Intensivmedizin up2date 2011; 7(4): 253-278
DOI: 10.1055/s-0030-1256860
Allgemeine Prinzipien der Intensivmedizin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Radiologische Bildgebung des Thorax beim Intensivpatienten

Roland  C.  Bittner, Ulrich  Kraemer
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Publication Date:
19 October 2011 (online)

Kernaussagen

Bettseitig verfügbare Röntgenaufnahmen in digitaler Technik und die Sonografie sind die Untersuchungsmethoden der Wahl für die Thoraxdiagnostik bei Intensivpatienten. Auch für Notfallpatienten und auf der Intensivstation gelten die strengen Vorschriften des Strahlenschutzes. Die sofortige Ausführbarkeit radiologischer Anforderungen und direkte Befundübermittlung sind Voraussetzung für eine suffiziente Intensivdiagnostik. Vor einem Transport des Intensivpatienten in das CT sollten bettseitig verfügbare und dosissparende Untersuchungsverfahren erwogen worden sein (Tab. [1]).

Ein tägliches radiologisches Konsil erleichtert diese Entscheidung, verbessert das Erkennen von Komplikationen und beschleunigt das therapeutische Handeln. Routineröntgenaufnahmen des Thorax’ sind heute obsolet, abgelöst durch eine differenzierte Bildgebungsstrategie unter Berücksichtigung der Klinik des Patienten. Bei klinischer Verschlechterung und bei Neueinbringung bzw. Änderung von Instrumenten ist dagegen eine sofortige Röntgenkontrollaufnahme indiziert.

Eine adäquate Aufnahmeposition des Patienten in optimaler Inspiration verbessert die Beurteilbarkeit der Aufnahme. Bei Schwangeren, Kindern und Jugendlichen sollten Röntgenuntersuchungen vermieden werden zugunsten der Sonografie.

Sonden, Katheter und Drainagen sollten bei der Lagekontrolle im gesamten thorakalen Verlauf abgebildet sein. ZVK liegen optimal mit der Spitze in Projektion auf den paravertebralen Bereich rechts zwischen den Ansätzen der 6. – 8. Rippe. Im Zweifelsfall ist eine Blutgasanalyse aus dem ZVK vorzunehmen. Insbesondere bei Kleinkindern ist die sonografische Kontrolle der regelrechten Katheterlage obligat.

Pleuraergüsse, Perikardergüsse und Pneumothoraces lassen sich mit Röntgenaufnahmen und Sonografie in der Regel nachweisen und im Ausmaß bestimmen. Röntgenologisch ist in der Liegendaufnahme ein frei auslaufender Erguss ab ca. 200 ml als flaue Verschattung zu erkennen, die Sonografie weist bereits wenige Milliliter Pleuraerguss nach. Eine CT ist hierbei nur indiziert, wenn bildgesteuert eine Drainage eingebracht werden soll.

Pulmonale Verdichtungen im Röntgenbild im Sinne von Pneumonien und Atelektasen sind durch Pneumobronchogramme von Ergüssen zu unterscheiden. Fehlt dieses Zeichens, kann die genaue Diagnose erschwert sein – dann hilft die Sonografie weiter. Beim Verdacht auf pneumonische Komplikationen wie Abszessbildung oder Empyem ist eine diagnostische Sicherung mit CT indiziert. Klinisch instabile und ateminsuffiziente Patienten mit flächigen Verschattungen, die milchglasähnlich mehr als 80 % der röntgenologischen Lungenfläche betreffen, haben mit hoher Wahrscheinlichkeit ein ARDS/ALI. Auch hierbei kann die CT differenzialdiagnostisch und therapeutisch wertvolle Informationen liefern.

Bei klinisch hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Lungenarterienembolie, positiven D-Dimeren und Zeichen der Rechtsherzbelastung ist die Angio-CT die Methode der Wahl. Ein negativer D-Dimer-Wert schließt dagegen eine Lungenarterienembolie praktisch aus. Die Beurteilung postoperativer Röntgenaufnahmen des Thorax’ erfordert genaue Informationen zum klinischen Patientenstatus und zu den vorgenommenen Eingriffen, da als pathologisch einzustufende Veränderungen in der postoperativen Phase normal sein können.

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Dr. med. CA Roland C. Bittner

HELIOS Klinikum Emil von Behring
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