Dtsch Med Wochenschr 2000; 125(33): 988-990
DOI: 10.1055/s-2000-6999
Arztrecht in der Praxis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Der Chefarzt als »leitender Angestellter«?

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.11.1999
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Problemstellung

Mit der Änderung der Aufgaben des Krankenhauses im Zuge des Fortschritts der Medizin und der Kostendämpfungsmaßnahmen im Rahmen der Gesundheitsreform haben sich auch das Berufsbild und das Selbstverständnis der Ärzte und insbesondere der leitenden Ärzte im Krankenhaus gewandelt: Erhöhter Patientendurchsatz infolge Kürzung der Verweildauer mit Leistungsverdichtung zwingt zu strafferen Organisationsformen, und der Zwang zur Einhaltung des Budgets erfordert neben der schon seit jeher unverzichtbaren hohen ärztlich-fachlichen Qualifikation von den leitenden Krankenhausärzten organisatorische Fähigkeiten (näher dazu und zum Folgenden H. Hofmann, Arzt und Krankenhaus 1996, 301 ff.). Die Krankenhausträger fordern daher zunehmend, den Chefarzt wie einen Manager eines Wirtschaftsunternehmens in die Mitverantwortung für das »Unternehmen Krankenhaus« einzubeziehen.

Angesichts dieser Entwicklung nimmt es nicht wunder, dass sich in Chefarztverträgen aus jüngster Zeit immer häufiger Klauseln finden wie »Der Arzt ist außertariflicher Angestellter im Sinne des § 3 Buchst. i) des Bundes-Angestelltentarifvertrages sowie leitender Angestellter im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes und des Betriebsverfassungsgesetzes.« Nicht wenige Bewerber um eine Chefarztstelle reagieren auf solche Formulierungen positiv, weil sie meinen, damit mehr Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu erhalten. Dieser Schein trügt indessen. Die »Hochstilisierung des Chefarztes in die Position des leitenden Angestellten« (H. Hoffmann, a. a. O. S. 306) führt in »Wirklichkeit zu einer deutlichen Schwächung der Rechtsstellung des Chefarztes gegenüber dem Krankenhausträger dergestalt, dass dieser sich von einem solchen Chefarzt leichter trennen kann als von einem Chefarzt mit herkömmlichem Chefarztvertrag.

Nach § 9 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) kann das Arbeitsgericht auf Antrag des Arbeitgebers unter dessen gleichzeitiger Verurteilung zur Zahlung einer Abfindung das Arbeitsverhältnis auflösen, wenn es zu der Feststellung gelangt, dass die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung sozial nicht gerechtfertigt und damit unwirksam ist, jedoch unter den gegebenen Umständen eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwartet werden kann. Der Arbeitgeber muss hierfür greifbare Tatsachen vortragen und beweisen. Von dieser für die Kündigung eines »normalen« Angestellten geltenden Darlegungs- und Beweislast ist der Arbeitgeber bereit bei der Kündigung eines leitenden Angestellten, soweit dieser zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist (§ 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG). Wenn das mit einem leitenden Angestellten bestehende Arbeitsverhältnis so gestört ist, dass es zu einer Kündigung gekommen ist, soll der Arbeitgeber letztlich die Möglichkeit haben, durch einen Auflösungsantrag, der keiner Begründung bedarf, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erzwingen (§§ 14 Abs. 2, 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG).

Mit einem solchen Fall hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem erst jetzt vorliegenden Urteil vom 18.11.1999 - 2 AZR 903/98 - beschäftigt.

Rechtsanwalt Dr. H.-J. Rieger

Zeppelinstraße 2

76185 Karlsruhe

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