Gesundheitswesen 2001; 63(Suppl. 1): 6-12
DOI: 10.1055/s-2001-12105
FB I, AG Erhebung und Nutzung von Sekundärdaten (AGENS)
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Vertrauensstelle im Rahmen der Sekundärdatenforschung - Lösungsansätze zum Problem der Datenkonzentration

P. Ihle1 , J. Krappweis2 , I. Schubert1
  • Forschungsgruppe Primärmedizinische Versorgung, Medizinische Einrichtungen der Universität zu Köln
  • , Institut für Klinische Pharmakologie, Technische Universität Dresden
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Publication History

Publication Date:
31 December 2001 (online)

Zusammenfassung

Zur Umsetzung geltender datenschutzrechtlicher Bestimmungen und international anerkannter ethischer Forderungen benötigt die Forschung mit personenbezogenen Gesundheits- und Sozialdaten spezifische Konzepte zum sicheren Umgang mit diesen sensiblen Daten. Im Prozess des Datentransfers von den Leistungserbringern zu den auswertenden Stellen kommt einer Vertrauensstelle zur periodenübergreifenden Pseudonymisierung personen- und institutionsbezogener Kennzeichen eine besondere Bedeutung zu. Eine aus datenschutzrechtlicher Sicht bedenkliche Datenkonzentration in der Vertrauensstelle kann vermieden werden, indem die datenübermittelnde Stelle die Daten frühzeitig trennt: Die Vertrauensstelle erhält nur den für die Pseudonymisierung notwendigen Identifikationsteil, während die Leistungsdaten direkt an die Auswertungsstelle übermittelt und mit Hilfe einer eindeutigen Satznummer mit den in der Vertrauensstelle generierten Pseudonymen wieder zusammengeführt werden. Die vor allem in großen (pseudonymisierten) Datensammlungen bestehende Möglichkeit einer Re-Identifikation kann durch geeignete Pseudonymisierungsverfahren (z. B. die versichertenbezogene Pseudonymisierung von Leistungserbringern im Rahmen einer Versichertenstichprobe) verringert werden. Die beschriebenen Maßnahmen sind geeignet, den Persönlichkeitsschutz zu wahren und die Datensicherheit bei der Nutzung sensibler personen- und institutionsbezogener Daten weiter zu erhöhen.

Confidential Handling of Data in Secondary Data Research - Approaches to Solving Data Concentration and Data Security Problems

In order to implement general data protection requirements and internationally recognised ethical requirements, research with personal health and social data demands a specific framework for the secure handling of confidential data. In the process of transferring data from the health service providers to the place where they are analysed, an important role is played by a so-called trust centre, responsible for pseudonymisation of personal and institutional identifiers. An undesirable concentration of data in the trust centre can be avoided by early separation of data in the data transfer institution: the trust centre receives only the identifier to be pseudonymised, while the health provision data are sent direct to the analysing institution, where they can be matched with the pseudonyms from the trust centre, with the help of a unique case number. The possibility of reidentification, which exists mainly in large (pseudonymised) data sets, can be reduced by use of an appropriate pseudonymisation process (e. g. insuree-based pseudonymisation by health service providers for sampling of insurees). The measures described here are suitable for protecting confidentiality and for further improving data security in the handling of confidential personal and institutional data.

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1 Nähere Informationen zu diesem Arbeitstreffen: Fraunhofer-Institut Software und Systemtechnik (ISST), Dr. med. Bernd Claßen, E-mail: bernd.classen@isst.fhg.de

2 In diesem Zusammenhang wird oft auf das Beispiel von versicherten Personen hingewiesen, die durch Heirat ihren Nachnamen, Wohnort und ihre Krankenversicherung und damit auch die Versichertennummer ändern. Nur die zusätzliche Einbeziehung von unveränderten Kennzeichen wie Geburtsdatum und Vorname oder auch Versicherungszeiten erlaubt es, den geforderten Personenbezug herzustellen.

3 Diese Vorgehensweise mit Vergabe einer nicht sprechenden laufenden Nummer als Identifikation eines Patienten/einer Institution wurde auf dem oben genannten Arbeitstreffen des Arbeitskreises „Wissenschaft” der Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes nachdrücklich favorisiert.

4 Die beschriebene Trennung in Identifikations- und Datenbereich stellt den Regelfall dar. In Ausnahmefällen werden in der Vertrauensstelle neben den Personenangaben (z. B. Name, Geburtsdatum und Geschlecht) weitere Angaben (z. B. Diagnosedaten) benötigt, um in Zweifelsfällen den Versicherten eindeutig zu identifizieren. Hierfür kann der Identifikationsteil um die benötigten Angaben aus dem Leistungsbereich erweitert werden. Zu prüfen ist allerdings, ob dieser Abgleich auch durch die Auswertungsstelle geleistet werden kann.

5 Sollte die Praxisgröße als Einflussfaktor bei einer versichertenbezogenen Auswertung notwendig sein, so kann diese Information von den Kassenärztlichen Vereinigungen in Form eines Arztverzeichnisses (via Vertrauensstelle) geliefert werden. Hierbei muss im Einzelfall abhängig von der Fragestellung geprüft werden, welcher Aggregierungsgrad für die Auswertung ausreichend ist (z. B. eine Klassenbildung in „große Praxis”, „mittelgroße Praxis” und „kleine Praxis” ohne Offenlegung der absoluten Scheinzahl der jeweiligen Praxis).

Peter Ihle

Forschungsgruppe Primärmedizinische Versorgung (PMV)
Medizinische Einrichtungen der Universität zu Köln

Herderstraße 52-54

50931 Köln

Email: Peter.Ihle@medizin.uni-koeln.de

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