Zeitschrift für Palliativmedizin 2009; 10(1): 8
DOI: 10.1055/s-0029-1215918
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Publication Date:
23 March 2009 (online)

 

Medizinische Indikation und Patientenwille - Behandlungsentscheidungen in der Intensivmedizin und am Lebensende

Charbonnier R., Dörner K., Simon S. (Hrsg.) 2008, 146 Seiten, EUR (D) 34,95, Schattauer, Stuttgart ISBN 978-3794526024

Die Indikationsstellung zur Durchführung medizinischer Maßnahmen in der letzten Lebensphase ist eine häufige und gleichzeitig anspruchsvolle Aufgabe im klinischen Alltag. Neben klinischen Faktoren beeinflussen persönliche Einstellungen und weitere ethisch relevante Aspekte diese Entscheidungen. In dem Sammelband Medizinische Indikation und Patientenwille (Hg. R. Charbonnier, K. Dörner, S. Simon) werden Grundlagen der Entscheidungsfindung am Lebensende unter besonderer Berücksichtigung der Indikation von Vertretern der klinischen Medizin, Medizinethik, Pflegewissenschaften, Philosophie, Rechtswissenschaften und Theologie bearbeitet.

Die Konflikte zwischen dem Willen des kranken Menschen und der Indikation im Kontext einer Beziehungsmedizin sind - nach einem kurzen Vorwort der Herausgeber - Gegenstand des 1. Sammelbandbeitrags von Dörner. In den beiden folgenden Kapiteln wird das Spannungsfeld zwischen Indikation und Patientenwillen anhand ausgewählter Praxisbeispiele aus ärztlicher (R. Prenzel und K. Preuß) beziehungsweise seelsorgerlicher (U. Schäfer-Breitschuh) Perspektive analysiert. Die klinisch-praktischen Untersuchungen werden durch einen Beitrag aus dem Bereich der Pflege ergänzt. Das Konzept der Care-Ethik und der Begriff der relationalen Autonomie des in Beziehungen stehenden Patienten bilden das Zentrum der Ausführungen von Kohlen.

Die ethisch-konzeptionelle Analyse des Begriffs der Indikation ist Gegenstand von 2 Beiträgen aus medizinethischer Perspektive. Lanzerath stellt den Krankheitsbegriff in den Mittelpunkt seiner Überlegungen zur ethischen Bewertung der medizinischen Handlungsmöglichkeiten. In dem 2. Beitrag zur Indikation untersucht Neitzke ethisch relevante Aspekte im Kontext der Indikationsstellung und plädiert für die Unterscheidung zwischen einer medizinischen Indikation und einer ärztlichen Indikation. Die ärztlichen Grundhaltungen als Grundlage für medizinische Entscheidungen sind Gegenstand der Untersuchung von Simon. Der Autor identifiziert verschiedene Bausteine dieses, für das ärztliche Ethos relevanten Begriffs. Die rechtlichen Aspekte im Spannungsfeld zwischen Patientenwillen und Indikation bilden den Schwerpunkt von 2 weiteren Sammelbandbeiträgen. Putz und Steldinger fassen die aktuelle Rechtsprechung sowie die für die Indikationsstellung am Lebensende relevanten gesetzlichen Grundlagen zusammen. Die Selbstbestimmung und die Integrität als verfassungsrechtlich relevante Maßstäbe für ärztliches Handeln am Lebensende sind Gegenstand des Beitrags von Höfling.

Den Abschluss des Sammelbandes bilden 2 Beiträge zu den aktuell gesellschaftlich und politisch vieldiskutierten Themenkomplexen "Sterbehilfe" und "Patientenverfügungen". Kodalle beleuchtet in seinem Beitrag die Rechtfertigungsgrundlage für ein (ärztlich) assistiertes Sterben. Die Herausforderungen für eine gesetzliche Regelung für Patientenverfügungen stehen im Zentrum der den Sammelband beschließenden Analyse von Sahm.

In der klinischen Praxis müssen Fragen zur Indikation medizinischer Maßnahmen am Lebensende häufig in einem engen Zeitfenster und eindeutig beantwortet werden. Die vorgelegten Analysen aus unterschiedlichen disziplinären Blickwinkeln schärfen das Bewusstsein für die konzeptionellen und praktischen Herausforderungen, die mit diesen Entscheidungen verknüpft sind.

Dr. Jan Schildmann, M. A. Berlin/Bochum

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