Zeitschrift für Palliativmedizin 2010; 11(5): 213
DOI: 10.1055/s-0030-1265768
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Publication Date:
03 September 2010 (online)

 

Wie wollen wir sterben? Ein ärztliches Plädoyer für eine neue Sterbekultur in Zeiten der Hochleistungsmedizin

Michael de Ridder, 2010, 317 Seiten, 19,95 €, Deutsche Verlags-Anstalt, München, ISBN: 978-3-421-04419-8

"Leben Sie jetzt die Fragen!" - diese Empfehlung Rilkes an einen jungen Briefpartner lässt Michael de Ridder mit seinem Buch "Wie wollen wir sterben?" lebendig werden. Michael de Ridder, Internist und Notfallmediziner aus Berlin, schaut auf dreißig Jahre ärztliche Tätigkeit zurück. Sein Plädoyer für eine neue Sterbekultur kommt aus dieser Erfahrung. Er schildert in drastischen Farben Szenarien aus Pflegeheimen, Wohnungen und Fallgeschichten aus der Klinik. So löst er auch bei den Lesern tiefe Betroffenheit aus, die den Alltag hilfsbedürftiger Menschen zu kennen meinen. Sein Schrei nach einer gerechteren Verteilung von Ressourcen im Gesundheitswesen - zu Gunsten einer palliativen Versorgung für die wachsende Zahl von chronisch kranken Menschen - ist völlig verständlich für diejenigen, die z.B. die schleppende Umsetzung der SAPV erdulden müssen.

De Ridder stellt wichtige Fragen - einige beantwortet er (z.B. die hilfreiche Differenzierung der Situation von Menschen im so genannten Wachkoma). Manche hat die Palliativmedizin schon beantwortet (die Aufnahme des Pflichtfachs Palliativmedizin in die Approbationsordnung für Ärzte), die der Autor noch nicht zur Kenntnis genommen hat. Weiter stößt er große Fragen an.

"Anstößig" - aber nach de Ridders und unserer Einschätzung unabdingbar verbunden mit ärztlicher Verantwortung - sind die Themen "Ärztlich assistierter Suizid" und "Aktive Sterbehilfe". Konsequent fordert er die Vertreter seiner Profession auf, Mutlosigkeit zu überwinden und klar Partei für den leidenden Menschen und sein Selbstbestimmungsrecht zu ergreifen.

Für den Leser formt sich das Bild eines leidenschaftlichen Mediziners, der seine Kollegen und die Gesellschaft in die Verantwortung für eine Humanisierung des Sterbens nimmt. Dabei würdigt er die Erfolge der letzten Jahre im neuen Umgang mit Patientenautonomie, warnt aber professionelle und politische Entscheidungsträger davor, in Denkverboten zu verharren.

Einer Streitschrift, die auch für Nicht-Mediziner gut lesbar ist und zu Auseinandersetzung einlädt, sieht man gewisse Ungenauigkeiten nach. Vielleicht sind gerade die erkennbaren Lücken, z.B. zur terminalen Sedierung oder Schmerztherapie, ein ernst zu nehmender Hinweis für die Palliativmedizin, sich verständlich(er) darzustellen. De Ridder zeigt überzeugend, was und wie wir von Patienten lernen können. Um mit Rilke zu schließen: dialogisch in Antworten hinein zu wachsen.

Hermann Reigber und Bernadette Fittkau-Tönnesmann, München

  • 01 Michael de Ridder . Wie wollen wir sterben? Ein ärztliches Plädoyer für eine neue Sterbekultur in Zeiten der Hochleistungsmedizin. München: Deutsche Verlags-Anstalt; 2010. 317 Seiten, 19,95 €. ISBN: 978-3-421-04419-8
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