Psychiatr Prax 2010; 37(7): 357-358
DOI: 10.1055/s-0030-1267420
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Therapieresistenz bei psychischen Erkrankungen

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Publication Date:
04 October 2010 (online)

 

Das Nichtansprechen auf eine indizierte, ausreichend lange und in ausreichender Intensität bzw. Dosis verabreichten Therapiemaßnahme bezeichnet man als Therapieresistenz. Kliniker sind mit diesem Phänomen nahezu täglich konfrontiert. Insofern ist es erfreulich, dass Max Schmauß und Thomas Messer ein Buch herausgegeben haben, das sich dieses Themas annimmt. Bisher fehlte so eine Übersicht im deutschen Sprachraum, aber auch eine Suche nach englischsprachiger Literatur ergab nur entsprechende Artikel in Fachzeitschriften zu verschiedenen Diagnosen. Die Auswertung dieser Literatur ist nun in diesem Buch zusammengefasst, beginnend mit unipolarer Depression, bipolarer Störung und Schizophrenie, über hirnorganisch Beeinträchtigte, Angsterkrankungen, Zwangsstörungen und posttraumatische Belastungsstörungen bis hin zu somatoformen Störungen, Essstörungen, ADHS, Schlafstörungen und Persönlichkeitsstörungen.

Die Vielfalt verspricht eine Abhandlung nahezu des gesamten Diagnosenspektrums der Psychiatrie, macht aber auch Probleme. Zunächst erstaunt, dass die .Abhängigkeitserkrankungen überhaupt nicht abgehandelt werden, sind sie doch die zahlenmäßig größte Diagnosegruppe. Die vorliegenden Kapitel sind dazu noch sehr heterogen geschrieben. Auch wenn dies ein typisches Problem von Büchern mit vielen Autoren ist, so wäre eine einheitliche, stringentere Gliederung der Kapitel doch wünschenswert. Dadurch wäre vielleicht vermieden worden, dass das Kapitel zu hirnorganisch Beeinträchtigten – was nur demenzielle Erkrankungen umfasst – sich letztlich allgemeinen Behandlungsempfehlungen widmet und die Therapieresistenz bei diesem Krankheitsbild nicht wirklich beleuchtet. Auch haben manche Kapitel einen biologischen Schwerpunkt, fokussieren auf die Pharmakotherapie, andere stellen psychotherapeutische Methoden schwerpunktmäßig dar. Dies geht natürlich bis zu einem gewissen Grad konform mit den unterschiedlichen Schwerpunkten in der Therapie unterschiedlicher Diagnosen. Dass aber z.B. bei der Schizophrenie die auch in der DGPPN-Leitlinie als drittes Standbein der Therapie beschriebenen sozialpsychiatrischen Hilfesysteme keine Erwähnung finden, erstaunt dann doch etwas. Wenn man als ein Therapieziel eine Wiedereingliederung in das Arbeitsleben definieren würde, die durch den stationären Aufenthalt nicht erreicht werden kann, wäre eine erweiterte, z.B. RPK-Maßnahme durchaus als Behandlung .einer Therapieresistenz einzuordnen. Holmes und Kollegen gehen sogar noch weiter und definieren eine "community treatment resistance" [1]. Gerade weil die Behandlung der Therapieresistenz meist eine hochgradig individuelle, d.h. personenzentrierte ist, sollte dieser Bereich mit seinen Möglichkeiten in solch einem Buch nicht unerwähnt bleiben.

Man hätte sich als Leser unter diesen Aspekten ein einleitendes Kapitel über den Begriff der Therapieresistenz, diagnoseunabhängige Ursachen und allgemeine Strategien gewünscht. Phänomene wie die Pseudotherapieresistenz oder die Bedeutung des Beziehungsaufbaus zwischen Therapeut und Patienten, die ja durchaus für den Alltag bedeutend sind, könnten dann auch etwas ausführlicher und allgemeiner abgehandelt werden. Ein etwas schärferes Profil, auch zur Abgrenzung z.B. von dem "State-of-the-Art"-Buch im gleichen Verlag, würde zudem das Alleinstellungsmerkmal des Buches unterstreichen, das, trotz der fehlenden redaktionellen Stringenz, den verdienstvollen Versuch unternimmt, dem Kliniker bei besonders schwierigen Fällen unter die Arme zu greifen.

Raoul Borbé, Ravensburg-Weissenau

Email: raoul.borbe@zfp-zentrum.de

Schmauß M, Messer T, Hrsg. Therapieresistenz bei psychischen Erkrankungen. München: Urban & Fischer, 2009; 244 S., zahlreiche Tabellen und Abbildungen, geb., 49,95 €, ISBN 978-3-437-23085-1

Literatur

  • 01 Holmes A , Hodge M , Lenten S , et al . Australas Psychiatry. 2006;  14 272-276
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