Rehabilitation (Stuttg) 2013; 52(04): 233
DOI: 10.1055/s-0033-1349879
Buchbesprechung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Interessenkonflikte in der Medizin – Hintergründe und Lösungsmöglichkeiten

Contributor(s):
Katharina Quaschning
1   Freiburg
,
Wilfried H. Jäckel
1   Freiburg
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Publication History

Publication Date:
28 August 2013 (online)

Im Gegensatz zu den USA wurde in Deutschland das Thema „Interessenkonflikte in der Medizin“ bislang nur in relativ kleinen Kreisen thematisiert und von der Fachöffentlichkeit kaum wahrgenommen.

Interessenkonflikte sind Teil des medizinischen Alltags, zunächst wertneutral und nicht grundsätzlich negativ belastet. In Anlehnung an das „Institute of Medicine“ definiert die „Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlich-medizinischer Fachgesellschaften (AWMF)“ Interessenkonflikte als Situationen, welche ein Risiko dafür herstellen, dass professionelles Urteilsvermögen oder Handeln, welches sich auf ein primäres Interesse (u. a. Patientenwohl) bezieht, durch ein sekundäres Interesse (u. a. berufliches Weiterkommen, Annahme finanzieller Zuwendungen der Industrie) unangemessen beeinflusst wird. Hierdurch erhöht sich das Risiko der Entstehung eines verzerrten Urteils oder Handelns.

Der vorliegende Sammelband beschreibt die vielseitigen Facetten von Interessenkonflikten in der Medizin und deren Auswirkungen in Forschung, Patientenversorgung, Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie in medizinischen Fachzeitschriften und im Medizinjournalismus. Das Ziel der Publikation ist, das Thema im Bewusstsein möglichst vieler Beschäftigter im Gesundheitswesen zu verankern und Veränderungsprozesse anzuregen, um dadurch verzerrte Beurteilungen bei der Zulassung und Verordnung von Arzneimitteln, bei der Durchführung und Interpreta¬tion klinischer Studien oder bei der Entwicklung von Leitlinien zu reduzieren. Die Autoren plädieren für eine Versachlichung und differenzierte Analyse der gegenwärtigen Diskussion, für Transparenz und konsequente Offenlegung vorhandener Interessenkonflikte sowie für anschließende Schritte zur Reduktion bzw. zur Vermeidung ihrer schädlichen Konsequenzen. Das Buch gliedert sich in einen allgemeinen und einen speziellen Teil. In insgesamt 19 Kapiteln kommen neben medizinischen Wissenschaftlern auch Vertreter anderer Fachrichtungen wie Medizinrecht, Medizinethik, Medizinjournalismus, Soziologie, Psychologie sowie pharmazeutische Unternehmen zu Wort, die sich der Thematik aus ihrer jeweiligen Perspektive nähern, Hintergründe erläutern, Handlungsbedarfe ableiten und konkrete Lösungsmöglichkeiten zum Umgang mit Interessenkonflikten vorschlagen.

Die Darstellung der aktuellen Situation in Deutschland wird mit dem derzeitigen Stand der internationalen Diskussion sowie durch international übliche Empfehlungen zum Umgang mit Interessenkonflikten ergänzt. Besonders hervorzuheben sind die vielfältigen Beispiele, welche die Fülle an Informationen lebendig werden lassen. Neben der Vorstellung industrieunabhängiger Zeitschriften (u. a. „Der Arzneimittelbrief“; „Gute Pillen – Schlechte Pillen“) werden Initiativen wie u. a. „MEZIS“ („Mein Essen zahl´ ich selbst“) oder die Transparenzregelungen der „HELIOS-Kliniken“ im Umgang mit Interessenkonflikten beschrieben.

Zusammenfassend ist dieses Buch aufgrund der sachlichen, differenzierten sowie praxisnahen Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex nicht nur für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen, sondern bereits für Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen (z. B. Medizin, Gesundheitswissenschaften) sehr zu empfehlen. Wenngleich die Rehabilitation nicht explizit als Arbeitsfeld klinisch tätiger Ärzte sowie als Durchführungsort klinischer Studien aufgeführt wird, lassen sich die beschriebenen Inhalte durchaus auf den Kontext der Rehabilitation übertragen. Das Buch sollte daher aus unserer Sicht zu einem festen Bestandteil der Bibliothek der Rehabilitationseinrichtungen werden.