Dtsch Med Wochenschr 2017; 142(02): 73
DOI: 10.1055/s-0042-108179
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Akutes Lungenversagen (ARDS): Wie lässt sich das Überleben verbessern?

Acute Respiratory Distress Syndrome: How to Improve Survival
Uwe Janssens
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Publication Date:
23 January 2017 (online)

Liebe Leserinnen und Leser,

das akute Lungenversagen (acute respiratory distress syndrome; ARDS) beruht auf einem inflammatorischen Prozess der Lunge, der sich nach pulmonalen und extrapulmonalen Schädigungen der alveolokapillären Membran entwickelt. Die Permeabilität dieser Membranen nimmt zu und es bildet sich ein interstitielles und alveoläres Ödem aus. Klinisch ist das ARDS durch ein akutes hypoxämisches Lungenversagen, eine Abnahme der Lungencompliance sowie bilaterale Infiltrate ohne Vorliegen eines kardiogenen Lungenödems gekennzeichnet. Die Krankenhaussterblichkeit von Patienten mit mittelschwerem und schwerem ARDS liegt immer noch bei über 40 % [1]. Ungefähr 80 % der Patienten mit ARDS-bedingten Todesfällen treten innerhalb von 2 – 3 Wochen nach Beginn des Krankheitsbildes auf. Es stirbt allerdings nur ein geringer Anteil der Patienten direkt an einer Hypoxämie [2].

Eine der wichtigsten Erkenntnisse der letzten Jahre war sicherlich, dass die invasive Beatmung der Patienten selber den Lungenschaden durch verschiedene Mechanismen verursacht bzw. aggravieren kann. Das Verständnis um den Zusammenhang von ARDS und ventilatorassoziiertem Lungenschaden hat zu dem Konzept der lungenprotektiven Beatmung mit niedrigen Tidalvolumina (4 – 8 ml/kg vorhergesagtes Körpergewicht) wesentlich beigetragen. Der ventilatorassoziierte Lungenschaden kann mit solchen Beachtungsstrategien verhindert oder zumindest abgeschwächt und das Überleben von Patienten mit ARDS verbessert werden.

Das Dossier in diesem Heft beleuchtet in 3 Beiträgen spezielle Aspekte in der Therapie dieses Krankheitsbildes.

  • Stefan Kluge und Mitarbeiter stellen die Indikation und Durchführung der extrakorporalen Lungenunterstützung mit der extrakorporalen Membranoxygenierung bzw. CO2-Eliminierung sehr differenziert dar. Diese komplexen und zum Teil hochinvasiven Verfahren erfordern eine ausreichende Erfahrung – nicht zuletzt aus diesem Grund sollten ARDS-Patienten mit entsprechender Indikation frühzeitig in ein erfahrenes Zentrum verlegt werden.

  • Der Beitrag von Matthias Hecker und Kollegen diskutiert die aktuellen Möglichkeiten einer adjunktiven medikamentösen Therapie des ARDS. Trotz einer Vielzahl von Studien konnte bisher kein Vorteil durch z. B. Steroide, Surfactant oder antiinflammatorische Substanzen nachgewiesen werden. Einzig und allein scheint ein restriktives Flüssigkeitsmanagement bei hämodynamisch stabilen Patienten von Vorteil zu sein.

  • Stefan Braune und Bernd Schönhofer wenden sich im dritten Beitrag der Entwöhnung der ARDS-Patienten von der invasiven Beatmung zu. Dabei diskutieren sie auch die schon während der Frühphase der Therapie notwendigen Maßnahmen wie u. a. die lungenprotektive Beatmung, Sedierungspausen und die Frühmobilisierung.

Den Autoren der Arbeiten muss ein großer Dank für die exzellenten und mit klaren Handlungsanweisungen versehenen Arbeiten ausgesprochen werden. Ihnen, den Leserinnen und Lesern dieses intensivmedizinisch ausgerichteten Dossiers, darf ich eine erkenntnisreiche Lektüre wünschen.

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Prof. Dr. med. Uwe Janssens
 
  • Literatur

  • 1 Bellani G Laffey JG. Pham T. et al. Epidemiology, Patterns of Care, and Mortality for Patients With Acute Respiratory Distress Syndrome in Intensive Care Units in 50 Countries. JAMA 2016; 315: 788-800
  • 2 Villar J. Blanco J. Kacmarek RM. Current incidence and outcome of the acute respiratory distress syndrome. Curr Opin Crit Care 2016; 22: 1-6