Dtsch Med Wochenschr 2000; 125(33): 993
DOI: 10.1055/s-2000-7038
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Spontanremission eines Goodpasture-Syndroms bei einem 21-jährigen Patienten

Further Information

Publication History

Publication Date:
28 April 2004 (online)

Schmidt et al. ([2]) berichteten über einen jungen Mann, der im Abstand von einigen Monaten mit atypischer Pneumonie stationär aufgenommen wurde, die jeweils prompt auf antibiotische Behandlung (Erythromycin; Clarithromycin + Cefuroxim) ansprach. Eine Infektion mit Legionellen, Mykoplasmen oder Chlamydien war bei der 2. Krankheitsepisode serologisch nicht nachweisbar. In der Diskussion formulieren die Autoren dazu: »Hinweise für eine bakterielle... Infektion fanden sich... nicht, sodass die Beseitigung eines infektiösen Agens durch die Antibiotikatherapie als Ursache für die beobachteten Remissionen als unwahrscheinlich erscheint. Alles spricht demnach tatsächlich für eine spontane Remission zu beiden Zeitpunkten.« Dies ist logisch nicht nachvollziehbar: Das negative Ergebnis einer Untersuchung auf drei mögliche Erreger atypischer Pneumonien schließt keineswegs aus, dass die Krankheitserscheinungen durch andere, evtl. sogar noch unbekannte Keime verursacht wurden. So sind z.B. Legionellen und Chlamydia pneumoniae relativ neue Entdeckungen und die Zahl bekannter pathogener Mikroorganismen wächst ständig (»emerging infectious diseases«).

Auf Grund einer Mikrohämaturie sowie des Nachweises eines »anti-GBM-Autoantikörpers« während der 2. Episode und entsprechender glomerulärer IgG-Ablagerungen in einer anschließenden Nierenbiopsie schlagen Schmidt et al. ([2]) als Erklärung der Krankheitsabläufe ein rezidivierendes Goodpasture-Syndrom (GS) vor und empfehlen bei erneutem Auftreten eine immunsuppressive Therapie. Läge allerdings eine Infektion zugrunde, könnte die Immunsuppression mehr schaden als nützen; zumindest sollte meines Erachtens anfangs erneut eine antibiotische Behandlung etwa mit Clarithromycin erfolgen. Im ersten Absatz ihrer Diskussion stellen Schmidt et al. eine atypische Pneumonie und das GS fast wie sich wechselseitig ausschließende Alternativen vor. Es mehren sich aber die Hinweise, dass zumindest bei einigen vermeintlichen »Autoimmunkrankheiten« chronische Infekte zugrundeliegen, bei denen es auf Grund genetischer Prädisposition zu einer Kreuzreaktion antimikrobieller Immunglobuline mit körpereigenen Strukturen kommt (»molecular mimicry«). In derartigen Fällen wäre die antibiotische Therapie der Infektion der wichtigste, potenziell zur Dauerheilung führende Ansatz.

Die beim GS mit ausgeprägter pulmonaler Symptomatik initial häufig eingesetzten Antibiotika werden leider bis in die jüngste Zeit meist nicht näher bezeichnet. Während vor Jahrzehnten Penicillin im Vordergrund gestanden haben dürfte - offenbar ohne nennenswerten Erfolg, womit das mögliche Erregerspektrum auf penicillinunempfindliche Keime eingeengt würde -, ist in den letzten Jahren bei der Verdachtsdiagnose einer atypischen Pneumonie eher mit der Anwendung von Makroliden zu rechnen, z.B. bei einigen der von Kelly und Haponik ([1]) 1994 beschriebenen neun Patienten. Nur 2 blieben arbeitsfähig; beide waren antibiotisch behandelt worden - ein 60-jähriger Diabetiker als einziger der neun ausschließlich mit einem Antibiotikum. Von den vier Patienten, die kein Antibiotikum erhalten hatten, sondern »lehrbuchmäßig« immunsuppressiv behandelt wurden, starben drei, nur ein 56-Jähriger aus dieser Gruppe überlebte als Dauerdialysepatient. Von den vier Patienten, die zusätzlich (nicht näher bezeichnete) Antibiotika erhielten, starb einer ([1]). Diese Zahlen legen nahe, dass Antibiotika, wie sie bei atypischen Pneumonien eingesetzt werden, die Prognose des GS möglicherweise stark verbessern.

Solche Antibiotika sind unter anderem gegen viele intrazelluläre Erreger wirksam: Als Ursache des GS oder einer Untergruppe mit ausgeprägter pulmonaler Symptomatik käme also ein mirkoskopisch »unauffälliges« intrazelluläres Bakterium in Frage, welches auf Penicillin nicht anspricht und deshalb vor Jahrzehnten möglicherweise nicht erfasst wurde, sodass damals auch »antibiotisch behandelte« GS-Patienten meist innerhalb weniger Monate starben. Die Infektionshypothese ist prüfbar, indem GS-Fälle versuchsweise (zusätzlich) z.B. mit Clarithromycin behandelt werden: Es sollte sich dann zeigen, ob so die immer noch hohe Sterblichkeit deutlich vermindert werden kann; ggf. wäre eine intensive Erregersuche nötig (u. a. Nachweismöglichkeit von ausgeschiedener bakterieller DNA im Urin). Denkbaren Herxheimer-Reaktionen würde eine gleichzeitig begonnene immunsuppressive Kortikosteroidtherapie entgegenwirken.

Das GS tritt - im Unterschied zum üblichen Frauenüberschuss bei »Autoimmunkrankheiten« - auffallend häufig bei jungen Männern auf. Ich stelle folgenden Mechanismus zur Diskussion: Der hypothetische (intrazelluläre?) »GS-Erreger« benötigt zur Vermehrung genügend Eisen, welches bei Männern nach Abschluss der Wachstumsphase steil ansteigt, vor allem bei Trägern des Hämochromatose-Gens (> 10 % der Bevölkerung) und bei hohem Fleischkonsum. Erhebliche Blutverluste der GS-Patienten insbesondere über die Lunge könnten im Einzelfall eine Besserung bewirken (wegen Hemmung der Bakterienvermehrung infolge Eisenmangels). Auch diese Hypothese ist testbar durch Untersuchungen zum Eisenhaushalt und/oder Hämochromatose-Genstatus bei GS-Patienten. Falls sich entsprechende Hinweise ergeben, wäre zu prüfen, ob durch Sicherstellen niedriger Eisenspeicher - wie bei Jugendlichen und jüngeren Frauen - GS-Rezidiven vorgebeugt werden kann (ggf. erreichbar durch Aderlässe, bei »Infektanämie« evtl. vorher Erythropoietin-Gabe).

Zum Auftreten des GS wäre nach den obigen Vorschlägen das seltene Zusammentreffen einer genetischen Veranlagung, einer - hypothetischen - bakteriellen, möglicherweise intrazellulären Infektion und erheblicher Eisenspeicherung erforderlich, mit Rauchen als zusätzlichem lungenschädigendem Risikofaktor. Dieser Denkansatz sollte geprüft werden, weil sich daraus mit antibiotischer Behandlung und Eisenentzug einfache, gut verträgliche und zudem kostengünstige neue Strategien zum Erreichen einer Dauerremission und evtl. sogar Heilung ergeben könnten.

Literatur

  • 1 Kelly P T, Haponik E F. Goodpasture syndrome: Molecular and clinical advances.  Medicine. 1994;  73 171-185
  • 2 Schmidt R H, Sieh S, Röhl D, Geiber H, Mondorf U F, Gröne H-J, Lenz T. Spontanremission eines Goodpasture-Syndroms bei einem 21jährigen Patienten.  Dtsch med Wschr. 1999;  124 1201-1203

Dr. med. Heinz Joachim Mensing

Am Kleinen Ämmerle 5

72070 Tübingen

    >