Laryngorhinootologie 2012; 91(02): 78-79
DOI: 10.1055/s-0032-1304130
Referiert und diskutiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sensorineuraler Hörverlust - Hörimplantat ist herkömmlichen Hörhilfen überlegen

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Publication Date:
06 February 2012 (online)

Allein in den USA leiden 18,8 Mio. Menschen an sensorineuralem Hörverlust (SNHL). Insbesondere diejenigen, die zwar Hörhilfen, aber noch kein Cochleaimplantat benötigen, profitieren möglicherweise von einem voll implantierbaren Hörgerätesystem, dem sog. Esteem Hörimplantat. Das zeigen die 1-Jahres-Ergebnisse einer Phase-II-Studie aus den USA.
Otolaryngol Head Neck Surg 2011; 145: 100–109

Bei dem Esteem-System werden Prozessor- und Batterieeinheit unsichtbar hinter dem Ohr unter die Haut eingepflanzt. Die piezoelektrischen Transducer (Sensor, Treiber) werden im Mittelohr implantiert. Der Sensor, welcher im Bereich des Amboss aufgesetzt wird, nimmt die Schwingungen vom Trommelfell auf. Der Prozessor verstärkt den Schall und gibt das Signal an den Treiber weiter, der den Steigbügel in Schwingungen versetzt. Amboss und Stapes müssen dazu unterbrochen werden.

E. Kraus et al. führten an 3 Zentren eine prospektive, nicht randomisierte FDA-Studie durch. 57 Patienten im Alter von 18–77 Jahren mit beidseitigem, moderatem bis schwerem SNHL (Diskrimination >40%) nahmen daran teil. Sie benutzten seit durchschnittlich 13 Jahren eine Hörhilfe (86% beidseitig). Die Autoren verglichen die 1-Jahres-Hörergebnisse des Implantats mit den Ergebnissen des vorher benutzten Hörgeräts. Hauptzielkriterien waren die Sprachwahrnehmungsschwelle (SRT) und die Worterkennungspunktwerte (WRS) bei 50dB Hörvermögen. Sekundäre Endpunktanalysen umfassten Fragebögen zu Selbstbewertung (Abbreviated Profile of Hearing Aid Benefit [APHAB]) und Lebensqualität, die durchschnittliche Hörschwelle (PTA) im Reintonaudiogramm (500, 1000 und 2000Hz), das Sprachverständnis bei Hintergrundlärm (QuickSIN) und die Sicherheit des Implantats. Mit Hörimplantat wurde eine durchschnittliche Verbesserung der SRT von 41,2dB auf 29,4dB erzielt. Die WRS verbesserten sich ebenfalls signifikant von 46,3 auf 68,9%. Die PTA verbesserte sich um 27dB. Das QuickSIN ergab keine Verschlechterung.

Der APHAB-Fragebogen zeigte in allen 4 Subskalen (Leichtigkeit der Kommunikation, Nachhall, Hintergrundgeräusche, Aversion gegen laute Geräusche) eine signifikante Leistungsverbesserung. Diese war bei der Kommunikation am größten und beim Nachhall am geringsten. Laut Lebensqualitätsfragebogen stuften 79% der Teilnehmer die Klangreinheit, 71% das Sprachverständnis bei Hintergrundlärm, 77% den natürlichen Klang von Stimmen, 67% das Verständnis von Unterhaltungen, 81% die Selbstsicherheit und 87% ihren Aktivitätsumfang als gleich oder viel besser ein. Bei 6 Teilnehmern kam es zu einer ernsten gerätebezogenen Komplikation: 2 Patienten erlitten eine Wundinfektion (1 Explantation) und 1 Patient eine medikamentös behandelbare Fazialisparese. In 3 Fällen musste das Implantat aufgrund einer Fibrose entfernt werden.

Fazit

12 Monate nach Implantation führte das Hörimplantat zu besseren Hörergebnissen als die vorher benutzte Hörhilfe. Zudem erwies sich das Implantat als sicher. Eine Nachzulassungsstudie ist bereits im Gange. Auch an technischen Weiterentwicklungen wird gearbeitet, so die Autoren.

Renate Ronge, Münster