Rehabilitation (Stuttg) 2013; 52(04): 225
DOI: 10.1055/s-0033-1351308
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zur Schulungspraxis in der medizinischen Rehabilitation

About Patient Education in Medical Rehabilitation
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Publication Date:
28 August 2013 (online)

Patientenschulungen, vor allem in Form interaktiver Gruppenprogramme, sind ein zentraler konzeptioneller Baustein in der medizinischen Rehabilitation. Ihre Wirksamkeit ist bei einem breiten Spektrum chronischer Erkrankungen sowie bei der Förderung von Gesundheitsverhalten (Ernährung, Bewegung) erwiesen. Aus diesem Grunde ist die Patientenschulung mittlerweile nahezu selbstverständlicher Bestandteil von Therapiestandards und Leitlinien.

Eine andere Frage ist, ob und in welcher Qualität Patientenschulungen in der Praxis durchgeführt werden. Bereits in dem DGRW-Update zur Pa­tientenschulung von 2011 [1] wurde auf bundesweite Bestandsaufnahmen zu Patientenschulungen für Erwachsene hingewiesen, die das Zen­trum für Patientenschulungen in Würzburg in den Jahren 2005 und 2010 durchgeführt hatte. Wegen der zentralen Bedeutung von Schulungen in der medizinischen Rehabilitation und der nach wie vor bestehenden Defizite wird das Thema in einem ausführlicheren Artikel dieser Ausgabe noch einmal vorgestellt. Reusch, Schug, Küffner et al. untersuchen in einer deskriptiven Studie den Stellenwert von indikationsübergreifenden Gruppenprogrammen zur Gesundheitsbildung, von Programmen der indikationsspezifischen ­Patientenschulung und von psychoedukativen Gruppenprogrammen in ambulanten und stationären Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation zu allen wichtigen Indikationen (auch Psychosomatik und Sucht). Die Schulungsprogramme werden in der Regel durch mehrere Berufsgruppen und meistens in Gruppen mittlerer Größe (8–15 Teilnehmer) durchgeführt. Die besonders effektiven interaktiven Methoden werden eher in kleineren Gruppen eingesetzt. Bemerkenswert ist die Vielzahl der ermittelten Programme (allein 2 650 Gruppenprogramme) und auch der Trend zu größeren Gruppen (im Vergleich zu 2005). Defizite bestehen nach wie vor in der Manualisierung (wichtig für Standardisierung) und auch in der Evaluierung von Programmen. Insbesondere besteht Bedarf in der Unterstützung bei Fortbildungen für das Schulungspersonal sowie bei der Durchführung von Workshops zu Schulungskonzepten.

Pollmann und Hübner geben in einem weiteren Beitrag (DGRW-Update) einen Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand der Rehabilitation bei Diabetes mellitus. Es wird ein bedeutsamer Rehabilitationsbedarf bei Patienten mit Diabetes ohne Antragsintention in der ambulanten Versorgung gesehen. Forschungsbedarf besteht bei den Nachsorgemaßnahmen, zumal Ergebnisse der Rehabilitation in dieser Indikationsgruppe bisher zu wenig verstetigt werden.

Mit der sozialen Integration bei Opiatabhängigen beschäftigt sich der Beitrag von Verthein, Schäfer und Degkwitz. Sie untersuchen Patienten, die mindestens 4 Jahre mit Diamorphin behandelt wurden. Als Haupteinflussfaktor einer verbesserten sozialen Integration wird die Arbeitsfähigkeit angesehen. Sodann untersuchen Brandes und Niehues die Ermittlung von Rehabilitationszielen im Klinikalltag bei Endometriose-Patientinnen. Dabei wird u. a. festgestellt, dass die in den Entlassungsberichten dargelegten Ziele nicht mit den von den Patientinnen formulierten Zielen übereinstimmen. Sie plädieren deshalb für eine stärkere Patientenorientierung.

Im Weiteren werden von Muschalla, Keßler, Schwantes et al. Ergebnisse zur Behandlung von Patienten mit psychischen Störungen durch niedergelassene Ärzte vorgestellt. Die Autoren stellen fest, dass Hausärzte bei diesem Patientenkreis auch rehabilitativ tätig sind und deshalb mehr Aufmerksamkeit erfordern. Der anschließende Beitrag von Glattacker, Dudeck, Dibbelt et al. betrifft Zielvereinbarungen bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen. In einer Kon­trollgruppenuntersuchung werden Ergebnisse einer gezielten Intervention zur Optimierung von Zielvereinbarungen (PARZIVAR) dargestellt. Während einige Qualitätskriterien von Zielvereinbarungen in der Interventionsgruppe besser erfüllt werden, ist bei funktionalen Outcomes keine Verbesserung ermittelt worden, sodass weiterer Entwicklungs- und Forschungsbedarf besteht.

Mittag und Reese präsentieren wichtige Praxisempfehlungen zur psychologischen Intervention bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit auf der Grundlage einer sorgfältig durchgeführten Studie. Die Ergebnisse tragen wesentlich zur Evidenzbasierung des psychologischen Handelns in der Rehabilitation bei, sie sollten aber auch zu einer neuen Aufgaben- und Rollenverteilung in der medizinischen Rehabilitation sowie zu einem breiteren Einsatz psychologischer Interventionen zur nachhaltigen Lebensstiländerung führen.

Die nachfolgenden Beiträge beziehen sich auf das Problem fehlender Werte (Methodenbeitrag von Cho und Leonhart), auf das RehaFutur-Projekt (Diskussionsbeitrag von Beiler; siehe dazu auch [2]) sowie auf die Phase E der neurologischen Rehabilitation als Brücke zur Inklusion (Stellungnahme der DVfR).

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