Zeitschrift für Palliativmedizin 2013; 14(6): 251
DOI: 10.1055/s-0033-1361998
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Buchbesprechung – Integrierte Palliativmedizin

Contributor(s):
Bernd Alt-Epping
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Publication Date:
25 November 2013 (online)

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Eine öffentliche Ringvorlesung zum Thema Palliativmedizin zu konzipieren stellt mit Blick auf die Themenvielfalt, aber vor allem mit Blick auf die Vielschichtigkeit der sich möglicherweise angesprochen fühlenden Zuhörer eine Herausforderung der besonderen Art dar. Die beiden Herausgeber und Mitautoren, Prof. Dr. G. Pott und Prof. Dr. D. Domagk, haben sich dieser Herausforderung in Münster gestellt, dementsprechend bunte Themen und Referenten zusammen gebracht und darüber hinaus die Beiträge gleich in einem Sammelband veröffentlicht – Chapeau! Die Themen reichen von allgemeinen Betrachtungen zur Behandlung und Begleitung von Schwerst- und Sterbenskranken, Tumorschmerztherapie oder Aufgaben und Funktionen einer Palliativstation über die studentische Lehre und dem möglichen Stellenwert gastroenterologischer Interventionen hinüber zur allgemeinärztlichen Perspektive oder zu seelsorgerischen Impulsen. Ganz subjektiv stellen dabei die Beiträge von N. Jömann und B. Schöne-Seifert zur Patientenautonomie und Vorausverfügungen, von M. Baumann-Köhler zur pädiatrischen Palliativversorgung oder von K. u. A. Herold über die Erwartungen von Angehörigen besonders wertvolle Höhepunkte dar. Der Beitrag der niederländischen Theologin A. van der Meiden lässt zudem erahnen, wie intensiv die in den Niederlanden und in Deutschland so unterschiedlich bewerteten Entscheidungen zur aktiven Sterbehilfe gerade in den Grenzregionen (wie eben in Münster) reflektiert werden.

Die Vielgestaltigkeit der Themen, mehr noch aber die unterschiedlichen Zielgruppen und die damit verbundenen, sehr divergierenden Schreibstile stellen zugleich Stärke und Schwäche des Sammelbandes dar. Einige Beiträge richten sich in Wort und Inhalt ausschließlich an medizinisch versierte Leser. Andere Beiträge adressieren vor allem am Thema interessierte Laien. Dies führt dazu, dass in der letztgenannten Gruppe von Beiträgen der Kontext wichtiger struktureller und inhaltlicher Diskussionen, die in der Palliativmedizin aktuell geführt werden, verschiedentlich fehlt; dort wären stellenweise auch mehr Quellenangaben, Recherche und Präzision hilfreich gewesen. Nachdenklich macht es auch, wenn der Palliativmedizin ein Recht auf Leidensfreiheit, „Wunscherfüllung“ als therapeutisches Ziel oder ein sich abgrenzender, eigener, höherer moralischer Werteanspruch zugrunde gelegt wird; auch in der Palliativmedizin arbeiten wir schließlich nur als Menschen, mit allen Begrenztheiten. Die christlichen Glaubensbezüge gleich mehrerer Beiträge verleihen dem Sammelband hingegen eine tiefgründige Authentizität; sie verdeutlichen, daß zumindest an dieser Stelle eher Reflexion und individuelle Auseinandersetzung (und weniger der wissenschaftliche oder strukturpolitische Diskurs) im Vordergrund stehen soll.

Dieses Ringvorlesungs- und Buchprojekt verdient alle Anerkennung. Als öffentliche universitäre Veranstaltung gestartet, können Projekte wie dieses gesellschaftliche Impulse bewirken, die für unsere klinische Arbeit in der Palliativmedizin, aber auch für die Weiterentwicklung universitärer palliativmedizinischer Strukturen vor Ort so dringend und immer wieder benötigt werden.

 
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