NOTARZT 2009; 25(6): 208-209
DOI: 10.1055/s-0029-1220341
Fortbildung
Der toxikologische Notfall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wirkungsvoller Drink

C.  Storm1 , F.  Martens1
  • 1Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin (Direktor: Prof. Dr. Ulrich Frei), Berlin
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Publication Date:
14 December 2009 (online)

Der Fall

Nächtlicher Alarm mit dem Stichwort „Plötzliche Bewusstlosigkeit” in den Maßregelvollzug. Dort war von Mitgefangenen ein Häftling reaktionslos aufgefunden worden. Beim Eintreffen der RTW-Besatzung führten Bedienstete Herzdruckmassage durch. Da auch die Rettungssanitäter keinen Puls tasten konnten, führten sie die Wiederbelebungsmaßnahmen mit zusätzlicher Beutel-Maskenbeatmung fort. Der halbautomatische Defibrillator empfahl keine Defibrillation. Zwischenzeitlich war auch der Notarzt eingetroffen. Dessen EKG-Monitor zeigte einen bradykarden Rhythmus, ein Puls war jedoch auch an den großen Arterien nicht sicher tastbar. Die orientierende Untersuchung ergab stecknadelkopfgroße Pupillen trotz der schlechten Kreislaufsituation. Daher verabreichte der Notarzt über einen inzwischen angelegten peripheren Zugang insgesamt 1,5 Ampullen Naloxon. Da sich die Vigilanz nicht rasch änderte, erfolgte ein Intubationsversuch, währenddessen es jedoch zu massivem Erbrechen mit fraglicher Aspiration kam. Kurz danach wurde die Hautfarbe rosig und Spontanatmung setzte ein. Schließlich wurde der Patient wach und konnte berichten, dass er bei der Ausgabe das Polamidon eines Mithäftlings weggenommen und ausgetrunken hatte. Nach dem Abendessen sei er wieder in seiner Zelle eingeschlossen worden. Danach könne er sich an nichts erinnern. Fremdanamnestisch wurden eine paranoide Psychose und eine Hepatitis C bei früherem Drogenabusus bekannt. Der Patient nahm aktuell jedoch an keinem Substitutionsprogramm teil.

Nach diesen Erkenntnissen transportierte der Notarzt den Patienten auf die Intensivstation einer nahegelegenen Klinik, da entsprechende Überwachungsmöglichkeiten im Vollzug nicht bestanden.

Die erste peripher-venöse Blutgasanalyse zeigte eine Hyperkapnie von 85 mm Hg und eine verdoppelte Laktatkonzentration. Da die Hyperkapnie bei schläfriger Vigilanz fortbestand, wurden während des stationären Aufenthaltes weitere 0,6 mg Naloxon fraktioniert verabreicht. Darunter kam es zur weitgehenden Normalisierung des pCO2. Hinsichtlich der Bewusstseinslage blieb der Patient schläfrig, aber auf Ansprache oder leichte taktile Reize jederzeit gut erweckbar und dann auch orientiert. Wegen des Verdachts einer Aspiration wurde mit einer antibiotischen Therapie begonnen. Acht Stunden später konnte der Patient in das Krankenhaus der Vollzugsanstalt verlegt werden.

Literatur

  • 1 Freye E. Opioide in der Medizin, 7. Aufl. Berlin, Heidelberg, New York; Springer Verlag 2008

Priv.-Doz. Dr. Frank Martens

Charité, Campus Virchow Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin

Email: frank.martens@charite.de

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