 2, 3, a/b Sulfonamide (letztes Trimenon) Gentamicin Erythromycin (-ethinylsuccinat) Clindamycin Metronidazol *auch im ersten Trimenon unbedenklich

Hierbei können jederzeit auch nicht verwandte Antibiotika eingesetzt werden [18].

kurzgefasst: Bei der AUZ wird die 3-Tages-Therapie empfohlen. Bei der AUP kann eine Umstellung von parenteraler zu oraler Therapie jederzeit nach Besserung des Allgemeinzustandes erfolgen.

Rezidivierende unkomplizierte Harnwegsinfektionen

Ein großer Teil der Patientinnen hat rezidivierende HWI. Man unterscheidet prämenopausale Patientinnen von postmenopausalen. Bei ersteren lassen sich extrinsische von intrinsischen Risikofaktoren unterscheiden. Zu den extrinsischen Faktoren zählen Gebrauch von Spermiziden und häufiger Geschlechtsverkehr, zu den intrinsischen Faktoren ein HWI vor dem Alter von 15 Jahren sowie eine positive Anamnese der Mutter [15]. In der Postmenopause sind anatomische Veränderungen wie eine Zystozele oder Restharnbildung von größerer Bedeutung [10]. Vier Vorgehensweisen zur Reinfektionsprophylaxe bei der rezidivierenden Zystitis in der Prämenopause sind gebräuchlich, die mit der Patientin besprochen werden müssen: Liegt eine enge Assoziation zum Geschlechtsverkehr vor, so kann eine antibiotische Prophylaxe nach dem Geschlechtsverkehr durchgeführt werden. Sind die Rezidive selten, (3 - 4· pro Jahr), so kann eine Selbsttherapie bei den ersten Symptomen erfolgen. Die dritte Möglichkeit ist eine kontinuierliche antibiotische Prophylaxe mit niedrigen Dosen. Präparate und Dosierungen zeigt [Tab. 4]. Als Immuntherapie kommt die orale Anwendung von Uro-Vaxom in Frage, wodurch gegenüber Placebo eine signifikante Senkung der Rezidivhäufigkeit erreicht werden kann. Leider gibt es keine direkten Vergleichsstudien mit der Antibiotikaprophylaxe, so dass der Stellenwert der Immuntherapie noch offen ist. In der Postmenopause kann allein durch lokal, intravaginal angewendetes Estriol die Rezidivhäufigkeit signifikant gesenkt werden [11].

kurzgefasst: Zur Prophylaxe einer unkomplizierten HWI sind in der Prämenopause Antibiotika am effektivsten, in der Postmenopause sollte zunächst eine lokale Hormontherapie erfolgen.

In den meisten Fällen wird durch die richtige antibiotische Therapie die Infektion schnell und effektiv behandelt. Persistiert die Infektion, so muss eine urologische Diagnostik erfolgen, um komplizierende Faktoren zu erfassen und gezielt zu behandeln.

Literatur

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Korrespondenz

Prof. Dr. med. K.G. Naber

Urologische Klinik, Klinikum St. Elisabeth

St. Elisabeth Straße 23

94315 Straubing

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