Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(40): 1125
DOI: 10.1055/s-2001-17600
Fragen aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Hand-Mund-Fuß-Krankheit

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Publication Date:
04 October 2001 (online)

Frage: Nimmt die Häufigkeit der Hand-Mund-Fuß-Krankheit zu?

Antwort: Die Hand-Mund-Fuß-Krankheit ist eine im Kindesalter häufige Infektionskrankheit, verursacht durch verschiedene Enteroviren [1]. Die Enteroviren gehören zur Familie der Picornaviridae. Zur Familie dieser kleinen (24-30 nm Durchmesser) RNA-Viren gehören 6 Genera, namentlich Enteroviren, Rhinoviren, Hepatoviren (einziger humaner Vertreter das Hepatitis-A-Virus), Cardioviren (sehr selten humanpathogen), Aphthoviren (wahrscheinlich nicht humanpathogen) und Parechoviren. Die Gruppe der Enteroviren ist untergliedert in Polioviren (3 Serotypen), Coxsackieviren der Gruppe A (23 Serotypen), Coxsackieviren der Gruppe B (6 Serotypen), Echoviren (31 Serotypen) und Enteroviren (Serogruppen 68-71). Aufgrund genomischer Unterschiede werden Echovirus 22 und 23 einer neuen Gruppe der Parechoviren (als humanes Parechovirus 1 und 2) zugeordnet [2]. Erreger der Hand-Mund-Fuß-Krankheit sind Coxsackieviren der Gruppe A (Typ, 4, 5, 7, 9, 10 und am häufigsten Serotyp 16), Coxsackieviren der Gruppe B (Typ, 1, 2, 3, 5) und Enterovirus 71 [3].

Reservoir der Enteroviren ist allein der Mensch, als Erkrankter, Rekonvaleszent oder gesunder Träger für bis zu 6 Wochen Dauer. Infektiös sind Stuhl und Sekrete des Respirationstraktes. Die Übertragung erfolgt fäkal-oral oder als Tröpfcheninfektion, in erster Linie über direkten Kontakt von Mensch-zu-Mensch, aber auch indirekt über kontaminiertes Wasser oder Lebensmittel. Eine vertikale Übertragung ist diaplazentar oder sub partu möglich. Nosokomiale Übertragungen, v. a. auf Neugeborenenstationen kommen vor. Eine Übertragung über Fliegen oder Moskitos wird diskutiert, da die Erreger bei den potenziellen Vektoren nachgewiesen werden können. Einschränkend gilt, dass sich Enteroviren in den Insekten nicht vermehren können.

Die Erstmanifestation sämtlicher Enterovirusinfektionen tritt v. a. im Kleinkindalter auf. 26 % der Säuglinge, 56 % der Unter-10-Jährigen und 75 % der Unter-15-Jährigen weisen Antikörper gegen Enteroviren auf [3]. Die hohe Durchseuchungsrate bei Kleinkindern wird mit deren schlechteren hygienischen Verhalten erklärt. Die Immunität ist typenspezifisch und hält nicht lebenslang an.

Die Hand-Mund-Fuß-Krankheit tritt weltweit auf. In unseren Breiten werden die meisten Fälle im Sommer und Herbst (v. a. von Juni bis Oktober) beobachtet. Das Auftreten ist in der Regel sporadisch, mit gelegentlichen lokalisierten Epidemien. Bei fehlender Immunität einer Population nach längerer Abwesenheit eines Serotyps sind pandemische Enterovirus-Infektionen möglich. Für die Hand-Mund-Fuß-Krankheit ist ein pandemisches Auftreten bisher nicht beschrieben. Beim sporadischen Auftreten erkranken v. a. Kleinkinder, bei lokalen Epidemien kann jedes Lebensalter betroffen sein. Eine epidemische Ausbreitung wird durch warmes Wetter, enge Wohnverhältnisse und schlechte Hygiene erleichtert. In den Tropen kommt die Erkrankung ganzjährig vor. Epidemiologische Daten zu nicht-polioviralen Enterovirusinfektionen, etwa aus Surveillance-Erhebungen von medizinischen Labors oder Arztpraxen, existieren in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern nicht. Von daher gibt es keine Daten über epidemiologische Entwicklungen in Deutschland. In den USA wird von 30 Mio. Infektionen pro Jahr ausgegangen [4]. Die häufigsten 10 Enterovirustypen machen 80 % aller Infektionen aus. Jährlich ändert sich die Dominanz eines Serotyps. 8 % der Enterovirusinfektionen manifestieren sich als Hand-Mund-Fuß-Krankheit [5].

Außerhalb Deutschlands ist in jüngster Zeit von 2 Epidemien der Hand-Mund-Fuß-Krankheit in Malaysia [6] und Taiwan [7] berichtet worden. In Taiwan wurden von März bis Oktober 1998 129 106 Fälle von Hand-Mund-Fuß-Krankheit oder Herpangina den Gesundheitsbehörden gemeldet. Auf die Gesamtbevölkerung bezogen wurden 1,5 Millionen Fälle geschätzt. 405 Erkrankungen verliefen schwer, 320 Patienten mussten hospitalisiert werden, 80 % davon waren Kinder unter 15 Jahren. Als schwere Verläufe wurden definiert: Fieber > 38 ˚C, Erbrechen, Tachypnoe, neurologische Komplikationen (Enzephalitis, aseptische Meningitis, akute schlaffe Lähmungen) und kardiopulmonale Komplikationen (Lungenödem, Lungenblutung, Myokarditis). 78 Patienten starben, 91 % der Betroffenen waren jünger als 5 Jahre. Das entspricht einer Letalitätsrate von 19 % bei schweren Verläufen. Todesursachen waren Lungenödem, bzw. Lungenblutungen oder eine Rhombenzephalitis. Die Inzidenz der schweren Verläufe betrug 0,083 auf 1000 Kinder unter 15 Jahren. In 62 % aller Fälle konnte Enterovirus 71 als Erreger isoliert werden, bei den Todesfällen stieg die Nachweisquote auf 92 %. Zweithäufigster Erreger war Coxsackievirus A 16. In 10 % konnten andere Enteroviren (Coxsackievirus B1, B2, B3, B5, Echovirus 6, 7, 11, 22, 27) nachgewiesen werden.

Das epidemische Auftreten in Taiwan wird mit einer fehlenden Immunität trotz vorhandener Antikörpertiter in der Bevölkerung erklärt. 50 % der Erwachsenen hatten in der Vor-, wie in der Nachepidemieära Antikörper gegen Enterovirus 71. Eine neue Variante des Enterovirus 71 wird diskutiert, ebenso eine mögliche Interaktion mit anderen Entero- oder Adenoviren im Sinne einer Hypersensitivitätsreaktion, wie sie beim Dengue-Hämorrhagischen-Fieber bekannt ist. Die schwerer verlaufende Zweitinfektion beim Dengue-Hämorrhagischen-Fieber im Kindesalter soll durch präexistierende heterotypische Antikörper nach Erstinfektion die Virusreplikation in mononukleären Leukozyten stimulieren (sog. Phänomen des »antibody dependant enhancement «, ADE) [8]. In Deutschland ist Enterovirus 71 als Erreger der Hand-Mund-Fuß-Krankheit nicht beschrieben. Über eine Zunahme der Hand-Mund-Fuß-Krankheit in Deutschland ist bisher nicht berichtet worden. Hingegen sind Häufungen aseptischer Meningitis-Fälle im Raum Berlin [9] und Frankfurt a. M. [10] im Jahr 1997 publiziert worden. Der am häufigsten isolierte Erreger war Echovirus 30, ein möglicher kausaler Zusammenhang mit der Hand-Mund-Fuß-Krankheit ist bisher nicht bekannt.

Literatur

  • 1 Kreth H W. Enterovirus-Infektionen. Futuramed-Verlag, München In DGPI (Ed.): Handbuch Infektionen bei Kindern und Jugendlichen 1999: 255-258
  • 2 Stanway G, Hyypiä T. Parechoviruses.  J Virol. 1999;  73 5249-5254
  • 3 Melnick J L. Enteroviruses: Polioviruses, Coxsackieviruses, Echoviruses, and never Enteroviruses. Lippincott-Raven Publishers, Philadelphia In: Fields BN, Knipe DM, Howley PM (Eds.): Field’s Virology 1996: 655-705
  • 4 CDC. Nonpolio Enterovirus Surveillance - United States, 1993-1996.  JAMA. 1997;  278 975
  • 5 Pichichero M E, McLinn S, Rotbart H A, Menegus M A, Cascino M, Reidenberg B E. Clinical and Economic Impact of Enterovirus Illness in Private Pediatric Practice.  Pediatrics. 1998;  102 1126-1134
  • 6 Cardosa M J, Krishnan S, Tio P H, Perera D, Wong S C. Isolation of subgenus B adenovirus during a fatal outbreak of enterovirus 71-associated hand, foot, and mouth disease in Sibu, Sarawak.  Lancet. 1999;  354 987-991
  • 7 Ho M, Chen E R, Hsu K H, Twu S J, Chen K T, Tsai S F, Wang J R, Shih S R. An Epidemic of Enterovirus 71 Infection in Taiwan.  New Engl J Med. 1999;  341 929-935
  • 8 Halstead S B. Pathogenesis of dengue: Challenge to molecular biology.  Science. 1988;  239 476-481
  • 9 Reintjes R, Pohle M, Vieth U, Lyytikainen O, Timm H, Schreier E, Petersen L. Community-wide outbreak of enteroviral illness caused by echovirus 30: A cross-sectional survey and a case-control study.  Pediatr Infect Dis J. 1999;  18 104-108
  • 10 Heudorf U. Summer 1997 viral meningitis in children Frankfurt/Main - a discussion of the revised communicable disease control regulation.  Gesundheitswesen. 1998;  60 307-310

Dr M. Hufnagel, DTM & H

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