Balint Journal 2014; 15(01): 17-20
DOI: 10.1055/s-0034-1370973
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Angst in der Medizin – Die Wesens- und Sinnstruktur der Angst und ihre therapeutische Bedeutung

Fear in Medicine – Essence- and Sense Structure of Fear and their Therapeutical Meaning
B. Wandruszka
1   Facharztpraxis Stuttgart
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Publication Date:
26 March 2014 (online)

Zusammenfassung

In einer kurzen Skizze wird die Stellung und Bedeutung der Angst in Medizin und Psychotherapie dargestellt. Um dies zu erreichen, ist es unumgänglich, die innere Wesensstruktur („Essenz“), also das, was Angst überhaupt ist, in einem ersten Schritt aufzudecken, um in einem zweiten Schritt diese Erkenntnis nach dem heutigen philosophisch-anthropologischen Wissensstand in das Bild vom Menschen einzufügen, in das leibseelische, soziale und geistige Aspekte eingehen. Wo dies gelingt, wird deutlich, dass die Angst ein Grundphänomen, eine fundamentale Seins- und Weltweise des Menschen ist, ohne die wir seine Stellung und seinen Sinn in der Welt nicht verstehen können. Darüber hinaus beweist die Angst, dass der Mensch wesentlich unfertig ist und dass ihm darum sein Dasein aufgegeben ist. Dies hat zur Folge, dass der Mensch scheitern und sich verfehlen kann. In einem dritten Schritt wird darum der Aufweis der Notwendigkeit einer „Pragmatik der Angst“ gegeben, die uns belehrt, wie der Mensch mit Angst umgehen kann und soll, bzw. wie sich in aller Therapeutik die Aufgabe stellt, den Kranken wieder in Stand zu setzen, seine Ängste zu verstehen und in kon­struktiver Weise in sein Leben zu integrieren.

Abstract

In a short sketch it will be represented the role of anxiety in medicine and psychotherapy. In order to reach this aim it is in a first step necessary to clarify what anxiety essentially is. In a second step this analysis of the inner structure of anxiety will be put into a modern sight of human being in which are integrated bodily, psychological, sociological and mental aspects. In such a way we perceive that anxiety is a fundamental phenomenon of his “In-der-Welt-Sein” that we cannot neglect if we want understand the position and sense of human being in the world. Then anxiety proves that man is unfinished and therefore vulnerable and can fail. Because of this in a third step will be showed the necessity to give “pragmatics of anxiety” to be learned how man shall handle his anxieties and how can therapy help that the sick person can be enabled to understand his anxiety and to integrate it in an constructive way into his life.

 
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